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Presseeinladung und Stellungnahme zur Mitteilung der EU-Kommission über die Modernisierung von Europas Hochschulen: Gefahren für die Freiheit der Forschung

Freie Universität Berlin organisiert internationale Konferenz zur Forschungsplanung der Zukunft vom 13. bis 15. Oktober 2011

Nr. 306/2011 vom 06.10.2011

Wer bestimmt künftig, was geforscht wird: Die Politik, die Wirtschaft oder die Wissenschaft? Und was bedeutet die jüngste Mitteilung der Europäischen Kommission zur Modernisierung von Europas Hochschulen für die Freiheit der Forschung? In Kooperation mit dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft lädt die Freie Universität vom 13. bis 15. Oktober 2011 zu einer internationalen Konferenz, bei der Möglichkeiten und Grenzen der Forschungsplanung in den Wissenschaften diskutiert werden sollen.

Zeit und Ort

13. bis 15. Oktober 2011, Beginn der Eröffnungsveranstaltung am 13. Oktober ist um 17.00 Uhr, an den anderen Tagen jeweils um 9.00 Uhr; Die Konferenz findet im Conference Center des Seminaris-Campushotels in der Takustraße 39, 14195 Berlin (U-Bhf. Dahlem-Dorf, U3), statt;

Journalisten, die an der Konferenz teilnehmen möchten, werden gebeten, sich bis zum 12. Oktober 2011 anzumelden unter:  presse@fu-berlin.de Für Medienvertreter besteht die Möglichkeit, am Donnerstag, 13. Oktober, von 11 bis 13 Uhr, nach verbindlicher Anmeldung Interviews vor Ort oder per Telefon mit den folgenden Experten zu führen:
  • Prof. Arthur Bienenstock – Als persönlicher Berater von US-Präsident Barack Obama in Wissenschaftsfragen, Professor an der Elite-Universität Standford und ehemaliger Präsident der American Physical Society verfügt Prof. Bienenstock über eine exzellente Übersicht über die US-Amerikanische Forschungspolitik und die Unterschiede zum europäischen und asiatischen System der Wissenschaftsförderung und -planung.
  • Prof. Narayanaswamy Balakrishnan – Prof. Balakrishnan hat als Associate Director des Indian Institute of Science einen ausgezeichneten Überblick über das Wissenschaftssystem des Subkontinents und die Förderziele im Wissenschaftsbereich seines Landes.
  • William Omar Contreras Lopez – Herausragender internationaler Nachwuchswissenschaftler an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg im Fachbereich Medizin und Teilnehmer des diesjährigen Nobelpreisträgertreffens in Lindau. Er vertritt eine kritische Sicht auf Forschungsplanung generell aus Sicht internationaler Nachwuchswissenschaftler.
  • Prof. Euclides de Mesquita Neto – Als Vice-President for Graduate Studies der University of Campinas und Mitglied der Brasilianischen Research Foundation steuert Prof. Mesquita Neto maßgeblich die Wissenschaftsförderung in Brasilien und beeinflusst die Richtlinien der Forschungspolitik.
  • Prof. Seeram Ramakrishna – Prof. Ramakrishna verantwortet die strategische Forschungsplanung der führenden Universität Singapurs und verfügt über einen umfassenden Überblick über globale Trends der universitären Ausbildung und Forschungsplanung. Als best practice-Beispiel für eine sehr effiziente Wissenschaftsförderung kann Singapur beispielgebend auch für Europa sein.
  • Prof. Carsten Dreher, Direktor des Center for Cluster Development (CCD) der Freien Universität Berlin und Professor für Innovationsmanagement am dortigen Fachbereich Wirtschaftswissenschaft. Das CCD unterstützt die Wissenschaftler und die Hochschulleitung bei der strategischen Weiterentwicklung der Universität und der Vernetzung der Forschung. 

Auf der Konferenz „Planning Research for the Future?” diskutieren Experten aus den USA, Indien, China, Singapur und Deutschland darüber, inwieweit Lenkungseffekte auf das internationale und das deutsche Wissenschaftssystem und insbesondere auf die sogenannte themenungebundene Grundlagenforschung an den Universitäten entstehen. Wird der Druck von Politik und Gesellschaft angesichts der wachsenden Bedeutung von Wissenschaft und Forschung zur Bildung gezielter Themenschwerpunkte führen – und damit die Freiheit der Forschung einschränken? Inwieweit verstärkt die internationale Vernetzung der Wissenschaft diesen Prozess? Engt die EU-Kommission mit ihrer Mitteilung zur Modernisierung von Europas Hochschulsystemen und dem darin enthaltenen Fokus auf der Wirtschaft die Freiheit der Forschung zusätzlich ein? Inwieweit können und sollen sich die Wissenschaftler dem entziehen und eigene Akzente setzen?  

Teil der englischsprachigen Konferenz ist eine Diskussion von Universitätsrektoren aus dem In- und Ausland, darunter Befürwortern und Gegnern der Forschungsplanung, die ihre Sichtweisen darlegen werden. Zudem werden renommierte ausländische Wissenschaftler den Konferenzteilnehmern einen Blick auf Aktivitäten zur Forschungsplanung in ihren Heimatländern gewähren, darunter USA, Indien, China und Singapur.

Zu den Referenten gehören neben den oben erwähnten Experten:

  • Dr. Xiaonan Cao von der Weltbank
  • Professor Rongping Mu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften
  • Professor Narayanaswamy Balakrishnan vom Indischen Institut der Wissenschaft
  • Professor Seeram Ramakrishna von der Universität Singapur.

Veranstaltet wird die Konferenz vom Center for Cluster Development (CCD) der Freien Universität Berlin. Als eines von drei strategischen Zentren ist das CCD Bestandteil des Zukunftskonzepts „Internationale Netzwerkuniversität“, mit dem die Freie Universität im Exzellenzwettbewerb des Bundes und der Länder erfolgreich war. Das CCD unterstützt die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität bei der Entwicklung von Forschungsschwerpunkten

Weitere Informationen

Dr. Andreas Gundelwein, Geschäftsführer des Center for Cluster Development der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-73961, E-Mail: andreas.gundelwein@fu-berlin.de

Vollständiges Programm

http://www.fu-berlin.de/future-research2011


Stellungnahme zur aktuellen Mitteilung der EU-Kommission

Neue europäische Rahmenbedingungen gefährden die Freiheit der Forschung

Am 20. September 2011 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Mitteilung „Wachstum und Beschäftigung stützen – eine Agenda für die Modernisierung von Europas Hochschulen“ (KOM(2011)567). In der deutschen Presse wurden bisher nur die darin enthaltenen Planungen für ein europaweites Uni-Ranking rezipiert. Dabei stecken viel mehr und weitreichendere Punkte in dem Papier!

  • Die Universitäten sollen die Zahl der Hochschulabgänger und „die Qualität der Humankapitalentwicklung arbeitsmarktgerecht“ steigern.
  • Das „Wissensdreieck“ zwischen Bildung, Forschung und Wirtschaft in der Region soll gestärkt werden.
  • Die Bildung – insbesondere des Wissenschaftler-Nachwuchses – soll internationalisiert werden.
  • Es sollen entsprechende detaillierte Lenkungs- und Finanzierungsinstrumente eingeführt werden.

Die Kommission weist den Universitäten damit eine klare Rolle als „Zulieferer“ von qualifiziertem Personal für Unternehmen zu, ebenso wie Aufgaben für die regionale Entwicklung der Wirtschaft. Universitäten als eigenständig forschende Einrichtungen kommen in dem Papier so gut wie nicht mehr vor. Über die beschriebenen Rollen hinaus wird von den Hochschulen kein gesellschaftlicher Beitrag erwartet.

Forschungsinhalte werden zunehmend von der Politik mit bestimmt

Auch andere Entwicklungen deuten darauf hin, dass die universitäre Forschungsfreiheit in Europa gefährdet ist. Die Gründung der neuen nationalen Agentur für Forschung (ANR) in Frankreich beispielsweise beinhaltet neben der klassischen themenungebundenen Projektförderung für Forscher aus den Universitäten auch eine Förderung, die an Themenschwerpunkte gebunden ist. Diese werden nicht etwa bottom-up von den beteiligten Wissenschaftlern entwickelt, sondern durch ein kleines Gremium mit Foresight-Hintergrund und enger Anbindung an den Elysee-Palast definiert.

Auch die Abstimmung der nationalen Forschungsfördereinrichtungen und der Forschungsinstitutionen auf europäischer Ebene wird mittels methodisch gestützter Foresight- und Roadmapping-Prozesse vorgenommen. Dies war bisher eine der Aufgaben der European Science Foundation, soll aber dem Vernehmen nach wichtige Aufgabe der diskutierten neuen Dachorganisation der nationalen Wissenschaftsförder- und Forschungseinrichtungen werden. Eigentlich sind diese Aktivitäten dazu gedacht, die Europäische Kommission thematisch bei der Gestaltung der Forschungs- und Technologieförderung zu beeinflussen. Allerdings verpflichtet im Umkehrschluss die EU-Kommission die Mitglieder, entsprechende Initiativen bi- und multilateral koordiniert und grenzüberschreitend zu unterstützen.

Geldknappheit und die weltweite Vernetzung der Wissenschaft schränken die Wahl der Forschungsthemen weiter ein

Die zunehmende internationale Vernetzung mit neuen wissenschaftlichen Partnern aus aller Welt hat eine indirekte Lenkung der Forschungsthemen zur Folge. Länder wie China zum Beispiel entwickeln für ihre Einrichtungen an der Akademie der Wissenschaften Roadmaps bis 2050, in denen die Forschungsinhalte und -richtungen festgelegt sind und gezielt Partner, auch aus dem Ausland, herangezogen und gefördert werden. Auch andere aufstrebende Länder setzen gezielt inhaltliche Foci von Regierungsseite in der wissenschaftlichen Zusammenarbeit.

In Deutschland haben außeruniversitäre Forschungseinrichtungen ihre bisherige thematische Ausrichtung zweckgerichtet an ihren Aufgaben orientiert; sei es die Fraunhofer Gesellschaft zur Förderung der industrienahen Forschung und Entwicklung oder die Missionen, die die Einrichtungen der Helmholtz-Gemeinschaft verfolgen. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung versucht im Rahmen seiner Zukunftsdialoge, gesellschaftliche Akteure zur Definition von Forschungsthemen einzubeziehen. Dies geht auch an den Einrichtungen der Grundlagenforschung, wie den Instituten der Max-Planck-Gesellschaft oder an den Universitäten, nicht vorbei. Denn die Grenze zwischen Grundlagenforschung und anwendungsorientierter Grundlagenforschung verwischt zunehmend. Die Interaktionen zwischen den vorher getrennten Bereichen werden durch neue Formen der Wissensproduktion und schnellere Übergabe der Ergebnisse für die Verwertung durchgeführt.

Viele Fragestellungen werden zudem in einer sehr stark strukturierten, gelegentlich fast industrialisierten Form arbeitsteilig, in Kooperation mit anderen Partnern aus dem Wissenschaftssystem und abhängig von dem Geräteeinsatz, z.B. in den Naturwissenschaften, vorgenommen. Angesichts der Mittelknappheit für Eigenforschung an den Universitäten induziert dies ebenfalls exogen beeinflusste Schwerpunktsetzungen.

Weitere Informationen

Universitäts-Professor Dr. Carsten Dreher, Direktor des Center for Cluster Development der Freien Universität Berlin, Tel: +49-(0)30-838-73960, E-Mail: carsten.dreher@fu-berlin.de