Einblick in Entwicklungsgeschichte der menschlichen Sprache durch Fruchtfliegen
Ergebnisse eines multidisziplinären Forschungsprojektes der Freien Universität, der Universität Regensburg des Max-Plank-Instituts für chemische Ökologie in Jena und der Universität Missouri in Fachzeitschrift PloS One publiziert
Nr. 249/2014 vom 02.07.2014
Forscher der Freien Universität Berlin und der Universität Regensburg haben in Fruchtfliegen einen zentralen Baustein für die evolutionäre Entwicklung der Sprache untersucht: die Urform des Gens FOXP2. Mutationen dieses Gens können beim Menschen zu schweren Sprachstörungen führen. Die Befunde zeigen, das FoxP in Fruchtfliegen für das Erlernen bestimmter Bewegungen notwendig ist, ähnlich wie seine Variante im Menschen für den Spracherwerb. Aufgrund dieser Entdeckung lassen sich die Wurzeln der Sprache mehr als 500 Jahrmillionen zurückverfolgen. Die Forschungsergebnisse der Untersuchung sind in der öffentlich zugänglichen Online-Fachzeitschrift PLoS One erschienen
Die Arbeitsgruppen der Verhaltensbiologin Prof. Dr. Constance Scharff von der Freien Universität Berlin und des Neurobiologen Prof. Dr. Björn Brembs vom Institut für Zoologie an der Universität Regensburg arbeiteten mit Kollegen vom Max-Plank-Institut für chemische Ökologie in Jena und der Universität Missouri in Columbia (USA) zusammen. Die Wissenschaftler untersuchten Fruchtfliegen im Rahmen eines Lernexperiments, das sich an Prozessen des Spracherwerbs bei Wirbeltieren orientierte: Ähnlich wie das FoxP2 Gen dafür notwendig ist, dass Babies und junge Singvögel Laute durch Ausprobieren erlernen, sei das FoxP Gen bei Fruchtfliegen daran beteiligt zu lernen, welche von unterschiedlichen Flugbewegungen die richtigen sind, lautete die Hypothese.
In ihrem Versuch trainierten die Wissenschaftler die Fliegen mit einem Wärmestrahl darauf, die Bewegung in eine bestimmte Richtung zu vermeiden und andere Lenkmanöver durchzuführen. Fruchtfliegen, deren FoxP-Gen die Forscher manipuliert hatten, versagten bei diesem Experiment. Insekten mit einem „gesunden“ FoxP-Gen konnten der Wärme hingegen problemlos ausweichen. „Ähnlich wie das Fliegen erfordert Sprechen die perfekt Koordination von Muskeln“, erklärt Dr. Ezequiel Mendoza, der Erstautor der Studie. Ist das zuständige Gen defekt oder mutiert, treten Flug- bzw. Sprachstörungen auf.
Überrascht waren die Forscher von der Beobachtung, dass die mutierten Fliegen keine Probleme damit hatten, eine bestimmte Flugrichtung zu vermeiden, sofern diese von den Wissenschaftlern an die Darstellung einer bestimmten Farbe gekoppelt wurde. „Auch verändert sich die Struktur von Regionen des Gehirns im Falle einer FoxP-Mutationen – bei Fruchtfliege, ebenso wie bei Menschen und Vögeln“, erläutert Dr. Jürgen Ryback vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie in Jena. Er nahm die morphologischen Untersuchungen der Fliegen-Gehirne vor. Dies deute darauf hin, dass FoxP auch andere Gene im Rahmen der Gehirnentwicklung reguliere. „Unsere Ergebnisse könnten dabei helfen, die genetischen Grundlagen bestimmter Erkrankungen beim Menschen, wie etwa Schizophrenie, zu klären“, sagt Prof. Dr. Troy Zars von der Universität Missouri in Columbia, der das FoxP-Gen im Genom von Fliegen 2007 erstmals entdeckte.
Die Ergebnisse des Forscherteams legen die Vermutung nahe, dass die Prozesse des motorischen Lernens und die Formen des Spracherwerbs gemeinsame Wurzeln haben. Möglicherweise liegt der Ursprung bei einem Vorfahren, der noch vor der Trennung in Wirbeltiere und wirbellose Tiere vor über 500 Jahrmillionen existierte und damals die Fähigkeit zum Lernen über Versuch und Irrtum entwickelte. Außerdem sind die Ergebnisse für die Forscher ein erster Schritt hin zu einem tieferen Verständnis der Gene, die beim Lernen durch Versuch und Irrtum sowie bei der artenspezifischen Kommunikation eine Rolle spielen.
Publikation
Ezequiel Mendoza, Julien Colomb, Jürgen Rybak, Hans-Joachim Pflüger, Troy Zars, Constance
Scharff, Bkörn Brembs. 2014. “Drosophila FoxP mutants are deficient in operant self-learning“, in: PLoS One: DOI 10.1371/journal.pone.0100648. www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0100648
Weitere Informationen
Prof. Dr. Constance Scharff, Institut für Biologie der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-53841, E-Mail: scharff@fu-berlin.de