Vortrag | Demagogie und Demokratie. Zur rhetorischen Verführbarkeit bei Thukydides
11. Literaturwissenschaftliches Propädeutikum der Klassischen Gräzistik: Lüge und Manipulation in der antiken griechischen Literatur
In Krisenzeiten feiern Demagogen Hochkonjunktur. Keine Zeit bietet sich besser an, um das zu beobachten, als die des ersten demokratischen Experiments der Geschichte. Dieses finden wir in der griechischen Antike, die bereits um Figuren wusste, die durch manipulative Reden versuchten, die Massen zu verführen.
Einer der ersten Politiker, der von der Geschichtsschreibung mit dem Wort δημαγωγός (dēmagōgos) bezeichnet wurde, war Kleon aus Athen. Dieser wurde nicht nur zur Zielscheibe der Komödie, sondern genießt auch bei Thukydides keinen guten Ruf. Der Historiker, der sonst auf seine wissenschaftliche Methode bedacht zu sein scheint, ließ sich hier zu starken Beurteilungen hinreißen. So sei Kleon der „gewalttätigste aller Bürger“, der dennoch hochangesehen beim Volk war.
Untermauert wird diese Charakterisierung von einer zentralen Textstelle in Thukydides’ Werk, der Debatte um das Schicksal der abtrünnig gewordenen Mytilenier. Thukydides schreibt Kleon hier eine Rede zu, in der dieser für eine gnadenlose Bestrafung argumentiert, intellektuelles Abwägen verunglimpft und vor einem bloß „abgestumpftem Zorn“ warnt.
Im Vortrag wollen wir die Mytilenische Debatte rekonstruieren und Kleons Werdegang im Peloponnesischen Krieg nachzeichnen. Wir wollen festmachen, wie er mit der politischen Gemeinschaft interagierte. Was können wir über das Wesen der Demagogie lernen? Was über die Gefahren für Demokratien in Krisenzeiten? Und welche persönlichen Gründe könnte Thukydides gehabt haben, Kleon in solch ein schlechtes Licht zu rücken?
Zeit & Ort
16.06.2025 | 18:15
Hörsaal 2,
Habelschwerdter Allee 45,
14195 Berlin