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Verfolgte China-Wissenschaftler – die fehlende Generation

Ausstellungseröffnung am 29. Oktober um 18.15 Uhr am Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin

Nr. 370/2014 vom 23.10.2014

Die Verfolgung von China-Wissenschaftlern in der Zeit des Nationalsozialismus ist Gegenstand einer Ausstellung, die am Mittwoch, den 29. Oktober 2014 um 18.15 Uhr am Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin eröffnet wird. Konzipiert wurde die Ausstellung von der Sinologin Mechthild Leutner vom Ostasiatischen Seminar der Freien Universität, die zur Eröffnung in das Thema einführt. Roberto Liebenthal, Enkel des international anerkannten Spezialisten für chinesischen Buddhismus Walter Liebenthal (1886–1982), der von 1934 bis 1952 im chinesischen Exil war, spricht über die Auswirkungen von Verfolgung und Exil auf seine Familie. Die Ausstellung ist bis zum 28. Januar 2015 montags bis donnerstags von 14.00 bis 18.00 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei.

Die nationalsozialistische Diktatur von 1933 bis 1945 hatte gravierende Auswirkungen auf das noch junge Fach Sinologie und die wissenschaftliche Beschäftigung mit China insgesamt. Von etwa 50 Personen, die sich – in Universitäten, Museen, Verlagen, Bibliotheken oder anderen Institutionen – mit China wissenschaftlich beschäftigten oder gerade ihr Studium abgeschlossen hatten, waren 36 gezwungen, aus Deutschland oder Österreich zu emigrieren; einige erhielten Berufsverbot, andere kehrten von Aufenthalten in China oder anderen Ländern nicht mehr nach Deutschland zurück. Die Mehrzahl der Verfolgten war jüdischer Herkunft oder ging wegen ihrer jüdischen Partner ins Exil. 17 Personen wurden primär aus politischen Gründen verfolgt. Adolf Reichwein, SPD-Mitglied, und Philip Schaeffer, Mitglied der KPD, wurden aufgrund ihrer Tätigkeit im politischen Widerstand – Kreisauer Kreis und Rote Kapelle – hingerichtet. Der französische Sinologe Henri Maspero starb nach seiner Deportation im Konzentrationslager Buchenwald. Es war vor allem die jüngere Generation, die emigrierte: Allein 25 Personen hatten an der Berliner Universität studiert, unter ihnen fast alle Doktoranden des bekannten Sinologen und Historikers Otto Franke. Wichtigste Emigrationsländer waren zunächst andere europäische Länder und China, später die USA.

Nach 1945 gab es nur wenige Orte in Deutschland, an denen über China geforscht wurde. Die von den emigrierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern repräsentierte breite Ausdifferenzierung des Faches – sie waren Ethnologen, Sozialwissenschaftler, Linguisten, Historiker, Kunsthistoriker, Philosophen und Religionswissenschaftler mit einem Fokus auf China – fehlte nach 1945 beim Wiederaufbau der Disziplin. Die Emigranten waren wesentlich beteiligt an der Entwicklung und am Ausbau der China-Wissenschaften in ihren Exilländern. Sie begründeten dort teilweise neue Schulen und bewirkten zudem über ihre zahlreichen Schüler einen rasanten Auf- und Ausbau der China-Wissenschaften in den USA und weltweit. Auf die Neuformierung des Faches in Deutschland nach 1945 hatten sie jedoch keinen Einfluss. Es dauerte mehr als 30 Jahre, bis sich in beiden Teilen Deutschlands erneut eine jüngere Generation mit einem solch breiten Fachverständnis herausgebildet hatte, wie es vor 1933 etabliert gewesen war. Noch heute zeigt sich in der deutschen Sinologie das Fehlen dieser Generation und der von ihnen geprägten inhaltlich-methodischen Ausrichtung. Mit der Ausstellung soll an die Namen und Schicksale, die Werke und Leistungen der vom NS-Regime verfolgten Sinologen und Chinawissenschaftler erinnert werden.

Zeit und Ort

  • Montags bis donnerstags von 14.00 bis 18.00 Uhr, Eröffnung am Mittwoch den 29. Oktober 2014 um 18.15 Uhr
  • Konfuzius-Institut an der Freien Universität Berlin, Goßlerstraße 2–4, 14195 Berlin

Weitere Informationen

Dagmar Yü-Dembski, E-Mail: info@konfuziusinstitut-berlin.de, www.konfuziusinstitut-berlin.de