Welche Rolle spielen linguistische Ähnlichkeiten zwischen Sprachen beim Erlernen einer Fremdsprache?
Studie von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin, der University of Rochester und der Radboud-Universität Nijmegen
Nr. 356/2019 vom 21.11.2019
Linguistische Ähnlichkeiten zwischen Sprachen haben einer Studie von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin, der University of Rochester (USA) und der Radboud-Universität Nijmegen (Niederlande) zufolge einen Einfluss auf die Fähigkeit eine Fremdsprache zu erlernen. Die Forscher werteten Daten von rund 50.000 Erwachsenen mit 62 verschiedenen Erstsprachen aus; die Daten stammen aus einem von der niederländischen Regierung durchgeführten Einbürgerungstest, in dessen Rahmen auch die Niederländischkenntnisse der Bewerberinnen und Bewerber geprüft werden. Den Wissenschaftlern zufolge haben beispielsweise Personen, deren Erstsprache Arabisch ist, eine Chance von lediglich rund fünf Prozent, bessere Ergebnisse in einem Niederländisch-Sprachtest zu erzielen als die 50 Prozent der deutschsprachigen Muttersprachlerinnen und Muttersprachler mit den schlechtesten Testergebnissen. Bei englischsprachigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern liege die Chance bei 25 Prozent, in einem Niederländisch-Test besser abzuschneiden als die 50 Prozent der deutschsprachigen Mutterspracherinnen und Muttersprachler mit den schlechtesten Resultaten.
Den Wissenschaftlern zufolge macht die Erstsprache einen Unterschied von 9 bis 22 Prozent hinsichtlich der Kompetenz aus, die niederländische Sprache zu lernen. „Das entspricht 28 bis 69 Prozent der Varianz, die derzeit mithilfe eines modernen Modells erklärt werden kann, das weitere Faktoren wie den Bildungshintergrund der Lernenden sowie die Dauer des Lernens einer Fremdsprache berücksichtigt“, erklärt der Erstautor der Studie Dr. Job Schepens von der Freien Universität. Demnach ließen sich zwischen einem Viertel und mehr als die Hälfte der Unterschiede zwischen Lernenden in der Sprachkompetenz allein durch die Muttersprache der Lernenden erklären.
„Das Erlernen einer Fremdsprache kann also durch die eigene Muttersprache sowohl erleichtert als auch erschwert werden“, sagt Job Schepens. Bedeutsam sei, dass dieser Effekt außerhalb der Kontrolle der Lernenden liege. „Unsere Ergebnisse haben Auswirkungen darauf, wie Erwachsenen Fremdsprachen gelehrt werden sollte. Ein Sprachunterricht, in dem die Muttersprache der Lernenden berücksichtigt wird, ist möglicherweise effektiver als Lehrmethoden, die diesen Aspekt ungeach-tet lassen.“
Weitere Informationen
Studie
Schepens, J., van Hout, R., & Jaeger, T.F. Big data suggest strong constraints of linguistic similarity on adult language learning. In: Cognition. https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S001002771930229X?via%3Dihub
Kontakt
Dr. Job Schepens, Arbeitsbereich Biologische Psychologie und Kognitive Neurowissenschaft, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Freie Universität Berlin, E-Mail: job.schepens@fu-berlin.de