Verpflichtung zum Aufarbeiten von Konflikten ernst nehmen
80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs
Am 20. November 1945, also ein gutes halbes Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs, begannen die Nürnberger Prozesse. In internationalen Strafverfahren sollten die Hauptverantwortlichen für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zur Rechenschaft gezogen werden. Diese Prozesse gelten zum einen als Anstoß für die weitere Entwicklung der internationalen Strafjustiz. Zum anderen werden sie auch als Ausgangspunkt dafür angesehen, dass sich bis heute die Aufarbeitung von Gräueltaten nach Konflikt und Gewaltherrschaft – oft Transitional Justice genannt – als internationaler Standard etabliert hat.
Internationale Strafjustiz ist Schwerpunktthema deutscher Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik
In fast jedem Friedensabkommen finden sich Regelungen zur Wahrheitsfindung. Also Beschlüsse, dass Wissen über den jeweiligen Konflikt generiert werden und dieser gerichtlich aufgearbeitet werden soll. So sollen Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen sowie mögliche Wiedergutmachung, zum Beispiel finanzielle Kompensation oder andere Formen der Reparation beschlossen werden.
Die Angeklagten bei der Urteilsverkündung des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher des Zweiten Weltkrieges vor dem Internationalen Militärgerichtshof 1946.
Bildquelle: Picture Alliance / Deutsche Fotothek
Deutschland zählt Vergangenheitsarbeit und Transitional Justice als eines seiner Schwerpunktthemen der Außen-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik und nimmt in der ressortgemeinsamen Strategie Bezug auf die eigenen, vielschichtigen Erfahrungen mit Prozessen der Aufarbeitung.
Es hat den Anschein, als könnte diese normative Ausrichtung derzeit innenpolitischen Auseinandersetzungen und Versuchen politischer Profilierung geopfert werden. Aus der Geschichte lernen bedeutet in diesem Fall aber, auch heutzutage das Bekenntnis zur internationalen Strafjustiz und die Verpflichtung zur Konfliktaufarbeitung ernst zu nehmen. Das heißt auch, dass diejenigen, die für Kriegsverbrechen verantwortlich sind, zur Rechenschaft gezogen werden müssen.
Mariam Salehi leitet die Forschungsgruppe „Transnationale Konflikte“ am Zentrum für interdisziplinäre Friedens- und Konfliktforschung am Otto-Suhr-Institut.Weitere Informationen
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