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Yalta 2.0

80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs

Osteuropahistoriker Robert Kindler

Osteuropahistoriker Robert Kindler
Bildquelle: Farbtonwerk

Im Frühjahr 2025 eröffnete in der Stadt Simferopol auf der völkerrechtswidrig annektierten Krym eine bizarre Ausstellung. Im Zentrum der kleinen Schau mit dem Titel „Jalta 2.0“ oder „Die Großen Drei auf neue Art“ steht ein Triptychon mit drei überlebensgroßen Porträts. Das Bild im Zentrum zeigt den russischen Präsidenten Wladimir Putin, zu seiner Linken und Rechten befinden sich Abbildungen von US-Präsident Donald Trump und Chinas Staatschef Xi Jinping. Zu ihren Füßen ist eine Weltkarte positioniert.

Die wenig subtile Anordnung wird ergänzt durch weitere Exponate; unter anderem eine despektierliche Karikatur, auf der Emmanuel Macron, Ursula von der Leyen und Olaf Scholz zu sehen sind. Die Botschaft der Exposition ist eindeutig: Große Politik wird von großen Mächten (und nicht minder „großen Männern“) gemacht.   

In Ost- und Ostmitteleuropa ist „Jalta“ ein Synonym für konkrete imperialistische Bedrohung

So war es während der Konferenz von Jalta, als Churchill, Roosevelt und Stalin im Februar 1945 die Grundzüge der europäischen Nachkriegsordnung festlegten und über die Zukunft eines ganzen Kontinents entschieden. Sie bestimmten Einflusszonen und verschoben Grenzen. Was die betroffenen Menschen in den Ländern Ost- und Ostmitteleuropas davon hielten, interessierte die „Großen Drei“ hingegen weniger.

In Jalta trafen sich im Februar 1945 (v. l. n. r.) der britische Premierminister Winston Churchill, US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der sowjetische Diktator Josef Stalin. Auf der Konferenz wurde über die Neuordnung Europas entschieden.

In Jalta trafen sich im Februar 1945 (v. l. n. r.) der britische Premierminister Winston Churchill, US-Präsident Franklin D. Roosevelt und der sowjetische Diktator Josef Stalin. Auf der Konferenz wurde über die Neuordnung Europas entschieden.
Bildquelle: Picture Alliance / dpa / U.S. Signal Corps

Aus russischer Sicht galt und gilt Jalta als diplomatisches Meisterstück. Doch ist die Konferenz weit mehr als ein positiver Bezugspunkt russischer Geschichtspolitik, vielmehr bietet sie Putin und seiner Entourage ein Vorbild für eine künftige Aufteilung der Welt nach ihrem Geschmack.

In Ost- und Ostmitteleuropa verhält es sich anders. Dort ist „Jalta“ seit jeher Synonym für die konkrete Bedrohung, die von einem Denken in imperialen Einflusszonen ausgeht. Nur ein Beispiel: Als im Jahr 2005 der 60. Jahrestag des Kriegsendes begangen wurde, wiesen etwa in Polen oder dem Baltikum viele mahnende Stimmen auf die Konsequenzen der in Jalta ausgehandelten Ordnung hin. In weiten Teilen Europas folgte auf das Ende der nationalsozialistischen Terrorherrschaft eine Diktatur sowjetischen Typs. 

Ein „Jalta 2.0“, wie es sich (nicht nur) die Initiatoren der Simferopoler Schau imaginieren, vermag vielleicht einen Diktatfrieden zu erzwingen. Den Preis dafür zahlen indes jene, die nicht am Verhandlungstisch sitzen. Er besteht in Unfreiheit und Unterdrückung; und das nicht nur im scheinbar so weit entfernten Osteuropa. 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist es für Deutschland an der Zeit, diese Lektion endlich zu begreifen.

Robert Kindler ist Professor für Geschichte Ost- und Ostmitteleuropas am Osteuropa-Institut.

Weitere Informationen

Lesen Sie diesen Artikel auch auf Englisch. Alle Beiträge der Reihe „Wie enden Kriege?“ finden Sie hier.