Alternative Testverfahren sollen Tierversuche ersetzen
Neues EU-Projekt bündelt die Forschung auf diesem Gebiet und will Ersatz-Methoden in der Praxis etablieren / Erster Workshop an der Freien Universität
Nr. 160/2010 vom 28.05.2010
Wie können Tierversuche in der Arzneimittelforschung und der Kosmetikindustrie ersetzt werden? An welchen Methoden zum Ersatz von Tierversuchen wird in Europa geforscht? Und welche dieser Verfahren lassen sich als Routinetests in der Praxis einsetzen? Diese und weitere Fragen diskutieren Wissenschaftler aus Europa und den USA bei einem Workshop, der vom 31. Mai bis 2. Juni an der Freien Universität Berlin stattfindet. Es ist der Auftakt zu einem EU-Projekt, mit dem die europäische Forschung zum Ersatz von Tierversuchen koordiniert und vorangebracht werden sollen. Die Federführung des Projekts hat eine Gruppe von Wissenschaftlern des Instituts für Pharmazie der Freien Universität, des flämischen Instituts für Toxikologie in Belgien und der britisch-amerikanischen Tierschutzorganisation Humane Society International.
Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Tierversuche zu reduzieren und bessere Testverfahren zu entwickeln. Nach der EU-Kosmetikverordnung müssen Kosmetikfirmen bei der Entwicklung neuer Produkte von 2013 an auf Tierversuche verzichten, und auch die EU-Chemikalienrichtlinie (REACH) schreibt den Ersatz von Tierversuchen durch moderne, tierversuchsfreie Methoden vor. Mit mehr als 200 Millionen Euro hat die EU- Kommission die Forschung auf diesem Gebiet während der vergangenen 20 Jahre gefördert. Entsprechend groß ist die Zahl von Forschungsprojekten auf diesem Gebiet.
Ein EU-Projekt mit dem Namen „AXLR8“ soll die Aktivitäten nun bündeln und die Umsetzung der Forschung in die Praxis voranbringen: Seit Anfang dieses Jahres haben Wissenschaftler des Instituts für Pharmazie der Freien Universität Berlin gemeinsam mit Forschern des flämischen Instituts für Toxikologie (VITO) in Belgien und der britisch-amerikanischen Tierschutzorganisation Humane Society International (HSI) damit begonnen, die europaweiten Forschungsprojekte zum Ersatz von Tierversuchen zu koordinieren. Durch jährliche Workshops mit Vertretern der Einzelprojekte sollen neue, vielversprechende tierversuchsfreie Methoden frühzeitig und gezielt gefördert und damit als Routine-Testung etabliert werden.
Der ausführliche Titel des EU-Projekts „AXLR8” lautet: „Accelerate the transition to a toxicity pathway-based paradigm for chemical safety assessment through internationally co-ordinated research and technology development”.
Der erste Workshop zu dem EU-Projekt findet vom 31. Mai bis 2. Juni 2010 an der Freien Universität Berlin statt. Daran nehmen neben führenden europäischen Forschern auch leitende Wissenschaftler aus den USA teil, die im neuen Forschungsprogramm „Toxicology in the 21st Century“ mitarbeiten. Das Ziel der amerikanischen Wissenschaftler ist es, mit modernen molekularbiologischen Methoden die gesundheitlichen Risiken von Arzneimitteln und anderen chemischen Stoffen für den Menschen vorherzusagen – und zwar besser als das bisher mit Tierversuchen möglich ist. Seit 2009 hat die US-Regierung das Programm, an dem auch die größten Firmen der amerikanischen Arzneimittel- und Chemie-Industrie beteiligt sind, mit 100 Millionen Dollar gefördert. Die Wissenschaftler arbeiten dabei mit modernsten molekularbiologischen und molekulargenetischen Methoden, wobei primär menschliche Zellen und Gewebe verwendet werden. Auch Computer gestützte Verfahren kommen zum Einsatz.
Der transatlantische Gedankenaustausch während des Workshops hat zum Ziel, die modernsten tierversuchsfreien Methoden sowohl in Europa als auch in den USA möglichst schnell zur Anwendungsreife zu bringen. Von den Forschungen sollen sowohl die Industrie als auch die Verbraucher profitieren.
Die Freie Universität Berlin hat auf dem Gebiet des Ersatzes von Tierversuchen durch moderne biotechnologische Methoden bereits einige Erfolge aufzuweisen. Unter anderem haben Wissenschaftler am Institut für Pharmazie auf biotechnologischem Weg eine „künstliche menschliche Haut“ hergestellt, durch die Tierversuche zur Prüfung der Hautverträglichkeit am Kaninchen vollständig ersetzt werden konnten. Außerdem plant die Freie Universität die Gründung einer Graduiertenschule, in dem ethische und rechtliche Probleme des Schutzes von Versuchstieren in der Ausbildung des Wissenschaftler-Nachwuchses einen Schwerpunkt bilden.
Weitere Informationen
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Prof. Dr. Monika Schäfer-Korting, Pharmakologin und Vizepräsidentin der Freien Universität Berlin, Tel.: 0049-(0)30-838-731 20
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Prof. Dr. Horst Spielmann, Humanmediziner und von 1989 bis 2007 Leiter der Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch (ZEBET) am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Tel.: 0049-(0)30-838-56126
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Dr. Vivian Kral, Institut für Pharmazie der Freien Universität Berlin,
Tel.: 0049-(0)30- 838-53219, E-Mail: kral@zedat.fu-berlin.de