„Reformmodell hat sich hervorragend bewährt“
Freie Universität zieht positive Fünf-Jahres-Bilanz ihres Zentrums für Lehrerbildung / Kritik an mangelhafter Vorbereitung des geplanten Praxissemesters in Berlin
Nr. 296/2011 vom 22.09.2011
Die Freie Universität hat aus Anlass des fünfjährigen Bestehens ihres Zentrums für Lehrerbildung (ZfL) eine positive Bilanz gezogen. Das Zentrum gewährleiste eine fachlich und praktisch hervorragende Qualifizierung der Studierenden auf aktueller wissenschaftlicher Basis, sagte der Präsident der Freien Universität, Prof. Dr. Peter-André Alt, am Donnerstag in Berlin. Vor dem Hintergrund der anstehenden Koalitionsverhandlungen in Berlin forderten die Wissenschaftler des ZfL gleichzeitig die verantwortlichen Politiker auf, die Ausbildung qualifizierter Lehrer als Garanten für guten Unterricht zu unterstützen. Dazu gehöre nicht nur, das ursprünglich zugesagte Kontingent an Lehrerstunden für die Betreuung der Studierenden in dem ab 2013 berlinweit geplanten Praxissemester zur Verfügung zu stellen. Die Schulen brauchten zudem Mittel, um eine kontinuierliche und qualitativ hochwertige Fortbildung ihrer Lehrer sicherzustellen.
Das Zentrum für Lehrerbildung an der Freien Universität Berlin wurde 2006 als eines der ersten seiner Art gegründet. Ziel war, die von der Kultusministerkonferenz angestoßene Reform der Lehrerbildung umzusetzen. Das Zentrum bündelt und koordiniert die Ausbildung über alle lehrerbildenden Fachbereiche hinweg; seine Mitarbeiter unterstützen die Studierenden, beraten sie und helfen bei der reibungslosen Organisation des Studiums. Die Vorteile gegenüber herkömmlichen Ausbildungsstrukturen liegen vor allem in folgenden Bereichen:
- Am ZfL werden die Studierenden in nur einem Prüfungsbüro pro Lehramtsstudiengang betreut. Der zentrale Anlaufpunkt spart lange Wege zu den jeweiligen Prüfungsbüros der einzelnen Fächer und erleichtert die Studienorganisation.
- Ein Stab von ausgebildeten Tutoren berät Studienanfänger bei allen Fragen zu Organisation und Planung des Studiums.
- Eine von allen beteiligten Fachbereichen eingesetzte gemeinsame Kommission entscheidet selbst über Satzungsänderungen – ohne dass der Beschluss den bisher üblichen Gremien-Marathon durchlaufen muss. Entscheidungen können so schneller und unbürokratischer getroffen werden.
- Durch die Ansiedlung der Fachdidaktiken in den Fächern ist eine fachliche Ausbildung auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleistet. Die Studierenden lernen sozusagen „am Nabel der Forschung“. Gleichzeitig ist das Zentrum auch Impulsgeber für Forschungsaktivitäten.
Anstelle von Eignungstests für die Auswahl von Lehramtsstudierenden setzt die Freie Universität auf Begleitprogramme, mit denen geeignete Studierende gewonnen und Studienanfänger unterstützt werden sollen. Neu eingerichtet wurde in diesem Zusammenhang die Initiative „Einen Tag auf Lehramt studieren“, bei der junge Menschen die Universität bereits als Schülerinnen und Schüler kennenlernen können. Auch das viertägige Intensivprogramm „Schülercampus“, das sich an Kinder aus Zuwandererfamilien wendet und im Juni zum ersten Mal an der Freien Universität stattfand, sei sehr erfolgreich, betonte Dr. Diemut Ophardt, Geschäftsführerin des Zentrums für Lehrerbildung. Im Oktober startet ein neu entwickeltes Mentoringprogramm, bei dem das ZfL Studienanfängern eine gezielte zweisemestrige Begleitung anbietet, in der die angehenden Lehrer eine regelmäßige Beratung für ein erfolgreiches Studium erhalten und sich auch untereinander vernetzen können. Ein zusätzliches Rahmenprogramm soll den Studierenden zudem frühzeitig die Möglichkeit zu einer professionellen Selbstreflektion geben, beispielsweise bei der Frage, ob der Lehrerberuf tatsächlich die richtige Wahl ist.
„Ich finde die Begleitprogramme sehr sinnvoll“, sagte Gunnar Beyer, Lehramtsstudent an der Freien Universität Berlin, „denn die Fixierung auf geeignete Lehrerpersönlichkeiten nur mithilfe von Eignungstests ist eher kontraproduktiv. Außerdem bekommt man durch Aussortieren allein nicht automatisch bessere Bewerber.“
Im Zusammenhang mit dem vorgesehenen Praxissemester wird das ZfL auch seine langjährigen Kooperationsprojekte mit Schulen ausweiten und den Forschungsschwerpunkt des Klassenmanagements intensivieren. Ziel sei es hier vor allem, angehenden Lehrern Wege aufzuzeigen, wie sie mit Schülern umgehen können, die den Unterricht stören, erläuterte Diemut Ophardt. Dabei würden Lehramtsstudenten etwa anhand praxisnaher Videos mit Konfliktsituationen konfrontiert und durch Rollenspiele in ihrer Handlungskompetenz geschult. Eine wichtige Rolle für die Vorbereitung auf den Unterricht spielten in dem geplanten Praxissemester Mentoren, die die Studierenden an den Schulen beratend begleiten. Diese Mentoren sind Lehrer, die durch das ZfL auf diese Tätigkeit mit einer hochwertigen Qualifizierung vorbereitet werden.
„Das Markenzeichen unseres Zentrums ist, dass wir uns von Anfang an an den aktuellen Herausforderungen des Schulalltags orientiert haben“, betonte Ophardt. „Unser Ziel ist es, Studierende fachlich und pädagogisch gut auszubilden und zugleich zu einem professionellen Selbstverständnis beizutragen.“ Dies könne auch vor einem späteren Ausgebranntsein – dem Burnout – schützen, sagte die Wissenschaftlerin.
Wichtig für die Studierenden sei die Unterstützung bei der Organisation des Studiums und den vielen studienbegleitenden Prüfungen, so Diemut Ophardt. Das ZfL sorge für ein überschneidungsfreies Lehrangebot und erleichtere durch eine zentrale Administration und ein ausgebildetes Tutoren-Team die Studien- und Prüfungsorganisation: „Wir tun alles, damit unsere Studierenden zielgerichtet und erfolgreich durch das Studium kommen!“
Eine Ausbildung könne allerdings nur dann erfolgreich sein, wenn der Beruf des Lehrers im Ansehen der Gesellschaft aufgewertet werde. Hierbei sei vor allem öffentliches Engagement von Politikern gefragt, das über Sonntagsreden hinausreiche. Ophardt nannte in diesem Zusammenhang das Beispiel der erforderlichen Unterstützung des Praxissemesters durch Mentoren: „Es kann nicht sein, dass die Senatsverwaltung dafür zunächst Lehrerstellen verspricht und sie dann wieder streicht.“
Notwendig sei es zudem, Lehrkräfte durch qualitativ hochwertige Fortbildungsangebote zu fördern und zu motivieren. Für solche Angebote müssten Schulen Mittel zur Verfügung gestellt werden, denn das derzeitige Fortbildungssystem reiche bei Weitem nicht aus, unterstrich Ophardt.
„Die Situation in Berlin ist eher desolat“, bestätigte Miriam Pech, Schulleiterin der Heinz-Brandt-Schule in Pankow/Weißensee. „Die Qualität der Angebote stimmt oft nicht. Ich habe bei dem weiterbildenen Masterstudiengang ‚Schulentwicklung und Qualitätssicherung‘ an der Freien Universität die Erfahrung gemacht, dass Fortbildung anwendungs- und forschungsorientiert sein kann – das wünsche ich mir auch für meine Lehrerinnen und Lehrer.“
Im Internet
Weitere Informationen
Dr. Diemut Ophardt, Zentrum für Lehrerbildung der Freien Universität Berlin,
Telefon: 030 / 838-55869, E-Mail: diemut.ophardt@fu-berlin.de
Das ZfLGegründet wurde das ZfL 2006 an der Freien Universität Berlin, um die durch die Kultusministerkonferenz angestoßene Reform der Lehrerbildung umzusetzen. Es bündelt die Organisation der Lehrerausbildung an der Freien Universität und gehört zu den ersten seiner Art. Neun Mitarbeiter, sechs studentische Hilfskräfte und zwanzig studentische Tutoren arbeiten daran, durch Koordination, Information und Administration sowie durch die Konzeption und Durchführung eigener Projekte die Lehrerbildung an der Freien Universität weiterzuentwickeln und die Studierenden zu unterstützen. Sie helfen ihnen bei der Zusammenstellung eines überschneidungsfreien Stundenplans und bieten individuelle Beratung für eine reibungslose Studienorganisation an. Das Zentrum veranstaltet Vortragsreihen wie die „Lauben-Lectures“ und renommierte Tagungen wie die des Bundesarbeitskreises der Seminarleiter. Das am Zentrum angesiedelte Projekt „MigraMentor“ zielt darauf ab, studieninteressierte Schülerinnen und Schüler, Studierende und Lehrkräfte mit Migrationshintergrund zu fördern. |