Die Lehre gemeinsam in den Blick nehmen
An der Freien Universität beginnt im Sommersemester ein partizipativer Prozess, in dessen Rahmen alle Hochschulangehörigen eingeladen sind, eine Vision für die Zukunft von Studium und Lehre zu entwickeln
13.02.2020
Was macht gute Lehr- und Lernkultur aus? Wie können Studium und Lehre künftig gestaltet werden und mehr Wertschätzung erlangen? Ein Interview mit dem Physikstudenten Fabian Krüger, den Mitarbeiterinnen Katja Reinecke und Cynthia Heiner und dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre, Professor Hauke Heekeren im Vorfeld eines universitätsweiten Kick-off-Events, das am 28. April im Henry-Ford-Bau stattfindet.
Herr Krüger, Sie sind Student und Mitglied des Netzwerks LehreN und engagieren sich im Projekt „Zukunft Lehre“. Stellen Sie sich vor, Sie würden in Dahlem-Dorf in die U-Bahn steigen und bei Freie Universität/Thielplatz schon wieder aussteigen. Mit welchen Argumenten würden Sie in dieser kurzen Zeit Studentinnen und Studenten in der Bahn für eine Teilnahme am Kick-off-Event zu gewinnen versuchen, die dem ganzen Vorhaben gegenüber skeptisch sind?
Fabian Krüger: Es gibt diesen Spruch „Wer nicht wählt, darf nicht meckern“. Dem würde ich zwar nicht voll und ganz zustimmen, da jeder Kritik üben darf. Dennoch gilt: Wer etwas ändern könnte und diese Möglichkeit nicht wahrnimmt, trägt auf jeden Fall eine Mitschuld am bestehenden Zustand.
Dass mit dem Kick-off-Event am 28. April ein Prozess beginnt, der für unsere Universität große Veränderung bedeuten kann, ist sicher, denke ich. Betrachten wir also die drei Einstellungen, die man zu Veränderungen diesbezüglich haben kann: Entweder man ist offen für Veränderungen: Dann sollte man auf jeden Fall teilnehmen, da man nur so dafür Sorge tragen kann, dass die „richtigen“ Veränderungen eintreten. Oder man ist gegen Veränderungen: Dann sollte man auch auf jeden Fall teilnehmen, um dafür zu sorgen, dass vom aktuellen Zustand möglichst viel erhalten bleibt. Es könnte einem natürlich auch egal sein, ob sich etwas verändert: Das wäre vermutlich Ausdruck einer mangelnden Fantasie. Wenn man sich einfach nur einmal vorstellt, dass Pflichtvorlesungen mit Anwesenheitskontrolle um 4 Uhr morgens auf einem Samstag lägen, dann weiß man ganz genau, dass es schlimmer auf jeden Fall geht. Kurz gesagt: Eine Nichtteilnahme wäre in jedem Fall eine schlechte Idee.
Frau Reinecke, Sie koordinieren im Projekt SUPPORT die Lehrqualifizierung. Stellen Sie sich vor, in der Mensa-Schlange beschwert sich jemand in Hörweite, dass die Lehre an der Freien Universität schlechter denn je sei – und Hopfen und Malz verloren. Mit welchen Argumenten würden Sie ihn oder sie für eine Teilnahme am Kick-off-Event am 28. April gewinnen, bevor ihr Essen kalt ist?
Katja Reinecke: Ich würde fragen, was aus Sicht der Person passieren müsste, damit sich die Lehre verbessert. Gerade zu diesem Zweck wird mit dem Kick-off-Event ja ein Austauschprozess gestartet: Um ins Gespräch zu kommen und gemeinsam über Lehre und Lernen an der Freien Universität nachzudenken. Wenn wir sagen, wir wollen stärker auf die Lehre sehen, dann müssen wir natürlich auch die skeptischen und kritischen Ansichten der Beteiligten kennenlernen. Um neue Ideen und Wege zu entwickeln, ist es wichtig, bestehende Probleme genau zu benennen.
Herr Professor Heekeren, die Freie Universität wird in diesem Jahr 72 Jahre alt. Bitte erklären Sie in einer Minute: Wieso denken wir genau jetzt über die Zukunft der Lehre nach?
Hauke Heekeren: Nach gut 20 Jahren Bologna-Prozess steht eine neue wichtige Entwicklungsphase der Hochschullandschaft vor uns. Unter anderem wird dies am Beispiel der neuen Hochschulpakte „Zukunftsvertrag Studium und Lehre“ und „Innovation in der Hochschullehre“ oder des aktuellen Aufbaus der Berlin University Alliance sichtbar.
Wir wollen diese Prozesse als Protagonisten mitgestalten und den daraus resultierenden Herausforderungen proaktiv begegnen, deshalb ist es wichtig, dass wir uns zunächst selbst vergewissern, wofür die Freie Universität im Bereich Studium und Lehre steht und wie wir als Universität diesen in den nächsten zehn Jahren weiterentwickeln wollen.
Frau Heiner, Sie sind Mentoring-Referentin und Bildungsberaterin; durch Ihre Kontakte zu Studierenden haben Sie, was die Lehre angeht, stets den Finger am Puls. Bitte nehmen Sie uns mit auf eine Fahrt in der Berg- und Talbahn: Was läuft in der Lehre gut? Woran muss die Freie Universität arbeiten?
Cynthia Heiner: Die Freie Universität Berlin hat großartige Forscherinnen und Forscher, und viele von ihnen sind sehr daran interessiert, auch großartige Dozentinnen und Dozenten zu sein. Wir haben ein gutes Qualifizierungsprogramm, das Lehrenden ermöglicht, mehr über aktuelle, evidenzbasierte Pädagogik zu lernen, die sie anwenden können.
Zur Kehrseite der Medaille zählt, dass all diese engagierten Menschen sich Zeit nehmen, um besser zu lehren, was ihren Studierenden, deren Fachbereich und der Freien Universität – und letztlich der Gesellschaft insgesamt – zugutekommt, doch bleibt die Mühe weitgehend unbelohnt. Hier sollte die Freie Universität ansetzen: Sie trägt Verantwortung für die Ausbildung der nächsten Generation, und ohne die Studierenden gäbe es keine Universität.
Doch das Anreizsystem der Universität und die Förderstruktur von Institutionen wie der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder des Europäischen Forschungsrats vermitteln Lehrenden unter dem Strich die Botschaft, dass die Zeit, die sie für ihre Lehre aufwenden, der Forschung entzogen wird. Es entsteht vielfach der Eindruck, dass Forschung das Einzige ist, das wirklich zählt, und so wird die Lehre im schlimmsten Fall zu einer Belastung und in solch einem besten Fall zu einer Pflicht, die schnell erledigt werden sollte.
Erklärter Anspruch des angestoßenen Prozesses ist es, neben den bereits in der Lehre, in Gremien und in Arbeitsgruppen Engagierten die gesamte universitäre Öffentlichkeit in das Vorhaben einzubeziehen. Sie wollen die Expertise aller nutzen – von Studierenden, von wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, von Professorinnen und Professorinnen und von allen anderen Beschäftigten. Wie kann das gelingen?
Hauke Heekeren: An der Freien Universität gibt es schon jetzt eine Community an Mitstreiterinnen und Mitstreitern, denen Studium und Lehre am Herzen liegt und die sich Tag für Tag in verschiedenen Rollen und Kontexten für eine gute Lehr- und Lernkultur einsetzen. Für sie und alle anderen Interessierten wollen wir ein Gesprächsangebot und einen Raum für einen konstruktiven Austausch schaffen. Durch eine offene Einladung an alle Universitätsangehörigen und eine Kommunikationskampagne mit dem Fokus auf die hohe Bedeutsamkeit von Studium und Lehre für unsere Universität wollen wir sie erreichen und sie motivieren, an dem Prozess mitzuwirken.
Professorinnen und Professoren verbringen einen Großteil Ihrer Zeit mit Lehre. Warum sollten gerade sie zu dem Treffen kommen?
Hauke Heekeren: Im Leitbild- und Strategieprozess soll eine hochschulweite Vision entstehen, wie die Zukunft von Studium und Lehre an der Freien Universität aussehen soll. Die Hochschullehrenden können ihre ausgezeichnete Expertise und Erfahrung in der Lehre wie in der Forschung aus ihrem Fach heraus einbringen und, im intensiven Austausch mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Fachbereichen sowie mit allen anderen Akteurinnen und Akteuren, wichtige Inputs für die Weiterentwicklung von Studium und Lehre erbringen. Damit haben die Professorinnen und Professoren die Chance, zur Erarbeitung des Leitbilds Lehre sowie der Lehr- und Lernstrategie der Freien Universität beizutragen.
Wenn Sie es in einem Satz umreißen müssten: Was kann Lehre leisten?
Katja Reinecke: Lehre kann der zündende Funke für junge Menschen sein, sich kritisch und informiert – also wissenschaftlich – mit der Welt und den menschlichen Gestaltungsmöglichkeiten auseinanderzusetzen, aber auch mit den Problemen und der Verantwortung der Menschen.
Cynthia Heiner: Die Lehre kann die Neugierde und die Motivation freisetzen, mehr wissen zu wollen und neue Ideen zu entwickeln.
Fabian Krüger: Lehre kann das Leben eines Menschen grundlegend verändern und ihn bis an sein Lebensende prägen – im positiven Sinne wie im negativen.
Hauke Heekeren: Die Antwort auf diese Frage soll meines Erachtens genau eines der Ergebnisse des Prozesses sein, deshalb möchte ich hier nur eine allgemeine persönliche Einschätzung geben. Meiner Meinung nach kann die universitäre Lehre die wissenschaftsbasierte und lebenslang aufgestellte Bildung von Weltbürgerinnen und -bürgern leisten, die im öffentlichen und beruflichen Leben die Werte unserer Universität vertreten und Verantwortung in der Gesellschaft in ihren verschiedenen Rollen übernehmen.
Was läuft bei uns in der Lehre gut? Woran muss die Freie Universität arbeiten?
Hauke Heekeren: Auch diese Fragen sollen erst im Rahmen des Prozesses diskutiert und beantwortet werden: Wie können wir die Freie Universität für die Zukunft von Studium und Lehre fit machen? Wo sehen unsere Mitstreiterinnen und Mitstreiter das Potenzial für Pflege und Verstärkung des Bestehenden, wo für Innovation und Transformation? Ich greife den Ergebnissen des Prozesses nicht vor, wenn ich feststelle, dass an der Freien Universität ausgezeichnete Voraussetzungen bestehen, um uns für die nächste Dekade aufzustellen. Das zeigen nicht zuletzt die hohe Anzahl an Studienbewerberinnen und -bewerbern aus dem In- und Ausland sowie die neuesten Erfolge der Berlin University Alliance und des Netzwerkes UNA Europa zusammen mit unseren Partnerinstitutionen.
Katja Reinecke: Ich kenne viele sehr engagierte Lehrende und durfte schon in zahlreichen spannenden und gut strukturierten Lehrveranstaltungen hospitieren. Aber woran die Freie Universität auf jeden Fall arbeiten muss, ist die bisher fehlende Vernetzung. Vor allem junge Lehrende werden nach meiner Wahrnehmung zu sehr mit den komplexen Ansprüchen von Lehren, Beraten und Prüfen allein gelassen. Hochschullehre ist eine Gemeinschaftsaufgabe, und viele Herausforderungen müssen auf Ebene der Fächer oder Studiengänge angegangen werden.
Fabian Krüger: Ich kann hier natürlich nur von den Veranstaltungen sprechen, die ich besucht haben. Bei denen fand ich die fehlende Anwesenheitskontrolle ziemlich gut. Nicht, dass ich aus Faulheit nicht teilnehmen wollte, vielmehr finde ich, respektiert das die Diversität und die Eigenverantwortlichkeit der Studierenden.
Auch finde ich es sinnvoll, wenn Studierenden gegen Ende des Semesters Freiraum und Unterstützung gegeben und ihnen ermöglicht wird, sich weiter gemäß ihren Interessen in dem jeweiligen Modul mit dem Stoff auseinanderzusetzen. Leider ist das nicht die Regel in meinem Studiengang. Ironischerweise muss die Freie Universität an der Freiheit ihrer Studierenden im Studium arbeiten. Ich hatte oft das Gefühl, dass ich in meinem Studium nicht meinen Interessen nachgehen kann und stattdessen Module belegen musste, die ich für meine persönliche Lebensplanung nie wieder brauchen werde. Wieso sollten alle das Gleiche lernen? Ich denke, wir haben alle mehr davon, wenn wir die Diversität der Interessen nutzen und fördern.
Welche Etappen des Prozesses sind in diesem und im nächsten Jahr geplant?
Hauke Heekeren: Nach der Auftaktveranstaltung am 28. April 2020 werden sich im Sommersemester Arbeitsgruppen mit inhaltlichen Beiträgen für das Leitbild sowie für die Lehr- und Lernstrategie befassen. Ziel ist es, die Ergebnisse im Rahmen eines Wrap-up-Events noch im Sommer gemeinsam und universitätsweit zu diskutieren.
Der darauf aufbauende erste Entwurf wird im Wintersemester in einer Feedback-Kampagne zur Diskussion gestellt. Dadurch sollen erneut alle Universitätsangehörigen, Statusgruppen, Interessevertretungen an allen Standorten, Fachbereichen, Zentralinstituten und Zentraleinrichtungen unserer Universität erreicht werden. Anhand der gesammelten Rückmeldungen werden wir eine Beratung des Leitbilds Lehre in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung voraussichtlich noch im Wintersemester vorbereiten.
Was macht den Reiz dieses universitätsdiversen Kick-off-Events Ende April aus?
Hauke Heekeren: Offenheit, Transparenz und Partizipation sind die Leitmotive, die uns bei der Konzeption und Organisation der Veranstaltung geleitet haben. Wir laden alle interessierten Universitätsangehörigen ein, sich einzubringen und gemeinsam die Themen der darauffolgenden inhaltlichen Ausarbeitung für das Leitbild Lehre zu definieren.
Der Reiz ist für mich, gemeinsam mit vielen anderen Mitgliedern unserer wunderbaren Universität darüber ins Gespräch zu kommen, wie wir Studium und Lehre weiterentwickeln wollen. Ich bin gespannt und neugierig auf die Perspektiven und Ideen von Studierenden, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Kolleginnen und Kollegen; ich freue mich darauf, zuzuhören und gemeinsam zu diskutieren.
Bekommen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine Befreiung von Lehrveranstaltungen?
Hauke Heekeren: Der Prozess soll den regelmäßigen universitären Alltag begleiten, deshalb ist eine Befreiung nicht geplant. Wir bemühen uns, die zentralen Veranstaltungen familiengerecht zu organisieren, und ermutigen die Interessierten, mit ihren Dozierenden, Vorgesetzen oder Einrichtungen ins Gespräch darüber zu kommen, wie eine Teilnahme im Rahmen der aktuellen Regelungen ermöglicht werden kann.
Das Kick-off-Event steht allen offen. Warum halten Sie ein solches universitätsdiverses Treffen für wichtig?
Cynthia Heiner: Ich glaube fest an die Kommunikation. Die Menschen vergessen leicht, dass sie nur ihre Seite der Geschichte kennen und manchmal nur das sehen, was ihnen zugutekommt oder schadet, und sie verallgemeinern diese Eindrücke zu leicht. Ich war Studentin, aber das bedeutet nicht, dass meine Erfahrung die gleiche ist wie die meiner Studierenden.
In welcher Rolle wir uns befinden: ob als Studierende, Lehrende, Verwaltungsangestellte, Wissenschaftlerinnen, Wissenschaftler, technische Angestellte, Beschäftigte in Bibliotheken – wir alle haben unsere eigene Sicht und eine Verantwortlichkeit im Lehr- und Lernprozess an der Universität. Diese Veranstaltung ist eine echte Chance, das Lehren und Lernen hier zu beeinflussen.
Fabian Krüger: Ich denke, dass in der Diversität dieses Treffens das eigentlich Potenzial liegt. Nur so können wir gewährleisten, dass grundlegende Dinge nicht übersehen werden.
Ein kleines Beispiel: Ich hatte schon erlebt, dass höchst motivierte Dozierende einer anderen Universität mir ihr inzwischen voll umgesetztes Konzept vorgestellt haben und mich fragten, wie ich das als Student sehe. Mir fielen spontan zwei oder drei Punkte ein, bei denen sie nachbessern sollten. Etwas verwundert war ich dann aber, als sie auf meine Nachfrage hin sagten, dass ich der erste Student sei, den sie dazu befragten. Wenn mir, der ich nicht an deren Universität, geschweige denn das Fach studiere, sofort Fehler an einem wohlüberlegten Konzept auffallen, wie muss es dann den betroffenen Studierenden gehen?
Leider reicht Motivation allein oft nicht aus, wenn einem die Sichtweisen der Beteiligten fehlen. Deswegen bin ich gespannt, die anderen Perspektiven kennenzulernen, mit den Angehörigen der verschiedenen Statusgruppen zu diskutieren und meine Sicht darzulegen.
Katja Reinecke: Um-die-Ecke-Denken und neue, kreative Herangehensweisen für bekannte Situationen zu finden, passiert eher in einem gemischten, in einem die Statusgruppen-übergreifenden Setting.
Wieso sollten sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einbringen, die auf den ersten Blick nichts mit der Lehre zu tun haben und beispielsweise in der Verwaltung arbeiten? Wo liegt deren Expertise?
Cynthia Heiner: Das erste, was mir einfällt, sind die Leute aus der Verwaltung. Sie haben einen großen Einfluss auf formale Abläufe und ihre Tätigkeit beeinflusst damit indirekt den Lehr- und Lernprozess. Ich bin sicher, dass sie Vorschläge haben, wo Reibungsverluste abgebaut werden könnten.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler arbeiten mit Bachelor- und Masterstudierenden zusammen und engagieren sich oft ehrenamtlich in Informationsveranstaltungen, um junge Leute zum Studium ihres Fachgebiets zu inspirieren.
Angestellte aus Bibliotheken und Technik unterstützen Forschung in wesentlichem Umfang und damit auch alle Studierenden im Laufe ihres Studiums. Jede und jeder an der Universität ist ein Teil des Lehrens und Lernens.
Katja Reinecke: Ich habe einen kleinen Cartoon mit drei Bildern im Kopf. Auf jedem sieht man eine Figur in der gleichen Situation, sie behaut einen Stein. Aber in jedem Bild stellt sie sich etwas anderes in der Denkblase vor. In Bild 1 denkt sie „Ich behaue einen Stein.“ In Bild 2 sieht man ein gotisches Fenster, in das dieser Stein hineinkommt, und die Figur denkt „Ich arbeite an einem gotischen Fenster“. Im dritten Bild sieht man in der Denkblase den Kölner Dom; hier sagt die Figur: „Ich bin daran beteiligt, wie ein Dom erschaffen wird.“
Ich denke, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die selbst unterschiedlich nah an Wissenschaft und Lehre tätig sind, müssen für sich selbst beantworten, inwiefern sie sich mit Fragen der Lehre identifizieren. Ihre Expertise und ihre Sichtweisen sind für den Prozess aber auf jeden Fall sehr wichtig, weil natürlich viele ihrer Tätigkeiten – das Funktionieren oder Nicht-Funktionieren der komplexen Verwaltungsprozesse – direkte und große Auswirkungen auf Studium und Lehre haben.
Beim Kick-Off-Event werden im Idealfall die verschiedensten Sichtweisen zusammenkommen. Wie könnten die Ideen und Impulse in den weiteren Monaten einfließen?
Cynthia Heiner: Ehrlich gesagt, wird das wohl der schwierigste Teil sein – die Beteiligten danach bei der Stange zu halten. Aber wenn sie an etwas arbeiten, das sie wirklich verändern wollen, dann werden sie motiviert sein, es zu einem Ergebnis zu führen. Und es kann sehr bereichernd sein, mit anderen zusammenzuarbeiten, die sich für die gleiche Sache, das Lehren und Lernen, einsetzen. Dann können wir in Gruppen Bedenken und Vorschläge anderer hören und über sie diskutieren – alles eine Frage der Kommunikation.
Fabian Krüger: Am besten, indem die, die die Ideen hatten, am Ball bleiben und sich in Arbeitsgruppen engagieren. Ich glaube, auch die Dokumentation der verschiedenen Ideen ist wichtig.
Katja Reinecke: Der Strategieprozess ist im Idealfall kein isolierter Moment, sondern er ermuntert zu Diskussionen, die über einen längeren Zeitraum vertieft werden. Er ermutigt, neue Positionen zu entwickeln und bietet Raum, diese im Universitätsalltag einzubinden. Ich denke, das ist ein entscheidender Erfolgsfaktor: Nehmen die Beteiligten den ganzen Prozess wahr als Chance, gemeinsam auf reale Veränderungen hinzuwirken?
Hauke Heekeren: Nach dem inhaltlichen Austausch beim Kick-off-Event werden Arbeitsgruppen für verschiedene Themen gebildet, in denen inhaltliche Beiträge für das Leitbild sowie für die Lehr- und Lernstrategie ausgearbeitet werden. Die Bildung einer Arbeitsgruppe sowie die Mitwirkung an Arbeitsgruppen steht den Teilnehmenden am Prozess offen, damit ihre Perspektive und Ideen berücksichtig werden können.
Wenn Sie Ihre Rolle in dem Prozess durch eine Rolle oder einen Beruf verdeutlichen müssten – welche oder welcher wäre es – und wieso?
Katja Reinecke: Ich glaube, eine Art Coach: anfeuern, Strategien entwickeln, Stärken bei den Beteiligten wahrnehmen und unterstützen. Meine Aufgabe als Koordinatorin der Lehrqualifizierung sehe ich in einer Art „Empowerment“ für Lehre und Lehrende.
Cynthia Heiner: Nun, es ist nicht nur eine Rolle. Ich denke, dass ich, indem ich Teil des Prozesses bin, diesen auch lenken kann, also das wäre quasi eine Chefin. Gleichzeitig versuche ich, den Prozess effizient zu gestalten, und dann wäre ich eher eine Beraterin. Und dann muss jemand Textvorschläge für unser angestrebtes Leitbild schreiben oder die Sitzungsprotokolle schicken, und das ist wie eine Projektmitarbeiterin oder -leiterin.
Genau wie in meiner Position an der Universität übernehme ich viele Aufgaben in diesem Prozess – so wie wir alle. Das Zusammenbringen von Menschen in diesem Prozess kann deshalb eine echte Veränderung bewirken.
Hauke Heekeren: Als Vizepräsident für Studium und Lehre fühle ich mich für einen Prozess verantwortlich, der die Generation von Ideen und Inputs aus der Community von Studium und Lehre an der Freien Universität heraus ermöglicht. Eine andere Art, meine Rolle zu beschreiben, wäre „Facilitator“ beziehungsweise „Ermöglicher“.
Fabian Krüger: Es mag unkreativ klingen, aber ich bin da einfach nur ein Student. Das bedeutet, dass ich die Fähigkeiten, die ich in meinem Studium brauche, übertrage auf die Lehr- und Lernsituation an unserer Universität. Also probiere ich, einen Blick für das Detail zu gewinnen, zu hinterfragen, ob die gewählten Methoden wirklich geeignet sind, Probleme zu lösen und natürlich nach alternativen, besseren Lösungen zu suchen.
Am Ende des Prozesses soll ein von allen Angehörigen der Freien Universität entwickeltes „Leitbild Lehre“ stehen. Ohne, dass Sie der Entwicklung der kommenden Monate vorgreifen: Wie kann ein solches Leitbild im Universitätsalltag gelebt werden, was kann es entfachen?
Hauke Heekeren: Das Leitbild Lehre soll zum Ausdruck bringen, was wir als Freie Universität unter Studium und Lehre verstehen und worauf wir uns in den nächsten Jahren bei der Weiterentwicklung dieses Bereichs orientieren wollen.
Was macht gute Lehr- und Lernkultur aus? Was zeichnet das Lernen und Lehren an der Freien Universität aus? Wie sollen im Jahr 2030 Studium und Lehre an unserer Universität aussehen? Das Leitbild Lehre soll die Antwort unserer Community auf diese Fragen artikulieren und als Orientierungs- und Bezugspunkt etwa bei der Qualitätsentwicklung der Studiengänge, der Erprobung innovativer Lehrformate oder der Wertschätzung guter Lehre an unserer Universität dienen.
Cynthia Heiner: Das ist keine einfache Frage. Ich denke, wir sollten uns während der Entwicklung des Leitbilds gleichzeitig auch Beispiele dafür überlegen, wie es an der Freien Universität praktisch umgesetzt werden kann und wie es mit Leben erfüllt werden könnte. Ich freue mich noch stärker auf die Gestaltung des Leitbilds und die Beispiele dafür, was es an der Universität bedeuten könnte, als auf die Formulierung des eigentlichen Textes.
Fabian Krüger: Was dieses Dokument leisten soll, ist, den Kulturwandel, den wir im Prozess anstreben, in der Art zu untermauern, dass ein Zurückfallen in Stillstand nicht möglich ist. Ich denke, dass sich – wie sich auch Wissenschaft immer weiterentwickelt – auch die Lehre stets weiterentwickeln sollte.
Mit dem Prozess zur Erarbeitung eines neuen Leitbildes schaffen wir hoffentlich eine Kultur, in der Diskussionen über Lehrmethoden an der Tagesordnung sind und in der auch wieder experimentiert wird, wie Lehre anders aussehen könnte. Im Idealfall bleiben wir auch mit dem neuen Leitbild nicht stehen, sondern streben immer weiter nach neuer und besserer Lehre. Dafür muss auch der Dialog unter den Statusgruppen selbstverständlich und anhaltend sein. Ich denke dieses Leitbild kann den Ehrgeiz hervorrufen, der dafür nötig ist.
Katja Reinecke: Ich glaube, die Möglichkeiten sind vielfältig. Ein Anfang ist gemacht, wenn Lehrende und Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freien Universität wissen, dass es ein Leitbild gibt. Wenn sie sich in Diskussionen oder bei Entscheidungen – etwa wie eine bestimmte Frage der Lehre im Fach gelöst werden soll – darauf beziehen. Wenn sich generell eine Haltung einstellt: Wir lehren nicht irgendwie, sondern für unsere Lehre haben wir Ziele und Ansprüche formuliert.
Zu lehren ist eine hochprofessionelle, wissenschaftlich anspruchsvolle Tätigkeit, und wir arbeiten genauso auf hohe Standards hin wie in der Forschung.
Die Fragen stellte Carsten Wette
Weitere Informationen
Mitwirken
Im Rahmen des Prozesses „Zukunft Studium und Lehre gemeinsam gestalten“ können sich alle Angehörigen der Freien Universität in mehreren Etappen und Formaten einbringen. Jeder und jede kann aus seiner oder ihrer Perspektive Anregungen und Impulse geben, um Studium und Lehre an der Freien Universität fortzuentwickeln.
Kick-off
Offizieller Start des Vorhabens ist ein Kick-off-Event
Zeit und Ort
- 28. April von 14.00 bis ca. 17.30 Uhr
- Henry-Ford-Bau, Garystraße 35, 14195 Berlin (U-Bhf. Freie Universität/Thielplatz, U 3)
Hierzu sind alle Interessierten ganz herzlich willkommen, seien sie Hochschullehrende oder Studierende, wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder Kolleginnen und Kollegen in Laboren, Bibliotheken, zentraler oder dezentraler Verwaltung. Zur besseren Planung wird um eine formlose Anmeldung gebeten.
Bei dem Kick-off-Event tauschen sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer über wichtige Fragen für die Zukunft von Studium und Lehre an der Freien Universität Berlin aus und definieren Themen, die in den folgenden Wochen in offenen Arbeitsgruppen behandelt werden.
Einsteigen jederzeit
Eine Mitwirkung in den Arbeitsgruppen ist selbstverständlich auch Personen möglich, die am Kick-off-Event nicht teilgenommen haben. Umgekehrt steht es Personen auch frei, ihre Teilnahme auf das Kick-off-Treffen zu beschränken.
Wrap it up
Die Ergebnisse der Arbeitsgruppen werden in einem Wrap-up-Event öffentlich vorgestellt und diskutiert. Gelegenheit zu Rückmeldung, Kritik und weiteren Anregungen bietet im Wintersemester die daran anschließende Feedback-Kampagne, die die Universität in ihrer Breite betreffen wird.
Jede dieser Stationen steht allen Mitgliedern der Freien Universität offen. Auch eine Teilnahme ohne Deutschkenntnisse (mit Englischkenntnissen) ist möglich.
Im letzten Schritt wird das ausgearbeitete Konzept des Leitbilds Lehre in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung zur Diskussion und Beschlussfassung vorgelegt.
Informationen zum Prozess „Zukunft Studium und Lehre gemeinsam gestalten“ finden Sie hier.