Die Lernmotivation von Schülern verstehen
Studie SELF der Freien Universität Berlin untersucht Lerntypen bei Schülerinnen und Schülern
Nr. 78/2012 vom 12.04.2012
Der Einfluss sozialer Beziehungen auf die Lernmotivation variiert einer Studie von Erziehungswissenschaftlern und Psychologen der Freien Universität Berlin zufolge von Schüler zu Schüler. Dies belegen erste Ergebnisse der von der VolkswagenStiftung geförderten Studie über die Bedeutung sozio-emotionaler Lernfaktoren (SELF) im schulischen Lernprozess. Den Wissenschaftlern des SELF-Projekts um Dr. Diana Raufelder zufolge gibt es bei Schülerinnen und Schülern vier verschiedene Lern- und Motivationstypen: vom Klassenumfeld abhängige Lerner, Lehrer-abhängige Lerner, Mitschüler- und Lehrer-abhängige Lerner sowie unabhängige Lerner. Zu letzterer Gruppe zählen in der aktuellen Studie nahezu ein Drittel der Schüler: Sie passen am wenigsten in das traditionelle Schulsystem und würden von einer autonomeren Lernumgebung profitieren. Die Typologie der Wissenschaftler soll dabei helfen, das individuelle Potenzial einzelner Schüler zu erkennen und ihnen entsprechende Förderung zu ermöglichen.
An der Fragebogenerhebung der Wissenschaftler hatten mehr als 1000 Schülerinnen und Schüler der 8. Klasse an Gemeinschaftsschulen und Gymnasien in Brandenburg teilgenommen. Sie gaben Auskunft zu ihren sozialen Beziehungen in der Schule, ihrer Motivation und Einstellungen zur Schule, ihrer Persönlichkeit und ihrem emotionalen Befinden.
Bei mehr als einem Drittel der befragten Jugendlichen wird die schulische Motivation sehr stark von Gleichaltrigen im sozialen Umfeld beeinflusst. Die rein lehrer-abhängigen Lerner stellen mit rund zehn Prozent die kleinste Gruppe. Wie andere Studien gezeigt haben, kann dies auch durch die zunehmend unpersönliche Art des Lehrer-Schüler-Verhältnisses in weiterführenden Schulen erklärt werden.
Rund 28 Prozent der befragten Schüler halten sowohl Lehrer als auch die Mitschüler entscheidend für ihre schulische Motivation. Für diesen Lerntypus ist die Qualität der schulischen Beziehungen, das Klassen- und Schulklima, zentral für die Lernmotivation. Sie profitieren von stabilen positiven Beziehungen zur ihren Mitschülern und Lehrern.
Im Gegensatz dazu stehen rund 26 Prozent der befragten Schüler, für die weder die Gleichaltrigen noch die Lehrer eine Rolle für ihre Motivation zu spielen scheinen. Unabhängige Lerner passen der Studie zufolge am wenigsten in das traditionelle Schulsystem, das auf Lernen im Klassenverband und starkem Einbezug des Lehrpersonals basiert. Diese Schüler würden von einer autonomeren Lernumgebung profitieren: von weniger Vorgaben, weniger Kontakt zu Mitschülern und mehr kreativem Spielraum. Ob individuelle Faktoren wie Selbstwirksamkeit, Selbstwert und Persönlichkeitsmuster für sie bedeutender in Bezug auf ihre Motivation sind, wird in weiteren Analysen untersucht.
Im Frühjahr 2012 starten in Zusammenarbeit mit der Charité – Universitätsmedizin Berlin, der gemeinsamen Fakultät von Freier Universität und Humboldt-Universität, die neurowissenschaftlichen Untersuchungen der SELF-Studie. Dabei werden jeweils zwanzig Schülerinnen und Schüler eines jeden Lerntyps mittels funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) auf Unterschiede in der Aktvierung von Motivationsarealen im Gehirn untersucht und anschließend in qualitativen Interviews zu ihrem Motivationserleben und ihren Motivationsstrategien befragt. 2013 wiederholen sich die Untersuchungen, um Aussagen über die Stabilität oder Veränderungen bezüglich der Lerntypen treffen zu können
Das Projekt SELF wird seit Oktober 2010 von der VolkswagenStiftung im Rahmen der Schumpeter-Fellowship-Initiative gefördert. Unter Leitung von Dr. Diana Raufelder an der Freie Universität Berlin gehen Erziehungswissenschaftler, Psychologen und Neurowissenschaftler methodenübergreifend und interdisziplinär der Frage nach der Bedeutung sozio-emotionaler Faktoren im schulischen Lernprozess unter Berücksichtigung neurobiologischer Prozesse nach. Das Projekt ist am Arbeitsbereich Methoden und Evaluation angesiedelt und wird mit 510.000 Euro über fünf Jahre finanziert.
Weitere Informationen
Dr. Diana Raufelder, Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie, Telefon: 030 / 838-557 48; E-Mail: diana.raufelder@fu-berlin.de