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Der Moderator

Schwerpunktthema „Gute wissenschaftliche Praxis“: Physikprofessor Joachim Heberle übernimmt das Amt der Zentralen Ombudsperson an der Freien Universität Berlin

02.07.2021

„Gute wissenschaftliche Praxis transparent und fair gestalten“: Joachim Heberle, Professor für Experimentelle Molekulare Biophysik, hat viele Jahre Erfahrung im Ombudswesen.

„Gute wissenschaftliche Praxis transparent und fair gestalten“: Joachim Heberle, Professor für Experimentelle Molekulare Biophysik, hat viele Jahre Erfahrung im Ombudswesen.
Bildquelle: David Ausserhofer

Moderieren, nicht richten – so versteht Joachim Heberle seine neue Aufgabe: Zum 1. Juli wird der Physiker, der 2014 von der Deutschen Forschungsgemeinschaft in das Gremium „Ombudsman für die Wissenschaft“ gewählt wurde, vom Präsidium der Freien Universität auf die neu geschaffene Position der „Zentralen Ombudsperson für gute wissenschaftliche Praxis“ berufen.

Kriselnde Betreuungsverhältnisse, persönliche Auseinandersetzungen, der Vorwurf von Datenmanipulation oder Plagiat, Autorschafts- oder Datennutzungskonflikte – dies alles sind Beispiele für Situationen in der Wissenschaft, in denen es zu Konflikten kommen und Schlichtung nötig sein kann.

Vor allem die Autorschaft wissenschaftlicher Publikationen ist hart umkämpft, weil sie auch als Beleg für die individuelle Leistung von Forschenden zählt: „Häufig muss geklärt werden, wer Autor oder Autorin sein darf oder sollte, wer also wesentlich und vor allem inhaltlich zu einem Projekt und zur Publikation beigetragen hat“, sagt Joachim Heberle. In solchen und ähnlichen Fällen können Ombudspersonen – der Begriff leitet sich von dem schwedischen Wort „Ombudsman“ („Fürsprecher“) ab – zum Einsatz kommen: unabhängige Ansprechpartnerinnen bzw. -partner, an die sich die Beschäftigten vertraulich wenden können.

Wichtig: sich frühzeitig zu melden

„Ombudsleute moderieren bei Konflikten und lösen sie idealerweise im Einvernehmen beider Parteien“, sagt Joachim Heberle. „Wir versuchen, bei den Beteiligten Verständnis für die andere Seite zu wecken und einen Kompromiss herbeizuführen.“

Ihm sei wichtig, dass sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler frühzeitig melden – entweder bei der Ombudsperson am eigenen Fachbereich oder bei ihm, der zentralen Ombudsperson. Auch, um den Konflikt besser einschätzen zu können: „Manchmal weiß man selbst nicht, ob es sich um wissenschaftliches Fehlverhalten oder um mangelhafte Personalführung handelt. Dann können wir helfen und weitere Schritte empfehlen.“

Eine Ombudsperson entscheidet jedoch nicht, darauf legt Heberle Wert. Diese Aufgabe obliegt ausschließlich der ständigen Untersuchungskommission der Freien Universität, die bei schwerwiegendem Fehlverhalten Entscheidungen trifft und gegebenenfalls Sanktionen ausspricht.

Beratung, Vernetzung, Workshops

Die Regeln für gute wissenschaftliche Praxis zu kennen und sich an sie zu halten, gehöre natürlich zur Grundlage für Forschende, sagt Joachim Heberle. Denn schließlich bestätigen sie mit ihrer Unterschrift unter einer Abschlussarbeit oder einem Drittmittelvertrag, dass sie sich an diese Regeln halten.

Aufgabe der Geschäftsstelle, die mit seiner Berufung eingerichtet werde, sei daher auch, den Kodex auf Webseiten und anderen Kommunikationskanälen noch sichtbarer zu machen, die dezentralen Ombudspersonen untereinander und mit Ombudspersonen anderer Universitäten zu vernetzen sowie Beratung und Kurse zu wissenschaftlicher Integrität anzubieten.

Ein wichtiges Handlungsfeld für Ombudspersonen, so Heberle, sei das Betreuungsverhältnis zwischen Professorinnen und Professoren und Promovierenden: „Vom Machtgefüge her ist es ein asymmetrisches Verhältnis. Wissenschaftlich gesehen sind beide innerhalb des speziellen Forschungsgegenstandes oft nahezu auf einem Niveau. Diesen Spagat hinzubekommen, ist eine Herausforderung für alle Beteiligten.“

Rückschläge gehören zu wissenschaftlicher Arbeit

Fragen zur guten wissenschaftlichen Praxis kämen nicht nur von Promovierenden, sondern zunehmend auch von Betreuenden. „Gerade in Deutschland können wir noch viel bewegen, damit diese Rolle positiv ausgefüllt wird. In anderen Ländern ist man schon weiter. “

Für ihn, sagt Heberle, gehöre es zu den schönsten Aufgaben, Menschen von Studienbeginn bis zum Postdoc oder vielleicht sogar zur Professur zu begleiten. Wichtig ist ihm, ein gutes Beispiel für Ehrlichkeit und Transparenz zu geben. Dazu gehöre auch, gut mit wissenschaftlichen Enttäuschungen umzugehen: „Wenn ein Experiment nicht das erwartete Ergebnis bringt, sollte man mit anderen darüber reden können. Dann wird schnell klar, dass neben der Begeisterung für die Wissenschaft auch Rückschläge dazugehören.“

Koordinationsstelle Wissenschaftliche Integrität (KoWIn) als dauerhafte Einrichtung

Die Freie Universität ist mit ihren vielen Ombudspersonen an den einzelnen Fachbereichen bereits gut aufgestellt, was das Ombudswesen angeht. „Diese dezentralen Ombudspersonen, die früher Vertrauenspersonen hießen, leisten sehr gute Arbeit“, sagt Heberle, „Aber sie sind nur für eine begrenzte Amtszeit bestellt. Danach muss eine neue Person eingearbeitet werden, die oftmals noch keine Erfahrung im Ombudswesen hat.“

Hier kann die Koordinationsstelle Wissenschaftliche Integrität als dauerhafte Einrichtung Unterstützung leisten: Sie verfügt als Geschäftsstelle der Zentralen Ombudsperson über das entsprechende „Gedächtnis“, macht die dezentralen Ansprechpartnerinnen und -partner mit ihrer Aufgabe vertraut und bietet Weiterbildungen an. Eine Zentrale Ombudsperson könne außerdem unparteiischer agieren, gerade wenn es Streit bei fächerübergreifenden Forschungsprojekten gebe.

Und noch etwas nimmt Joachim Heberle sich vor: „Die Vertrauensleute hatten wenig Kontakt untereinander. Ich möchte die dezentralen Ombudspersonen besser miteinander vernetzen, um den Austausch von Wissen und Erfahrung in Gang zu bringen.“

Seit 2014 Ombudsman für die Deutsche Forschungsgemeinschaft

Seine neue Aufgabe wird der Physiker neben seiner Professur wahrnehmen. Deshalb wird ihm die Geschäftsstelle zur Seite stehen, um die Fälle zu sammeln und sie aufzuarbeiten, Statistiken zu führen, Kontakte und Termine zu organisieren.

„Wir werden in Kürze ein Verfahren vorstellen, mit dem sich Angehörige der Freien Universität an die Ombudsstelle wenden können“, sagt der Wissenschaftler. In Frage komme etwa ein elektronischer Briefkasten, der denjenigen, die Beschwerde einreichen, Anonymität garantiere. „Wer sich bei uns meldet, um auf einen Missstand hinzuweisen, darf dadurch keine Nachteile haben.“ Häufig würde zwar im Laufe einer Moderation die Anonymität einvernehmlich aufgehoben, aber für den ersten Schritt biete sie Sicherheit.

Als „Ombudsman der Wissenschaft“ bei der DFG beschäftigt sich Joachim Heberle schon seit vielen Jahren mit guter wissenschaftlicher Praxis. Geplant hatte er diese Laufbahn nicht: „Ich wurde gefragt, habe ein paar Tage nachgedacht und zugesagt.“

Wie viele Kolleginnen und Kollegen sei er im Laufe seiner Karriere selbst schon in einen Konflikt geraten. Damals sei er froh darüber gewesen, dass ein Mentor ihn gegenüber der Institutsleitung geschützt habe. „Für Frauen ist es häufig noch schwieriger – das wissen wir nicht erst aus der Metoo-Bewegung.“ Auch die Wissenschaft habe dunkle Seiten, denen er mit dem Licht der Transparenz begegnen möchte. Als Moderator möchte Joachim Heberle dazu beitragen, an der Freien Universität gute wissenschaftliche Praxis transparent und fair zu gestalten.

Weitere Informationen

Auf einer Übersichtsseite werden alle Beiträge und Informationen zum Thema „Gute wissenschaftliche Praxis“ gebündelt.

Auftakt des Schwerpunktthemas „Gute wissenschaftliche Praxis“ war ein campus.leben-Interview mit Professorin Marianne Braig, die als Vizepräsidentin für Forschung zuständig ist.