Mit Europas Erfolgen werben
Unter der Überschrift „Under Pressure – Zur Zukunft der Europäischen Union“ diskutierte Politikwissenschaftlerin Tanja Börzel beim 10. Berliner Europa-Dialog mit einer Vertreterin der Europäischen Kommission, einer Aktivistin und einem Journalisten
25.02.2019
Die Liste der Probleme, Herausforderungen und Krisen, mit denen sich die Europäische Union dieser Tage befassen muss, ist ebenso lang wie allgemein bekannt. „Wie sollte die EU reagieren, was sollte sie tun, damit sie zukunftsfähig bleibt?“, fragte Tanja Börzel, Professorin an der Arbeitsstelle Europäische Integration, bei ihrer Begrüßung zum 10. Berliner Europa-Dialog im Henry-Ford-Bau der Freien Universität. Kein geringeres Thema als die Zukunft der EU diskutierten die Teilnehmenden am 12. Februar auf der Veranstaltung, die vom „Dokumentationszentrum Vereinte Nationen – Europäische Union“ in Kooperation mit dem Europäischen Informationszentrum Berlin sowie der Europa-Union Berlin organisiert worden war.
Von den Erfolgen berichten
„Die größte Herausforderung für die EU ist keine Verordnung, kein Paragraph und keine Richtlinie, sondern Kommunikation. Wir kommen bei den Menschen in der Union mit unserer Erzählung von einem positiven Europa nicht an“, sagte Laura Bethke von der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland. Und das, obwohl die Bürgerinnen und Bürger, exportierende Betriebe und reisefreudige Jugendliche täglich von den vielfältigen Errungenschaften der Gemeinschaft profitierten.
Laura Bethke ist in der Vertretung der Europäischen Kommission in Deutschland zuständig für die Strategische Beratung und Koordination, für Soziale Medien & Kampagnen. Ihrer Ansicht nach hat die EU ein Imageproblem, das durch bessere Vermarktung gelöst werden kann: Nicht nur Bürgerinnen und Bürger und Wirtschaftsvertreter, auch Politikerinnen und Politiker müssten regelmäßig von den Vorteilen der EU berichten.
Doch die Politiker transportierten oftmals eine andere Botschaft, entgegnete Benjamin Knight, der als britischer Journalist unter anderem für die Deutsche Welle arbeitet. Gerade Regierungspolitiker der CDU und SPD benutzten den Satz: „Wir brauchen eine europäische Lösung“ immer wieder als Ausrede, um die eigene Gestaltungsarmut zu verbergen: „Sie glauben nicht wirklich an Europa als Projekt."
Eine Frage der Werte?
Ganz anders Katja Sinko. Die stellvertretende Vorsitzende der Jungen Europäischen Bewegung betont das fortschrittliche, friedenssichernde Konzept hinter der EU als Überwindung eines nationalistischen Zeitalters. Nicht Stillstand, nicht Zögern sei angesichts des Erstarkens von Populisten geboten, sondern ein engerer Zusammenhalt des Kontinents durch einen Ausbau der EU. Wie dieser konkret zu gestalten ist? Die Union müsse stärker demokratisiert werden, forderte Sinko, beispielsweise, indem der Kommissionspräsident direkt gewählt werde. Und schließlich solle die EU auch sozial gerechter werden und finanzschwächere Mitgliedsländer unterstützen.
„Ich bin überrascht, dass eine Föderalistin ein so technokratisches Narrativ unterstützt“, warf Mikhail Zabotkin ein, der im Masterstudiengang Internationale Beziehungen an der Freien Universität studiert. „Das Problem besteht vielmehr darin, dass nicht alle Menschen, die in der EU leben, ihre liberalen Werte teilen“, analysierte er. Vielen seien auch nationale Identitäten und Gestaltungsräume wichtig, was bei der Migrationsfrage deutlich geworden sei. Zabotkin blieb daher skeptisch: Dass sich eine europäische Identität entwickele, sei wünschenswert, doch ein solcher Einstellungswandel dauere lange.
Um Menschen vom europäischen Projekt zu überzeugen, forderte Tanja Börzel in ihrem Schlusswort, sei es wichtig, das Gespräch zu suchen – insbesondere in der Zeit vor der Europawahl im Mai. Denn nicht für jeden seien die Vorteile der EU so direkt spürbar, wie beispielsweise für Studierende im Auslandsjahr mit einem Erasmus-Stipendium: „Es ist wichtig, über Europa zu diskutieren und zu streiten. Selbst die Menschen, die Europa ablehnen – das wissen wir aus der Forschung – identifizieren sich stärker mit der EU, wenn sie über sie reden.“