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Studie: Flächendeckender gesetzlicher Mindestlohn von 8,50 Euro wäre wirkungslos

Wissenschaftler der Freien Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung halten erwartete positive Einkommenseffekte für überschätzt

Nr. 336/2013 vom 04.11.2013

Die derzeit in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD beratene Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro hätte nach einer Studie von Wissenschaftlern der Freien Universität Berlin und des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) nicht die von Befürwortern erwarteten positiven Effekte auf die Haushaltseinkommen von Geringverdienern. Zwar würden die Stundenlöhne von knapp 13 Prozent aller derzeit Beschäftigten im Durchschnitt um etwas mehr als 40 Prozent angehoben werden, errechneten die Autoren der Studie, Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin und Kai-Uwe Müller vom DIW Berlin. Dies würde aber auch bei Vernachlässigung zu erwartenden Anpassungen bei der Beschäftigung und den Güterpreisen, die durch den Mindestlohn steigen würden, die Nettohaushaltseinkommen im Durchschnitt über alle Haushalte nur um etwa 900 Euro pro Jahr erhöhen. Werden negative Beschäftigungseffekte, die von den Wissenschaftlern auf knapp 500.000 Personen geschätzt werden, und die zu erwartenden Preissteigerungen berücksichtigt, sinken die Durchschnittseinkommen sogar leicht. Die Studie zeigt auch, dass ein Mindestlohn kein geeignetes Instrument der Verteilungspolitik ist. Weder wäre ein Mindestlohn von 8,50 Euro mit einer Verbesserung im untersten Bereich der Einkommensverteilung verbunden, noch würde sich die Ungleichheit der Haushaltseinkommen insgesamt reduzieren, analysieren die Wissenschaftler.

Ein Grund für die geringen Steigerungen der Nettohaushaltseinkommen von Geringverdienern ist nach Einschätzung der Wissenschaftler, dass diese häufig in Haushalten mit durchschnittlichem oder mittlerem Haushaltseinkommen lebten, in denen der Mindestlohn nur zu einem geringen Teil zum gesamten Haushaltseinkommen beitrage. Eine weitere Ursache sei, dass bei sogenannten „Aufstockern“ – also Erwerbstätigen, die mit ihrer Beschäftigung ein so geringes Einkommen erzielen, dass sie ergänzend finanzielle Leistungen vom Jobcenter erhalten – die durch den Mindestlohn von 8,50 Euro erreichte Lohnsteigerung zu Kürzungen bei der Arbeitslosenunterstützung und anderen einkommensabhängigen Transferleistungen im gleichen Ausmaß führe. Der verbleibende Einkommenseffekt reduziert sich der Studie zufolge auf knapp 400 Euro pro Jahr, wenn die negativen Beschäftigungseffekte des Mindestlohnes berücksichtigt werden. Negative Beschäftigungseffekte sind den Wissenschaftlern zufolge zu erwarten, weil aufgrund der gestiegenen Lohnkosten zum einen ein Teil der direkt vom Mindestlohn betroffenen Beschäftigten den Arbeitsplatz verliere. Zum anderen seien die höheren Lohnkosten mit Preissteigerungen und einer geringeren Güternachfrage verbunden. Die Forscher schätzen den negativen Beschäftigungseffekt auf knapp 500.000 Personen. Knapp die Hälfte des geschätzten Beschäftigungsrückgangs entfiele dabei aufgrund des wesentlich stärkeren relativen Lohnanstiegs auf Ostdeutschland, wovon auch qualifizierte Arbeitnehmer relativ stark betroffen wären. In Westdeutschland würden sich die Beschäftigungsverluste stark auf Frauen in geringfügiger Beschäftigung konzentrieren. Würden auch noch die Auswirkungen des Mindestlohnes auf die Güterpreise berücksichtigt, so sei die Einführung des Mindestlohns sogar mit einem Rückgang der realen Haushaltseinkommen von durchschnittlich knapp einem Prozent verbunden.

Die Studie im Internet

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