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„Das Haus schreiben.“ – Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (1300‐1700)

Öffentliche Tagung des Sonderforschungsbereichs 980 „Episteme in Bewegung“ am 1. und 2. Dezember 2016 an der Freien Universität Berlin

Nr. 411/2016 vom 24.11.2016

Wissensbewegungen in der ökonomischen Literatur der Frühen Neuzeit (1300 – 1700) sind Thema einer Tagung am 1. und 2. Dezember 2016 an der Freien Universität. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden literatur‐ und wissensgeschichtliche Perspektiven zusammenzuführen, um den diskursiven, medialen und materiellen sowie sozialen, politischen, religiösen, regionalen und genderspezifischen Bedingtheiten der Transfers Rechnung zu tragen. Anhand exemplarischer Texte aus den Ländern des romanischen Sprachraums, aus England und aus dem deutschsprachigen Raum arbeiten die teilnehmenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die verschiedenen Arten von Wissen heraus sowie die unterschiedlichen Formen von Wissenstransfer, die sich in den Texten ausmachen lassen. Die Tagung ist öffentlich, der Eintritt ist frei.

„Schriften zur Ökonomik sind ein weitverbreitetes Genre frühneuzeitlicher Unterweisungsliteratur“, erklärt Simon Zeisberg, Mitarbeiter des Teilprojektes „Alchemia poetica. Chemisches Wissen und Dichtung um 1600“ des Sonderforschungsbereichs „Episteme in Bewegung“ der Freien Universität Berlin, der die Tagung gemeinsam mit Dr. Christina Schaefer, Mitarbeiterin im Teilprojekt „Theorie und Ästhetik elusiven Wissens in der Frühen Neuzeit“ organisiert hat. Der Erfolg dieser Unterweisungsliteratur basiere auf dem Versprechen, ein Wissen zu vermitteln, das den Lesern die rechte Führung der Hauswirtschaft und der Familie ermöglicht. Bezugspunkt sämtlicher Diskurse sei dabei das Haus, an dessen Status als unverzichtbarem Ordnungsraum des irdischen Lebens die Schriften keinen Zweifel ließen. Das zugehörige ökonomische Wissen beziehe seine – dem Anspruch nach – kontinuierliche Geltung seinerseits aus genau jener Stabilität, die dem Haus als Institution des ordo zugeschrieben wird. Über Generationen hinweg, so wolle es ein in den Texten tradierter Topos, würden die ökonomischen Lehren innerhalb des Hauses, vom Vater an den Sohn, weitergegeben.

„Nicht zuletzt aufgrund dieser selbstgegebenen Stabilitätsanmutung wurde die frühneuzeitliche Ökonomie‐Literatur in der Forschung bisher häufig als etwas rezipiert, das sich von der Antike bis in die Frühe Neuzeit in seinen Grundzügen nur wenig verändert hat“, sagt Dr. Christina Schaefer. Bei stärkerer Beachtung der textuellen Faktur ergebe sich jedoch ein differenzierteres Bild: In den oberflächlich stabil wirkenden ökonomischen Wissensbeständen komme es durchaus zu Veränderungen und Verschiebungen, und zwar auch dann, wenn die Tradition anscheinend nur bestätigend aufgegriffen wird. „Als entsprechend vielschichtig und wandelbar erweist sich vor diesem Hintergrund das Verhältnis der Ökonomie‐Literatur zu verschiedenen Wissenstraditionen“, erklärt Simon Zeisberg. Nicht nur werde das einer christlich‐aristotelischen Oeconomia‐Tradition entstammende Wissen in den Texten iteriert und in der Iteration – qua nicht‐identische Wiederholung, die im und durch den Akt des Wiederholens immer schon, auch unbeabsichtigt, Neues hervorbringt – transformiert. Hinzu komme, dass auch Bestände eines frühneuzeitlichen Erfahrungs‐ und Handlungswissens integriert werden, dessen Status im Spannungsfeld der bereits aristotelischen Opposition von episteme und phronesis Aushandlungsprozessen unterliege, die sich auch in den Texten selbst spiegelten.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Tagung gehen von der Grundannahme aus, dass die Frage nach dem Status und der Funktion ökonomischen Wissens der Frühen Neuzeit von jener nach den Verfahren seiner Diskursivierung nicht zu trennen sei. So bestehe schon zwischen den beiden typischen Präsentationsweisen der oeconomia im theoretischen Diskurs, der Traktat‐ und der Dialogform, signifikante Unterschiede. Auch rückten Aspekte der Diskursivierung dort in den Vordergrund, wo ökonomisches Wissen außerhalb des theoretischen Diskurses verhandelt werde, also etwa in Komödien, Romanen oder satirischen Texten.

„Da das ökonomische Wissen der Frühen Neuzeit sowohl in raum‐zeitlichen Transfers – von der Antike bis zur Frühen Neuzeit sowie zwischen verschiedenen Kulturräumen –, als auch beim Wechsel von Medien und Diskursen in Bewegung kommt, ist die Tagung interdisziplinär angelegt“, erläutert Christina Schaefer.

Weitere Informationen

Zeit, Ort und Programm

Kontakt

  • Dr. Christina Schaefer, Institut für Romanische Philologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-55750, E-Mail: christina.schaefer@fu-berlin.de
  • Simon Zeisberg, Institut für Deutsche und Niederländische Philologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-54890, E-Mail: simon.zeisberg@fu-berlin.de