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Pflanzenextrakte für ein gutes Gedächtnis?

Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler entdecken in der Wurzel einer sibirischen Heilpflanze Hinweise auf gedächtnisverbessernde Substanz / Neurobiologinnen und –biologen der Freien Universität beteiligt

Nr. 286/2018 vom 25.10.2018

In einem multidisziplinären Ansatz haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Berlin, Magdeburg, Halle/Saale, Würzburg sowie Invano-Frankivsk (Ukraine) kognitive Effekte der Rosawurz-Pflanze untersucht. Dabei stießen sie in der Pflanze Rhodiola rosea auf eine Substanz mit dem Namen FAE-20, die nach eigenen Angaben zu einer verbesserten Gedächtnis- und Konzentrationsleistung führen kann. Durchgeführt wurden die Untersuchungen an Honigbienen, Fliegen, Larven und Mäusen. Die Studie entstand in Zusammenarbeit einer Arbeitsgruppe der Freien Universität Berlin, die vom emeritierten Neurobiologie-Professor Randolf Menzel geleitet wird und einer Arbeitsgruppe um Professor Bertram Gerber von der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg. Erschienen sind die Ergebnisse im Fachmagazin Science Advances (DOI: 10.1126/sciadv.aat6994). 

Das Forscherteam untersuchte die Wirkung der Rhodiola rosea an verschiedenen Modellorganismen: Bei erwachsenen Fliegen, Honigbienen und Drosophila-Larven konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einen Einfluss der Pflanze auf die Gedächtnisleistung beobachten. „Mithilfe der Bienen fanden wir heraus, dass Rhodiola nicht nur die Bedingungen für das Erinnerungsvermögen verbessert, sondern sich auch auf die Entwicklung von neuem Gedächtnis auswirkt“, erläutert Dr. Ruth Bartels von der Freien Universität Berlin.

Mit der Unterstützung von Bioinformatikern identifizierten die Neurobiologen den Ester FAE-20 und stellten diesen anschließend synthetisch her. Die Forscher vermuten, dass die kognitiven Effekte der Rhodiola rosea durch den Ester verursacht werden. „In weiteren Experimenten zeigte sich auch eine gedächtnissteigernde Wirkung“, erklärt Dr. Hanna Zwaka, die als Wissenschaftlerin der Arbeitsgruppe von Professor Randolf Menzel an den Untersuchungen beteiligt war und inzwischen am Department of Molecular and Cellular Biology der Harvard University tätig ist. Neben der Verbesserung des Gedächtnisses bei Drosophila-Larven hätten auch Mäuse, die mit FAE-20 behandelt wurden, ein besseres Gedächtnis gezeigt. Bei Fliegen hätte der Ester sowohl genetisch als auch altersbedingtem Gedächtnisverlust entgegengewirkt. „Es ist sehr spannend, dass FAE-20 auf das Gedächtnis der verschiedenen getesteten Modellorganismen wirkte. Wir könnten eine Substanz entdeckt haben, die für die gedächtnis- und konzentrationsfördernde Wirkung von Rhodiola rosea beim Menschen verantwortlich ist", konstatiert Dr. Ruth Bartels.

Rhodiola rosea ist seit dem 1. Jahrhundert bekannt und wird in alten medizinischen Büchern als Behandlung für verschiedenste Erkrankungen des Nervensystems empfohlen. Inzwischen deuten wissenschaftliche Studien darauf hin, dass die Wurzel der Pflanze gegen Depressionen und Müdigkeit helfen und das Arbeitsgedächtnis beim Menschen verbessern kann. Auf welche Gedächtnisprozesse die Pflanze genau wirkt, ist bislang nicht bekannt.

„Es ist nicht ungewöhnlich, Pflanzen auf medizinisch wirksame Stoffe zu untersuchen”, erklärt Dr. Hanna Zwaka. „Pflanzenextrakte werden schon seit Langem in der Medizin eingesetzt. Zu den bekanntesten zählen Morphin aus Mohn, Ephedrin aus der chinesischen Meerträubel und nicht zu vergessen Koffein.”

Weitere Informationen

Artikel im Internet

DOI: 10.1126/sciadv.aat6994 

Kontakt

Dr. Hanna Zwaka, Department of Molecular and Cellular Biology, Harvard University, E-Mail: zwaka@fas.harvard.edu