Daniel Barenboim mit Freiheitspreis der Freien Universität geehrt
Hochschule würdigte Engagement des Musikers für Dialog im Nahen Osten
Nr. 321/2013 vom 23.10.2013
Der renommierte Pianist und Dirigent Daniel Barenboim ist am Mittwoch mit dem Freiheitspreis der Freien Universität Berlin ausgezeichnet worden. Mit der Ehrung würdigte die Hochschule das Engagement des Musikers für einen Dialog im Nahen Osten. Barenboim habe „in der Überzeugung, dass Kunst Barrieren zu überwinden vermag“, gemeinsam mit Edward Said das „West-Eastern Divan Orchestra“ gegründet. Das 1999 ins Leben gerufene Orchester vereint junge Musiker aus Israel, den palästinensischen Gebieten und den arabischen Ländern. Es soll den Dialog und das gegenseitige Zuhören durch das gemeinsame Musizieren fördern.
Die Laudatio hielt der renommierte Soziologe, Schriftsteller und emeritierte Professor der Freien Universität sowie Rektor des Wissenschaftskollegs zu Berlin a. D., Prof. Dr. Dr. h. c. Wolf Lepenies, der 2006 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geehrt wurde. Lepenies nannte Barenboim einen "mutigen Staats- und Weltbürger". Wie kein anderer Musiker der Gegenwart verleihe dieser der Kunstausübung einen "höheren Rang": Das Musizieren selbst sei für Barenboim politisch. Wolf Lepenies erinnerte an die erste Begegnung zwischen Edward Said und Daniel Bareinboim 1993 in London und an die Umstände der Gründung des West-Eastern Divan Orchestra sechs Jahre später. Barenboim sei dabei seiner eigenen Maxime gefolgt, derzufolge sich Unmögliches leichter erreichen lasse als das Schwierige. Seit der Gründung des Orchesters sei jedes Konzert ein "politisches und künstlerisches Wunder", eine "verwirklichte Utopie" und zugleich eine "Lektion in Realpolitik". Das künstlerische Zusammenwirken der Musiker komme einem kraftvollen Eintreten dafür gleich, sich mit den Zuständen im Nahen Osten nicht abzufinden. Barenboims Wirken sei ein Appell dafür, dass der Nahe Osten ein Ort sei, in dem man miteinander auskommen könne. Das Orchester und Barenboims Arbeit seien eine stete Herausforderung für die "im Starrsinn vereinten" Politiker Israels und der Palästinenser. Lepenies appellierte an den Berliner Senat, die angekündigte Kürzung der Mittel für das Forschungsprogramm "Europa im Nahen Osten - Naher Osten in Europa" zu überdenken. Dieses Projekt fördere den jüdisch-christlich-muslimischen Dialog in Berlin ähnlich wie das Zusammenspiel der Musiker, sagte Lepenies. Zudem sei nicht nur eine Kooperation mit der kürzlich gegründeten Akademie des Jüdischen Museums Berlin möglich, sondern auch eine mit der künftigen Barenboim-Said-Akademie für junge Musiker.
In seiner Dankesrede zeigte sich Barenboim stolz und glücklich über den Preis und die damit verbundene Anerkennung seiner Arbeit. Er betonte, Musiker könnten "keine Grenzen sprengen". Doch die gemeinsame Arbeit zwischen den Musikern könne zu "Verständnis und Akzeptanz" des jeweils anderen führen - und nicht nur zu rein duldender Toleranz. Barenboim betonte, für den Nahost-Friedensprozess gebe es keine militärische und keine politische Lösung - nötig sei eine menschliche Lösung, die über das wechselseitige Verständnis füreinander und die Neugier aufeinander führe. "Rücken an Rücken" könne man nicht miteinander leben. Zuvor hatte auch Universitätspräsident Prof. Dr. Peter-André Alt betont, dass Freiheit nicht ohne wechselseitiges Einverständnis möglich sei.
Musikalisch umrahmt wurde die Veranstaltung durch den Violinisten Guy Braunstein und den Pianisten Saleem Abboud Ashkar, die jeweils den ersten Satz aus der Frühlingssonate von Ludwig van Beethoven und aus der Violinsonate Es-Dur von Richard Strauss spielten. Beide gehörten dem West-Eastern Divan Orchestra an.
Daniel Barenboim, geboren 1942 als Sohn russisch-jüdischer Eltern in Buenos Aires, ist einer der renommiertesten Musiker unserer Zeit. Der Pianist und Dirigent ist bereits seit seinem zehnten Lebensjahr auf den großen Bühnen der Welt zu Hause: London, Paris, Chicago, Bayreuth und Mailand sind nur einige Stationen seines Erfolgs. Seit 1992 ist der Kosmopolit Generalmusikdirektor der Staatsoper in seiner Wahlheimat Berlin. Viele seiner musikalischen Aufnahmen sind preisgekrönt. Er ist darüber hinaus Träger zahlreicher hoher Auszeichnungen, darunter das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband der Bundesrepublik Deutschland.
Daniel Barenboim ist Verfasser mehrerer Bücher und hielt eine Reihe von Vorträgen und Vorlesungen, unter anderem an der Columbia University in New York und als Charles Eliot Norton Professor an der Harvard University. Die Universität Oxford verlieh ihm die Ehrendoktorwürde. Neben seiner künstlerischen Arbeit engagiert sich Daniel Barenboim auf vielfältige Weise für die Nachwuchsförderung. Die Gründung eines Musikkindergartens im Jahr 2005 in Berlin geht auf seine Initiative zurück. Der UN-Friedensbotschafter Barenboim setzt sich auch für die Musikerziehung in den palästinensischen Gebieten ein und initiierte unter anderem den Aufbau von Musikkonservatorien. Sein jüngstes Projekt ist die Gründung der Barenboim-Said-Akademie, die ab dem Jahr 2015 in Berlin ihren Betrieb aufnehmen und junge Stipendiaten aus Israel und den arabischen Gesellschaften musikalisch ausbilden soll.
Mit dem Freiheitspreis ehrt die Freie Universität Persönlichkeiten, die sich um politische, gesellschaftliche oder wissenschaftliche Freiheit verdient gemacht haben. In ihm fließen zwei Traditionen zusammen: das Leitbild der Freiheit, das auf ihre Gründungsgeschichte zurückgeht, sowie die internationale Ausrichtung der Freien Universität. Als bisherige Preisträger wurden die ehemalige UN-Hochkommissarin und frühere irische Staatspräsidentin Mary Robinson, der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu sowie der frühere polnische Außenminister Wladyslaw Bartoszewski und der ehemalige Staatspräsidenten der Republik Korea und Friedensnobelpreisträger Kim Dae-jung geehrt.
Im Internet: www.fu-berlin.de/freiheitspreis