Plötzlich Diplomat
Bewerbung bis 9. April: Studierende können sich für den Simulations-Wettbewerb „The Future of Europe“ anmelden – Interview mit Peggy Wittke
30.03.2021
Im Sommersemester geht der Wettbewerb „The Future of Europe – Online Model EU“ in die zweite Runde. Auch diesmal lädt Projektleiterin Peggy Wittke Studierende dazu ein, in die Rolle eines EU-Mitgliedstaates zu schlüpfen und über aktuelle europäische Themen und Grundsatzfragen zu diskutieren. Inspiriert wurde die promovierte Juristin von Ursula von der Leyen: Die Kommissionspräsidentin hatte vor ihrem Amtsantritt 2019 vorgeschlagen, eine Konferenz über die Zukunft Europas abzuhalten. Für die Teilnahme an „The Future of Europe“ können sich Interessierte aus allen Fachbereichen bis zum 9. April mit einem kurzen Motivationsschreiben bewerben.
Frau Wittke, welche Herausforderungen warten auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Wettbewerbs?
Im Seminar simulieren wir eine Sitzung des Europäischen Rates (ER). Im Rat kommen die Staats- und Regierungschefs der 27 Mitgliedstaaten zusammen, um die politische Agenda der Europäischen Union festzulegen. Außerdem nehmen der Präsident des Europäischen Rates und natürlich die Präsidentin der Europäischen Kommission daran teil. Unsere Verhandlungssprache wird Englisch sein.
Die Studierenden repräsentieren ein Mitgliedsland oder übernehmen das Amt des Rats-Präsidenten. In dieser Rolle diskutieren sie über unterschiedliche Themen und verabschieden Erklärungen. Das ist sicherlich nicht ganz einfach, weil die Studierenden sich plötzlich in der Rolle von Diplomaten und unmittelbar im Geschehen wiederfinden, wie im Model European Union (MEU) oder Model United Nations (MUN). Es geht also darum, in die Schuhe eines anderen zu schlüpfen und eine Position zu vertreten, die nicht unbedingt die eigene sein muss.
Es hat also auch Rollenspielcharakter?
Einerseits ja. Zum anderen sind die politischen Ansichten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer interessant. Deswegen haben wir das Seminar so konzipiert, dass man nicht unbedingt das eigene Land vertritt, sondern frei wählen kann, welchen Mitgliedstaat man repräsentieren möchte.
Wie läuft die Veranstaltung ab?
Das Seminar ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil werden wir uns unterschiedlichen Politikbereichen der EU widmen; hierzu halten die studentischen Teams Kurzvorträge. Dadurch soll ein Überblick über die späteren Verhandlungsthemen vermittelt werden.
In den Vorträgen wird es um Grundlagen gehen, also beispielsweise um Grundrechte und Grundfreiheiten oder die Strategische Agenda der EU 2019-2024. Es wird auch um die Europäische Union als globaler Wirtschaftsakteur gehen, um Handelsfragen, die Eurozone und Schengen. Schließlich behandeln wir aber auch Themen wie Nachhaltigkeit in der EU-Politik, Klima- und Umweltschutz.
Nachdem wir uns mit den Politikbereichen vertraut gemacht haben, schließen sich von Ende Mai bis Mitte Juli Online-Ratssitzungen zu diesen Themen an.
An wen richtet sich der Wettbewerb? Wer kann sich bewerben?
Zunächst einmal sind Studierende der Freien Universität aller Fachbereiche angesprochen. Aber auch Studierende anderer Universitäten sind eingeladen, sich zu bewerben. Im vergangenen Semester war beispielsweise die Universität Kiel dabei. Eine Studierende war gerade für ein Erasmussemester in Spanien, sie hat sich von dort zugeschaltet – und Spanien vertreten. Da wir uns digital treffen, ist alles möglich.
Wie beeinflusst die digitale Lehre den Wettbewerb? Ist ein reger Austausch auch online möglich?
Normalerweise finden die MUN- oder MEU-Treffen natürlich in Präsenz im Rahmen einer Blockveranstaltung statt. Aber auch im „echten Leben“ tagen der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und der Europäische Rat im Moment überwiegend digital. Da dachte ich mir: Das können wir auch.
Natürlich hatten wir mit den damit verbundenen Herausforderungen zu kämpfen, etwa mit schwachen Internetverbindungen oder mangelnden Recherchemöglichkeiten. Aber gemeinsam haben wir – Lehrende und Studierende – das Konzept erfolgreich umgesetzt. Das hat auch das positive Feedback der Teilnehmerinnen und Teilnehmer gezeigt.
Welche Erfahrungen nehmen Sie aus dem Wettbewerb des vergangenen Semesters mit? Welche Themen interessieren die Studierenden am meisten?
Nach meiner Erfahrung beschäftigen die Studierenden insbesondere die Themen „Identität und Werte“, Asyl- und Migrationspolitik sowie die Erweiterung der EU. Aber auch das strittige Thema der Eurobonds wurde intensiv diskutiert – genauso wie der „Rechtsstaatsmechanismus“ der EU, den einige Mitgliedstaaten vehement bekämpfen und der gerade vor dem Europäischen Gerichtshof verhandelt wird. Nach lebhaften Diskussionen haben am Ende aber die Gemeinsamkeiten überwogen, wie die Verabschiedung der gemeinsamen „Berlin-Erklärung“ durch die Studierenden zeigt.
Bemerkenswert finde ich das große Interesse von Studierenden an Europa. Aus den kurzen Motivationsschreiben liest man, dass besonders der Austritt Großbritanniens die Studierenden bewegt. Das betrifft sie auch ganz direkt: Sie fragen sich, wie der Austritt den kulturellen Austausch beeinflusst, zum Beispiel über das Erasmusprogramm. Den Kontakt innerhalb Europas zu bewahren – auch dazu möchten wir mit dieser Veranstaltung beitragen.
Die Fragen stellte Leon Holly