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Gut vernetzt – wichtig für Gehirnleistung

Berliner Forscher entdecken Schaltersystem, das Nervenzellen verbindet

Nr. 205/2012 vom 01.08.2012

Sprache und Sinneswahrnehmung, Gedankenbildung, Entscheidungsprozesse und Bewegung sind komplexe Aufgaben, die das Gehirn nur bewältigt, wenn die einzelnen Nervenzellen, die  Neuronen, gut vernetzt sind. Berliner Neurowissenschaftler haben jetzt ein molekulares Schaltersystem entdeckt, das diese Vernetzung der Nervenzellen reguliert. Die Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Exzellenzclusters NeuroCure und des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) wurde nun im Fachjournal „Genes and Development“ veröffentlicht.

Bei diesen Gehirnleistungen spielt eine hoch verzweigte Struktur der Neuronen, der dendritische Baum, eine wichtige Rolle. Wie Antennen empfangen die Ausläufer der Zelle, die Dendriten, die Signale anderer Nervenzellen und leiten sie zum Nervenzellkern weiter.  Angeborene neurologische Krankheiten im Menschen, wie geistige Behinderungen, werden oft mit Fehlern bei der Entwicklung des dendritischen Baums assoziiert.

Das Forscherteam um Marta Rosário in Zusammenarbeit mit Victor Tarabykin von der Charité und Walter Birchmeier vom MDC, hat nun entdeckt, wie dieser Verzweigungsprozess während der Entwicklung kontrolliert wird. In lebenden Mäusen konnte es dabei zeigen, dass das Protein NOMA-GAP als Schalter für diesen Prozess dient. Das Schalterprotein wird von reifenden Neuronen produziert und startet dabei eine Kette von Signalen in der Zelle, die zur dendritischen Verzweigung führt. Zentrales Element der Signalkette ist ein Protein, kurz Cdc42 genannt. Es spielt eine wichtige Rolle bei den ersten Entwicklungsstadien von Neuronen, hemmt aber die Verzweigung des dendritischen Baums in späteren Entwicklungsstadien.  Wird NOMA-GAP aktiv, schaltet es Cdc42 aus und die reifenden Neuronen können komplex verästelte dendritische Bäume ausbilden. Der richtige Einsatz des Schalterproteins und die Steuerung der Cdc42-regulierten Signalkette sind daher unerlässlich für eine korrekte Verzweigung der Neuronen und somit für die Entwicklung des Neocortex, der Großhirnrinde, die unter anderem Sinneswahrnehmung, Gedächtnis, Sprache und Bewegung steuert.

„Fehler in dieser Signalkette führen zu einem unvollständig entwickelten dendritischen Baum. Dann besteht die Gefahr von geistigen Einschränkungen, da Signale im Gehirn nicht mehr ausreichend verarbeitet werden können“, erklärt Marta Rosário. „Die Studie bildet für uns eine wichtige Grundlage zur Erforschung verschiedener Krankheiten, wie geistiger Behinderung, Schizophrenie oder Depression, die hoffentlich neue Therapiewege aufzeigen wird.“

NeuroCure ist ein im Rahmen der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder gefördertes Exzellenzcluster an der Charité   Universitätsmedizin Berlin. Im Fokus des interdisziplinären Forschungsverbundes steht die Übertragung (Translation) neurowissenschaftlicher Erkenntnisse der Grundlagenforschung in die klinische Anwendung. Ein besseres Verständnis von Krankheitsmechanismen trägt dazu bei, wirksame Therapien für neurologische Erkrankungen wie Schlaganfall, Multiple Sklerose oder Epilepsie, aber auch für psychiatrische Erkrankungen wie Alzheimer und Autimus zu entwickeln. Neben der Charité sind die Humboldt-Universität zu Berlin, die Freie Universität Berlin, das Max-Delbrück-Zentrum für Molekulare Medizin (MDC), das Leibniz-Institut für Molekulare Pharmakologie (FMP) und das Deutsches Rheumaforschungszentrum (DRFZ) Partner von NeuroCure.

Quelle

Neocortical dendritic complexity is controlled during development by NOMA-GAP-dependent inhibition of Cdc42 and activation of cofilin

Marta Rosário,1,2,5 Steffen Schuster,1 René Jüttner,3 Srinivas Parthasarathy,1 Victor Tarabykin,1,4 and Walter Birchmeier2,4

1Neurocure Excellence Cluster, Institute of Cell and Neurobiology, Charite´ Universitätsmedizin Berlin, 10115 Berlin, Germany; 2Department of Signal Transduction, Invasion, and Metastasis of Epithelial Cells, 3Department of Developmental Neurobiology, Max Delbrück Center for Molecular Medicine, 13092 Berlin, Germany

4These authors contributed equally to this work

5Corresponding author

Weitere Informationen

Dr. Marta Rosario, Institut für Zell- und Neurobiologie, Charité - Universitätsmedizin Berlin, Philippstr 12, 10115 Berlin, Tel: 030 / 450-528333

E-mail: marta.rosario@charite.de

Im Internet

www.neurocure.de