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Forscherin in einer bewegten Welt

Die Globalhistorikerin Valeska Huber wird am 29. Mai mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis ausgezeichnet, dem bedeutendsten Preis für Nachwuchsforschende in Deutschland

28.05.2018

Die promovierte Historikerin Valeska Huber vom Friedrich-Meinecke-Institut erhält am 29. Mai den Heinz Maier-Leibnitz-Preis.

Die promovierte Historikerin Valeska Huber vom Friedrich-Meinecke-Institut erhält am 29. Mai den Heinz Maier-Leibnitz-Preis.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Valeska Hubers akademische Heimat ist die Globalgeschichte. Diese Teildisziplin nimmt nicht die Geschichte einer einzigen Nation und eines Staates in den Blick, sondern versucht, in lokalen Prozessen globale Verbindungen nachzuvollziehen. Global ist auch der bisherige Ausbildungsweg der 38-Jährigen: Studiert hat sie an der renommierten London School of Economics and Political Science (LSE) in einem internationalen Umfeld: Zwei Drittel der Studierenden der LSE kommen nicht aus Großbritannien.

Noch während ihres Bachelor-Studiums in London erwachte Valeska Hubers Interesse für das British Empire. In ihrem Masterstudium in Cambridge arbeitete sie zu internationaler Gesundheitspolitik und zu Seuchen als globalem Phänomen. Das führte sie zu näherer Beschäftigung mit dem Nahen Osten, einer Region, die sie zum zentralen Forschungsgebiet ihrer Promotion bei Jürgen Osterhammel, dem renommiertesten Globalhistoriker in Deutschland machte: Migration und Globalisierung in der Region des Suezkanals.

Verbindungen sind oft auch Grenzen

Zwischen der Eröffnung der Wasserverbindung zwischen Mittelmeer und Indischem Ozean im Jahr 1869 und dem Beginn des Ersten Weltkriegs war der Suezkanal ein globaler Kontrollpunkt im Kolonialverkehr Großbritanniens, Frankreichs und der Niederlande. Der Suezkanal sei zwar vorrangig eine wichtige Verbindung gewesen, sagt Valeska Huber, „aber Orte, die Verbindungen sind, sind häufig auch Grenzen – und Grenzen und Abschottung sind Teil der Globalisierung.“ So hätten die Imperialmächte ein Interesse gehabt, manche Migrationsflüsse stärker zu fördern als andere. Militärische Truppen seien beispielsweise weniger stark auf Seuchen kontrolliert worden als Pilger, die nach Mekka zogen.

Valeska Huber forschte in Kairo, tauschte sich mit dortigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus, lernte Arabisch. Für ihre ägyptischen Kollegen sei der globale Blick der deutschen Historikerin auf ein ägyptisches Nationalsymbol, den Suezkanal, manchmal befremdlich gewesen, sagt sie. Doch sei es genau dieser „fremde“ Blick, den sie sich bewahren und auch in die deutsche Forschungslandschaft einbringen wolle.

Mobilität und Migration prägen unsere Gesellschaft seit Jahrhunderten

Migration und Mobilität sind ein zentrales Forschungsgebiet, mit dem Valeska Huber sich beschäftigt. Gearbeitet hat sie dazu unter anderem am Deutschen Historischen Institut in London und an der Harvard University. „Ich habe in meiner Promotion gegen die Verallgemeinerung menschlicher Mobilität angeschrieben“, sagt sie. „Ja, wir sind viel mobiler geworden. Aber natürlich gibt es wesentliche Unterschiede zwischen einer Erasmus-Studentin und einem Flüchtling.“ Mit Verweis auf die Geschichte rät die Wissenschaftlerin, das Ausmaß der derzeitigen Migrationsbewegungen zu relativieren: „Mobilität und Migration prägen unsere Gesellschaft – aber nicht erst in den vergangenen Jahren. Migration und verstärkte Zuwanderung gab es auch in vergangenen Epochen: von der Massenauswanderung aus Europa im 19. Jahrhundert über die Flüchtlingsbewegungen nach den beiden Weltkriegen oder im Zusammenhang mit dem Zerfall von Kolonialreichen.“

In den vergangenen Jahren beschäftigt sich Valeska Huber verstärkt mit Fragen zu Bildung und Entwicklung – im Nahen Osten und darüber hinaus. Hier interessieren sie vor allem die politischen und ökonomischen Ideologien, die sich mit so unterschiedlichen Bildungsinitiativen wie Universitätsgründungen und breitenwirksamer Alphabetisierung verbänden. Dabei sei die politische Rolle der jeweiligen Universitäten durchaus wandelbar. Die amerikanische Universität in Beirut zum Beispiel sei von einer protestantischen Missionsinstitution zu einem Zentrum des arabischen Nationalismus geworden.

Vernetzung und Ausschluss hängen miteinander zusammen

Seit 2017 leitet Valeska Huber an der Freien Universität eine Emmy-Noether-Nachwuchsgruppe zum Thema Massenkommunikation und Informationsverbreitung: „Reaching the People: Communication and Global Orders in the Twentieth Century“. Derzeit untersucht sie, wie Kommunikationskampagnen im 20. Jahrhundert breite Bevölkerungsschichten im Nahen Osten beeinflusst haben. „Bei Globalgeschichte denkt man immer gleich an Vernetzung und daran, dass jeder erreicht wird. Aber Globalhistoriker haben auch viel zu den Grenzen von Vernetzung zu sagen“, sagt sie. Einige Zeit sei man davon ausgegangen, dass die Welt immer weiter zusammenwachsen werde. Die populistischen Strömungen in den USA, in Europa und anderen Regionen der Welt würden als Gegenreaktion auf diese Entwicklung verstanden. „Aber es hat auch um 1900 schon Exklusionsmomente gegeben, die sowohl am Beispiel von Mobilitätskontrollen als auch im Zugang oder Nicht-Zugang zu Bildungsmöglichkeiten deutlich werden“, sagt die Historikerin. Auch Ausschluss und Grenzziehungen seien keine neuen Phänomene.

Mit ihrer Forschungsgruppe „Reaching the People“ will Huber untersuchen, mit welchen politischen Zielen, Strategien und Resultaten globale Bevölkerungen mit Informationen versorgt werden sollten, und darüber hinaus auch ein Stück der Vorgeschichte zu den aktuellen Debatten um Populismus und Neue Medien erzählen.

Valeska Huber ist eine leidenschaftliche Forscherin — auch wenn die derzeitige Phase ihrer wissenschaftlichen Karriere eine Herausforderung sei. Umso mehr freut sie sich über die Auszeichnung mit dem Heinz Maier-Leibnitz-Preis, den sie an diesem Dienstag erhält. „Ich finde die Idee sehr schön, dass der Preis nicht für etwas Fertiges verliehen wird, sondern als Ansporn für die nächsten Schritte.“