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„Mehr als die Ergänzung eines Namens“

Freie Universität benennt Otto-Hahn-Bau in Hahn-Meitner-Bau um

Nr. 326/2010 vom 28.10.2010

Beinahe enthüllt: Hahn-Meitner-Bau, ein neuer Name für ein ehrwürdiges Haus.

Beinahe enthüllt: Hahn-Meitner-Bau, ein neuer Name für ein ehrwürdiges Haus.
Bildquelle: Bernd Wannenmacher

Mit einem Festakt zu Ehren der Physikerin Lise Meitner ist am Mittwoch, 27. Oktober, der Otto-Hahn-Bau der Freien Universität in Hahn-Meitner-Bau umbenannt worden. Mit der Umbenennung würdigt die Freie Universität die langjährige Arbeit und bahnbrechende Forschungsleistung der Physikerin in Berlin-Dahlem.

In dem Gebäude an der Thielallee, das heute Teile des Instituts für Chemie und Biochemie der Freien Universität beherbergt, hatten Otto Hahn und Lise Meitner von 1912 an mehr als zwei Jahrzehnte lang zusammen gearbeitet. Die Experimentalphysikerin war entscheidend an der Entdeckung der Kernspaltung beteiligt, die Hahn dort gemeinsam mit seinem Kollegen und Chemiker Fritz Straßmann im Jahr 1938 gelang – wenige Monate nachdem  Lise Meitner vor den Nationalsozialisten ins Ausland fliehen musste. Trotz ihres entscheidenden wissenschaftlichen Beitrags – Lise Meitner lieferte die physikalisch-theoretische Erklärung des Phänomens – blieb der Tochter eines jüdischen Rechtsanwaltes die öffentliche Anerkennung für ihre wissenschaftliche Leistung versagt. Für die Entdeckung der Kernspaltung erhielt Otto Hahn 1944 den Nobelpreis für Chemie.

„In der Umbenennung findet mehr statt, als nur die Ergänzung durch einen zweiten Namen“, sagte Prof. Dr. Peter-André Alt, Präsident der Freien Universität, in seiner Festrede. „Sie ist ihrerseits die Korrektur eines historischen Unrechts, wie es sich über Jahrzehnte in der Unterschätzung der von Lise Meitner erbrachten Beiträge zur Kernforschung manifestierte. Die Freie Universität bekennt sich damit zur institutionellen Verantwortung für eine objektive und gerechte Wissenschaftsgeschichte, zu der Korrekturen früherer Einseitigkeiten ebenso gehören, wie die kritische Bestandsaufnahme und der Anspruch auf eine ständige Selbstreflexion von Werturteilen und Methoden.“

An dem Festakt nahm auch die Lise-Meitner-Biografin Ruth Lewin Sime teil. Die Professorin am Sacramento City College in Kalifornien bezeichnete die Partnerschaft zwischen der Physikerin Lise Meitner und dem Chemiker Otto Hahn als ungewöhnlich in ihrer Interdisziplinarität und als sehr erfolgreich. Bei ihrer Flucht aus Deutschland habe Lise Meitner ihre Arbeit, ihre Kollegen und ihre Freunde zurück lassen müssen. „Sie hat alles verloren, was sie sich in Berlin aufgebaut hatte. Und dann hat sie sogar noch mehr verloren: die wissenschaftliche Anerkennung, die sie verdient hätte“, sagte Sime. Die Umbenennung des Otto-Hahn-Baus in Hahn-Meitner-Bau sei deshalb nicht nur richtig, sie sei auch historisch notwendig.

Zur Person Lise Meitner

Die Physikerin Lise Meitner wurde 1878 in Wien geboren. 1907 kam sie nach Berlin, um bei Max Planck ihre Forschung zur Radioaktivität fortzusetzen, hier begann auch die Zusammenarbeit mit Otto Hahn. Von 1912 an war Meitner – zunächst noch mit inoffiziellem Status – Max Plancks Mitarbeiterin am neu gegründeten Institut für Chemie der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Dahlem. Von 1918 an leitete sie dort die physikalisch-radioaktive Abteilung, von 1928 bis 1933 war sie auch Professorin der Berliner Universität. 1938 emigrierte Lise Meitner über Holland nach Schweden, da sie durch den Anschluss Österreichs an Deutschland im März 1938 ihre österreichische Staatsbürgerschaft verloren hatte und als Jüdin in besonderer Weise gefährdet war. Durch Korrespondenz blieb Meitner weiterhin mit Otto Hahn verbunden und an der Forschung beteiligt. Für die Entdeckung der Kernspaltung erhielt Otto Hahn 1944 den Nobelpreis für Chemie, Lise Meitner blieb die öffentliche Anerkennung trotz ihres entscheidenden wissenschaftlichen Beitrags weitgehend versagt. 1957 verlieh ihr die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät der Freien Universität Berlin die Ehrendoktorwürde. Meitner starb 1968 im englischen Cambridge.

Weitere Informationen

Viola Neukam, Wissenschaftskommunikation, Freie Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-73662, E-Mail: viola.neukam@fu-berlin.de