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Krieg und Frieden – damals und heute

80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs

Historiker Sebastian Conrad

Historiker Sebastian Conrad
Bildquelle: Martin Funck

Kriege und Friedensschlüsse sind auch nicht mehr das, was sie einmal waren. Verabredungen über die Beendigung von Feindseligkeiten gibt es schon seit Jahrtausenden. Aber wie der Philosoph Gottfried Wilhelm Leibniz einmal bemerkte, war das, was als Frieden bezeichnet wurde, oftmals nicht viel mehr als eine Atempause zwischen zwei Kontrahenten. Frieden, so wie wir ihn heute verstehen – als die idealerweise dauerhafte Abwesenheit von Krieg – ist eine moderne Erfindung: Friedensschlüsse in diesem Sinne setzten sich erst seit dem 17. Jahrhundert nach und nach durch; eine über Europa hinausreichende internationale Gültigkeit erhielten sie erst im 19. Jahrhundert.

Damals begannen Kriege mit einer Kriegserklärung, und so gut wie jeder Krieg endete auch mit einem Friedensschluss. Viele davon haben es in die Schulbücher geschafft: Der Wiener Kongress, Shimonoseki, Brest-Litowsk, Versailles. Seitdem geht es jedoch bergab. Die meisten Kriege beginnen nicht mehr mit einer amtlichen Erklärung, und häufig enden sie ohne eigentlichen Friedensschluss. Die Zahl der Friedensverträge hat seit dem Zweiten Weltkrieg abgenommen und um die 1980er Jahre herum einen historischen Tiefpunkt erreicht.

Mehr als eine Frage der Begriffe

Sind Friedensverträge vielleicht überschätzt? Deutschland lebt seit 1945 jedenfalls ganz gut ohne ein solches Vertragswerk; umgekehrt hätte man kein Vertrauen in ein Dokument, das von Wladimir Putin oder Benjamin Netanjahu unterzeichnet wird. Im Kern geht es um Verlässlichkeit, häufig gesichert durch Einbettung in internationale Allianzen. Die Zeit der großen Erklärungen – Vorhang auf, Vorhang zu – scheint vorüber. Ohnehin werden viele Kriege gar nicht mehr als Kriege bezeichnet. Würde Tolstoi seinen großen Roman heute schreiben, nach dem russischen Angriff auf die Ukraine, müsste er ihn „Spezial-Operation und Waffenstillstand“ nennen.

Sebastian Conrad ist Professor für Neuere Geschichte/Global History am Friedrich-Meinecke-Institut für Geschichtswissenschaft.

Weitere Informationen

Lesen Sie diesen Artikel auch auf Englisch. Alle Beiträge der Reihe „Wie enden Kriege?“ finden Sie hier.