Mit Ehrgeiz und Hartnäckigkeit zum großen Ziel
Die beiden Albanerinnen Megi Dauti und Megisjana Rami haben an der Freien Universität Berlin ihre Ausbildung zur Fachinformatikerin aufgenommen / In campus.leben erzählen sie ihre persönliche Geschichte
14.11.2019
Megisjana Rami (vorne) und Megi Dauti haben ihr großes Ziel erreicht: Sie werden an der Freien Universität Berlin zur Fachinformatikerin ausgebildet.
Bildquelle: Stefan Bavar
In Kamza in Albanien hat für Megi Dauti und Megisjana Rami alles angefangen. Dort haben sich die beiden jungen Frauen vor vier Jahren im Multifunktionszentrum ihrer Schule kennengelernt. Nach dem Schulabschluss haben sie gemeinsam einen großen Schritt gewagt: Sie sind für ihre Ausbildung nach Berlin gezogen. Hier leben sie seit Anfang August, seit dem 2. September werden sie an der Freien Universität zur Fachinformatikerin ausgebildet. Für campus.leben beschreiben die beiden den langen Weg, den sie bis dorthin gehen mussten.
„Vielleicht war es Glück, vielleicht war es Zufall, dass wir, Megi Dauti und Megisjana Rami, uns am 15. September 2015 getroffen haben. Als wir unseren Klassenkameraden in der „Shkolla Profesionale Kamez“, einer Schule mit IT-Schwerpunkt in Kamza, vorgestellt wurden, stellten wir erst einmal fest, dass mehr männliche Schüler als weibliche in der Klasse waren. Was kaum verwunderlich ist: Albanien ist nach wie vor ein Land, in dem noch immer vor allem Männer in der IT-Branche arbeiten. Sehr beeindruckt waren wir von dem sehr guten Zustand der PC-Labore, in denen wir unsere theoretischen Kenntnisse praktisch umsetzen konnten. Nach der Schule sind wir oft länger geblieben, um weiter zu lernen oder zusätzliche Kurse zu belegen.
Schüleraustausch nach Berlin
Als wir im zweiten Schuljahr von einem Schüleraustauschprojekt mit Berlin erfuhren, baten wir, uns anzuschließen zu dürfen. Der Schüleraustausch, der seit Herbst 2016 jedes Jahr stattfindet, ist eine Kooperation der GIZ (Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit), der Fachinformatik-Ausbildung der Freien Universität Berlin und des Berliner Oberstufenzentrums für Informations- und Medizintechnik (OSZ IMT). So kam es, dass im Februar 2017 in Albanien vier deutsche Schüler in Begleitung ihrer Gastschüler und wir beide, die Neugierigen, aufeinandertrafen. Dass dieser Austausch uns später die größte Ausbildungschance bieten würde, die wir uns je hätten vorstellen können, ahnten wir damals noch nicht.
Ich (Megi Dauti) war das erste Mädchen, das an dem Schüleraustausch teilgenommen hat. Mit mir reisten außerdem vier albanische Jungen nach Berlin. So überraschend es vielleicht klingt: Wir stellten erst einmal fest, dass sich in Deutschland nicht alles um die Arbeit dreht. Während der zwei Wochen des Austauschs wurden für uns verschiedene Aktivitäten organisiert, zum Beispiel ein Besuch im Sea Life Berlin und im Tierpark.
Zwei Wochen intensives Lernen
Am OSZ IMT erhielten wir verschiedene Projektthemen, die wir bearbeiten sollten. Unsere deutschen Austauschschüler unterstützten uns, wenn wir Hilfe brauchten. Meine fachliche Aufgabe war es, auf einem Raspberry Pi – das ist ein Kleinstrechner in der Größe einer Handfläche – mithilfe der PHP-Programmiersprache eine Webseite zu erstellen. Grundkenntnisse hierfür hatte ich zwar schon aus meiner Schule in Kamza, aber die PHP-Programmiersprache musste ich erst lernen. In den zwei Wochen in Berlin habe ich außerdem eine schwierige Netzwerkprüfung abgelegt, das CCNA-Zertifikat (Cisco Certified Network Associate). Und das, obwohl ich damals erst 17 Jahre alt war.
Als ich wieder in Albanien war, bot mir Herr Bavar an, der Fachinformatik-Ausbilder der Freien Universität Berlin, nach meinem Schulabschluss eine Ausbildung zur Fachinformatikerin an der Freien Universität zu beginnen. Natürlich habe ich sofort zugesagt, denn so eine lebensverändernde Gelegenheit bietet sich nicht so oft.
Im darauffolgenden Jahr reiste auch Megisjana nach Berlin
Von meinen guten Erfahrungen profitierte auch Megisjana: Sie schloss sich im darauffolgenden Jahr offiziell dem Schüleraustauschprojekt an. Im Februar 2018 kamen zunächst die deutschen Schüler zum Gegenbesuch nach Kamza und beteiligten sich an dem Projekt: Es ging darum, das Netzwerk der Schule in Kamza zu verbessern. Bei der gemeinsamen Arbeit lernten wir albanischen Schüler und die deutschen voneinander.
Im August 2018 reiste wieder eine Gruppe albanischer Schüler nach Berlin, diesmal war Megisjana dabei. Wieder ging es darum, Raspberry Pis für verschiedene Funktionen zu programmieren. Megisjanas Aufgabe war es, einen Sensor zu entwickeln, der Herzfrequenzen messen kann. Es war eine sehr interessante Erfahrung, aber auch eine große Herausforderung.
Interessante Erfahrung, große Herausforderung
Die Fahrt nach Berlin und der Austausch sind das Sahnehäubchen des Projekts. Sich einer anderen Kultur, einer neuen Stadt, neuen Regeln stellen zu müssen, ist eine große Herausforderung und erweitert den Horizont.
Die Vorstellung, dass wir vielleicht eines Tages in dieser Stadt leben und studieren würden, war aufregend. Um das möglich zu machen, mussten wir, zurück in Albanien, ziemlich viel auf einmal machen: Wir mussten alles dransetzen, unsere guten Noten zu behalten und besser Deutsch zu lernen. Wir mussten uns auf die Abschlussprüfungen vorbereiten und ein Visum für Deutschland beantragen. Dabei haben uns der Schuldirektor in Albanien und die Ausbildungskoordinatoren in Berlin sehr geholfen.
Erst Enttäuschung, dann große Freude
Als die Visums-Entscheidung zunächst negativ ausfiel, weil die Nachfrage nach der Fachinformatiker-Ausbildung in Deutschland zu hoch war, waren wir am Boden zerstört. Zum Glück durften wir uns noch einmal in der Botschaft vorstellen. In der Tasche hatten wir ein Dokument, in dem Herr Fahrenkrog-Petersen, der Ausbildungsleiter an der Freien Universität, bestätigte, dass zwei Ausbildungsplätze an der Freien Universität speziell für uns beide eingerichtet worden sind und wir niemandem den Platz wegnehmen.
Diesmal klappte alles: Aufgeregt und begeistert von der guten Nachricht konnten wir es kaum erwarten, unsere Tickets zu buchen. So kamen wir am 6. August 2019 wieder in Berlin an – diesmal aber nicht nur für zwei Wochen, sondern mit der Absicht, in einer der besten Städte Europas unsere Ausbildung zu absolvieren und zu arbeiten. Es erscheint uns noch immer unglaublich, dass unser großer Traum in Erfüllung geht.
Herzliche Aufnahme durch Auszubildende in Berlin
Am Flughafen wurden wir herzlich von der ehemaligen Auszubildenden Jennifer Preuß und einem Auszubildenden im dritten Lehrjahr, Anton Kaiser, empfangen. An die beiden geht ein besonderer Dank für alles!
Mit Jennifer Preuß wohnen wir inzwischen zusammen und nennen diese Wohnung jetzt seltsamerweise „Zuhause“. Nach und nach lernen wir unsere Nachbarschaft kennen, erkunden mit den öffentlichen Verkehrsmitteln die Stadt, erfahren, wie es ist, Berlinerin zu sein. Das ist alles viel Arbeit und auch anstrengend, aber wir machen das Stück für Stück.
Unser Appell: Wertschätzt die Möglichkeiten, die Ihr hier in Deutschland habt!
Wir wissen aber auch, dass die größten Herausforderungen uns noch bevorstehen: Wir müssen uns schnell an die Kultur, die Sprache, die Art und Weise, wie die Arbeit und die Schule funktionieren, gewöhnen. Das wird nicht leicht, aber wir werden das schaffen. Denn wie unsere Geschichte zeigt, mögen wir ja Herausforderungen!
Wenn es für deutsche Jugendliche oder junge Erwachsene ganz normal sein mag, eine Ausbildung aufzunehmen, und es sogar etwas absurd klingen mag, was wir hier schreiben, haben wir eine wichtige Nachricht für sie: Wertschätzt es! Wertschätzt, was Ihr habt, und nutzt es so gut wie möglich. An anderen Orten dieser Welt bieten sich solche Möglichkeiten nur selten."
Weitere Informationen
Bitte beachten Sie: Die Bewerbungsfrist für das nächste Ausbildungsjahr (Beginn: 1. September 2020) läuft noch bis 20. Dezember 2019.
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