Das Universum im Mikroskop – Biodiversität und Ästhetik der Diatomeen
Galerieausstellung im Botanischen Museum Berlin-Dahlem in Kooperation mit Matthias Burba, Hamburg 12. März bis 1. Juni 2009
Nr. 39/2009 vom 27.02.2009
"Das Universum im Mikroskop – Biodiversität und Ästhetik der Diatomeen" ist eine Galerieausstellung über Kieselalgen. Sie zeigt die künstlerisch-ästhetische Aufbereitung von Diatomeen Ende des 19. Jahrhunderts sowie Aspekte der modernen Erforschung dieser Organismengruppe. Die Exposition ist vom 12. März bis 1. Juni 2009 im Botanischen Museum Berlin zu sehen. Alle Plakate können erworben werden.
Diatomeen sind einzellige Algen von unter einem Millimeter Durchmesser, für deren Beobachtung ein leistungsstarkes Mikroskop erforderlich ist. Sie leben in großer Zahl in Seen, Flüssen und Meeren und besiedeln selbst kleinste feuchte Lebensräume wie Baumrinden. Die Zahl der Diatomeenarten wird heute auf etwa 1 Millionen geschätzt, wobei erst 20 000 Kieselalgenarten heute beschrieben sind. Die Organismen sind ökologisch sehr bedeutend, da sie etwa 25 % der Sauerstoffproduktion der Welt leisten.
Charakteristisch für den Aufbau der Diatomeen sind ihre gläsernen Schalen aus Kieselsäure, weswegen sie auch Kieselalgen genannt werden. Die Schalen umgeben die Zelle schützend, sind sehr vielfältig gestaltet und symmetrisch durchbrochen. Die Form der strukturierten Schalen ist artspezifisch und wurde schon früh in der Naturwissenschaft systematisch erfasst. Heute werden Diatomeen und ihre dauerhaft erhaltenen Schalen als Bioindikatoren in der Umweltanalyse und zur Klimarekonstruktion herangezogen.
Aber nicht nur diese wissenschaftlichen Tatsachen machen sie zu einem interessanten Beobachtungs- und Ausstellungsobjekt: Ihre gläsernen Schalen sind von unvergleichlicher Schönheit und faszinieren durch ihre ausgeprägte Symmetrie. Die Ausstellung gliedert sich in drei Teile: Kunst, Dokumentation und Wissenschaft.
Schon im 19. Jahrhundert waren Diatomeen gesuchte Beobachtungsobjekte von Künstlern und Wissenschaftlern. Die Präparation und das Arrangement dieser kleinen Algen zu Reihen, Kreisen oder anderen kunstvollen Formen wurde zu einer beliebten Freizeitbeschäftigung vor allem des Bildungsbürgertums. Der holsteinische Maler Johann Dietrich Möller (1844-1907) beherrschte die Kunst, Diatomeen zu legen in Perfektion. In der Galerieausstellung zeigen großformatige Abzüge moderner Mikrofotos die Diatomeenvielfalt der mikroskopischen Präparate des 19. Jahrhunderts. Dabei werden nicht nur Präparate von Möller sondern auch von Eduard Thum und Henry Dalton ausgestellt.
Die Kreativität der gelegten mikroskopischen Präparate reicht von mathematisch geprägten Symmetrien bis zu mosaikartigen Arrangements von Blumensträußen, Schmetterlingen und Vögeln. Allein durch unterschiedliche Mikroskopiertechnik kann das gleiche Präparat (im Dunkelfeld mit Durchlicht oder im Auflicht) zu zwei ganz unterschiedlichen Kunstwerken werden: durch Lichtbrechungen an den Diatomeenschalen entfalten sich mannigfache Farben. Die Herstellungstechnik der historischen Präparate wird anhand eines Fotos des Arbeitsplatzes von J.D. Möller aus dem Jahre 1891 verdeutlicht.
Eines der faszinierendsten mikroskopischen Präparate von Möller ist das „Universum Diatomacearum Moellerianum“ (kurz das „Universum“). In diesem Präparat arrangierte er über 4000 Schalen verschiedener Diatomeenarten in Reihen auf einer Objektträgerfläche von nur 6 x 6,7 mm. Ein gedruckter Katalog bezeichnete jede Diatomeenart mit ihrer exakten Position und spiegelt damit auch die historische Kieselalgen-Systematik des 19. Jahrhunderts wider. Weitere systematische Aufbereitungen von Diatomeenarten in der Form von Typenplatten und Kreispräparaten durch Möller nach biogeografischen Gesichtspunkten stammen aus einer Vielzahl von Regionen aus der ganzen Welt.
Der rein morphologisch orientierten Systematik, wie sie dem historischen „Universum“ zugrunde liegt, wird ein moderner phylogenetischer Stammbaum gegenübergestellt, der aufbauend auf den Kenntnissen der Jahrhunderte molekularbiologische und feinstrukturelle Analysen der Diatomeen für eine moderne Synthese einbezieht. An einer Medienstation kann das historische „Universum“ vom Besucher interaktiv hinterfragt werden und für jede verwendete Diatomeenart der aktuelle Stand der Algensystematik im Informationsportal für terrestrische und limnische Mikroalgen AlgaTerra abgerufen werden (www.algaterra.org).
Rasterelekronenmikroskopische Aufnahmen der Ultrastuktur der Schalen von Diatomeen veranschaulichen neueste internationale Forschungsergebnisse, an der die Diatomeenarbeitsgruppe des Botanischen Gartens und Botanischen Museums Berlin-Dahlem (BGBM) beteiligt ist.
Weitere Informationen
Ausstellungsteam:
- Matthias Burba, Experte für die Präparate und das Lebenswerk J.D. Möllers, Hamburg.
- Dr. Regine Jahn, Oberkustodin für Algen und Leiterin des Profilschwerpunktes Diatomeen am BGBM Berlin-Dahlem.
- Wolf-Henning Kusber, Phykologe und AlgaTerra Content Manager am BGBM Berlin-Dahlem.
- Kathrin Grotz, Museologin am BGBM Berlin-Dahlem.
Literaturempfehlungen:
- Burba, Matthias, Kusber, Wolf-Henning & Jahn, Regine 2009: Das Universum im Mikroskop – Biodiversität und Ästhetik der Diatomeen – MuseumsJournal II (2009) – im Druck
- Burba, Matthias 2008: Die größte Typenplatte der Welt und ihre Herstellung – Mikrokosmos, Zeitschrift für Mikroskopie 97 (2008), 321-327
- Burba, Matthias, 2007: Johann Diedrich Möller (1844-1907) – Über die Kunst, Diatomeen zu legen – Mikrokosmos, Zeitschrift für Mikroskopie 96 (2007), 7-17
Zeit und Ort:
- Botanisches Museum Berlin-Dahlem, Königin-Luise-Str. 6-8, 14195 Berlin
- 12. März bis 1. Juni 2009, täglich von 10 bis 18 Uhr