Springe direkt zu Inhalt

Amit Chaudhuri wird neuer Samuel-Fischer-Gastprofessor

Indischer Erzähler unterrichtet an der Freien Universität Berlin

Nr. 158/2005 vom 22.09.2005

Der indische Schriftsteller Amit Chaudhuri gibt im kommenden Wintersemester am Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft der Freien Universität Berlin ein Seminar. Chaudhuri wuchs in Bombay auf und studierte in London und Oxford (English/Critical Theory). Danach arbeitete er als Literaturkritiker für namhafte englische Zeitungen und Zeitschriften. Für sein literarisches Debüt „A Strange and Sublime Address“ (1991) erhielt er den Commonwealth Writers Prize. Die Samuel-Fischer-Gastprofessur dient der Vermittlung und kritischen Reflexion der Literaturen der Welt. Der Deutsche Akademische Austauschdienst, die Freie Universität, der S. Fischer Verlag und das Veranstaltungsforum der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck haben 1998 gemeinsam diese Gastprofessur eingerichtet.

In seinen Erzählungen und Romanen, von denen auf Deutsch u.a. „Eine seltsame und erhabene Adresse“ (1991), „Raga des Nachmittags“ (1993) oder „Die Melodie der Freiheit“ (1998/2001) erschienen sind, beschreibt Amit Chaudhuri Menschen, die von ihrer Herkunft und ihren Orten stärker geprägt sind, als ihnen bewusst ist. Sie sind gefangen in den Ritualen und Traditionen ihrer Heimat. Die Nöte seiner Protagonisten, die Lebenslügen, ihre Befreiungsversuche aus gesellschaftlichen Zwängen und auch das Scheitern sind Themen des 43-jährigen Schriftstellers. Die New York Times vergleicht die Erzählungen „Betörungen und fromme Lügen“ (deutsch 2005) mit dem russischen Literaten Anton Tschechow: „ ... so meisterhaft und atmosphärisch dicht“: Ein großes Kompliment für den indischen Schriftsteller.

Chaudhuris Romane sind der Augenblicksästhetik der klassischen Moderne (Virginia Woolf, James Joyce, Katherine Mansfield) verpflichtet. Indem ein so genannter postkolonialer Schriftsteller auf diese Weise über das zeitgenössische Leben eines ehemaligen Landes des Britischen Empire schreibt, tritt er dem Klischee von einem Indien der entfesselten Phantasie, das seit Salman Rushdies „Mitternachtskindern“ durch die westliche Welt geistert, entgegen.

Als „verspäteten Flaneur“ hat sich Chaudhuri einmal bezeichnet, für dessen Imagination die koloniale Stadt eine Schlüsselrolle spielt: die offenen Fenster, die Geräusche der Straße, die Ziellosigkeit. Aufgewachsen ist er in Bombay, aber seine Liebe gilt Kalkutta, der Stadt, in der er 1962 geboren wurde und in der er heute lebt. „Es ist die einzige mir bekannte Stadt, die zeitlos ist, in der jede Veränderung ihren Ort in den alten fließenden Mustern findet und wo Erschöpfung und Kapitulation an die Stelle der Ängstlichkeiten treten, die das Vergehen der Zeit hervorruft“, heißt es in „Raga des Nachmittags“.

Die Lehrveranstaltungen von Amit Chaudhuri finden ab dem 19.10. im Peter Szondi-Institut (JK 28/130, 18-20 Uhr) in englischer Sprache statt. Grundlage bildet das von Chaudhuri herausgegebene „Picador Book of Modern Indian Literarture“ (2004). Interessierte sind herzlich willkommen. Zu den bekanntesten Samuel-Fischer-Gastprofessoren gehören u.a. der Nobelpreisträger Kenzaburo Oe, Marianne Streeruwitz, Yann Martell, Alberto Manguel oder Feridun Zaimoglu.

Weitere Informationen

Dr. Jobst Welge, Peter Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft (AVL), Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin, Tel.: 030/838-55003, 030/341 0439 (priv.), E-Mail: welge@zedat.fu-berlin.de

Im Internet:

http://www.complit.fu-berlin.de/