100.000 Wörter in drei Jahren
Post aus Großbritannien! Helena Winterhager empfiehlt: lieber erst für den Master nach Oxbridge
04.12.2015
Helena Winterhager im Speisesaal von Christ Church, dem wohl bekanntesten College der University of Oxford. Der Saal diente als Modell für die Harry-Potter-Filme.
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Radcliffe Camera: das Lesesaal-Gebäude der berühmten Bodleian Library.
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Die eindrucksvolle Bibliothek des Lincoln College gilt als eine der schönsten College Libraries – ein ruhiger Studienort mitten im Herzen der Stadt.
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Zwischendurch ist immer wieder mal Feiern angesagt: eine Geburtstagsparty in einer Oxforder Cocktailbar.
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„100.000“ und „drei“ – das sind die magischen Zahlen, die derzeit mein Studium bestimmen: Innerhalb von drei Jahren soll die PhD-Dissertation (sofern ich in Oxford bleibe) möglichst fertig sein, und der Umfang darf 100.000 Wörter, also gut 200 Seiten, nicht überschreiten. Das eine ist eine heilsame Obergrenze, die einen vor Vielschreiberei bewahrt, das andere eine ebenso heilsame Frist, die dafür sorgt, dass die eigene Forschungsarbeit auf das Ziel hin fokussiert bleibt. Damit verbunden ist in Oxford eine intensive Betreuung, um diese Zielwerte auch wirklich zu erreichen: Alle zwei bis drei Wochen muss ich meinem supervisor Bericht erstatten und neugeschriebene Abschnitte meiner Arbeit vorlegen.
Insgesamt aber kann man sagen, dass im Graduierten-Bereich, sowohl im Promotionsstudium als auch auf der Master-Ebene, die Unterschiede zwischen Oxbridge und den deutschen Studienverhältnissen nicht allzu groß erscheinen – jedenfalls in den geisteswissenschaftlichen Fächern, über die ich urteilen kann. Viel stärker dagegen sind die Abweichungen bei den Undergraduates, was mit der ganzen Anlage des Bachelor-Studiums an britischen Universitäten und den damit verbundenen Berufsperspektiven zusammenhängt.
Berufliche Quereinstiege sind in Großbritannien häufig
Man studiert auch hier in der B.A.-Phase schwerpunktmäßig ein bestimmtes Fach, aber damit ist keineswegs selbstverständlich eine berufliche Festlegung verbunden. Gerade an den Top-Unis Oxford und Cambridge stellt das dreijährige Bachelor-Studium eher eine Art Grundausbildung dar, bei der es nur bedingt um wissenschaftliche Spezialisierung geht. Vielmehr steht hier die Aneignung intellektueller Schlüsselkompetenzen im Zentrum. Dabei ist der Arbeitsdruck enorm hoch: Man soll beweisen, dass man auch unter solchem Druck Leistung bringt. Neben fachlicher Qualität geht es um guten, originellen Schreibstil, um analytische und rhetorische Fähigkeiten.
Wer diese „Eliten“-Ausbildung mit Erfolg absolviert, qualifiziert sich damit für höhere Aufgaben nicht nur im studierten Fach, sondern in allen möglichen Bereichen des öffentlichen Lebens: So kann man mit einem B.A. in Latein oder Geschichte ohne weiteres im Finanzsektor oder Rechtswesen, in Wirtschaft und Verwaltung Karriere machen. Das sind in Großbritannien keine exotischen Quereinstiegs-Szenarien, sondern ganz normale Berufswege.
Großer Anteil von ausländischen Studierenden bei den Postgraduates
Der markante Unterschied zwischen Undergraduates und Postgraduates lässt sich auch daran erkennen, dass im B.A.-Bereich nur 18 Prozent, bei den Graduierten dagegen 62 Prozent (!) der Studierenden in Oxford aus dem Ausland kommen: auf der einen Seite eine doch eher national bezogene „Eliten"-Ausbildung, auf der anderen Seite eine unglaublich international geprägte, regelrechte Welt-Uni. Nachdem ich beide Bereiche (einige Zeit als B.A.-Studentin in Cambridge, jetzt als Graduate in Oxford) kennengelernt habe, würde ich deutschen Kommilitonen immer empfehlen, sich eher erst zur Graduiertenphase in Oxbridge zu bewerben: Man hat wissenschaftlich mehr davon, und die kosmopolitische Atmosphäre ist einmalig!