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Mit den Ohren sehen

Drei Informatikstudenten von der Freien Universität stellen auf einer Messe in Dubai von ihnen entwickelte Virtual-Reality-Produkte vor, über die sich Menschen – wie Fledermäuse – orientieren können

06.11.2018

Erfinder-Trio mit Maskottchen (v. l. n. r.): die Informatikstudenten Peter Sörries, Jan Batelka undThushan Satkunanathan von der Freien Universität.

Erfinder-Trio mit Maskottchen (v. l. n. r.): die Informatikstudenten Peter Sörries, Jan Batelka undThushan Satkunanathan von der Freien Universität.
Bildquelle: Anne-Sophie Schmidt

Fledermäuse nutzen nicht ihre Augen, sondern ihr Gehör, um sich im Raum zu orientieren. Sie senden Schallwellen aus, die von der Umgebung reflektiert werden. Mithilfe dieses Echos machen sie sich ein „Bild“ davon, wo sich Bäume, Höhlen oder Gebäude befinden. Ob es dunkel oder hell ist, spielt für ihre Orientierung keine Rolle. Drei Informatikstudenten der Freien Universität haben sich von Fledermäusen inspirieren lassen und ein Modell entwickelt, mit dem auch Menschen mit den Ohren sehen können.

In der Boom-Box ist ein Bewegungssensor eingebaut, der Entfernungen zu Objekten in der Umgebung misst. So können sich Menschen nur über das Gehör orientieren – wie Fledermäuse.

In der Boom-Box ist ein Bewegungssensor eingebaut, der Entfernungen zu Objekten in der Umgebung misst. So können sich Menschen nur über das Gehör orientieren – wie Fledermäuse.
Bildquelle: Jan Batelka

Vor einem Jahr, im Wintersemester 2017/18, belegten Jan Batelka, Thushan Satkunanathan und Peter Sörries ein Projektseminar, das bereits seit drei Jahren Studierende im Fach Informatik an der Freien Universität und im Fach Produktdesign der Kunsthochschule Weißensee zusammenbringt. Geleitet von Claudia Müller-Birn, Professorin für Human-Centered Computing am Institut für Informatik der Freien Universität, und Carola Zwick, Professorin für Produkt- und Interaktionsdesign in Weißensee, überlegten die Studierenden, wie Maschinen das Leben von Menschen verbessern könnten und entwickelten dafür Prototypen einer Mixed Reality. Eine solche Mischung zwischen digitaler und physischer Realität entsteht zum Beispiel durch sogenannte Virtual-Reality-Brillen: Sie lassen eine simulierte Realität vor dem Auge erscheinen. VR-Brillen gebe es seit 2016 auf dem Markt, so Jan Batelka, „90 Prozent der Anwendungen dieser neuen Technologie werden aber für die Militär- und Unterhaltungsindustrie entwickelt. Dabei könnte man damit so viel mehr machen.“

Die „Boom-Box“ erinnert an einen Ghettoblaster

Zum Beispiel ein Gerät, das jeden beliebigen Ort in eine begehbare Installation verwandelt, sodass man sich nur über das Gehör orientieren könnte – wie Fledermäuse. Dafür entwickelte der Produktdesigner Peter Sörries einen kleinen, knallgelben Kasten mit Henkel, der an einen Ghettoblaster erinnert. „Boom-Box“ nennen die drei den physischen Prototypen deshalb scherzhaft. In der Boom-Box ist ein Bewegungssensor eingebaut, der Entfernungen zu Objekten in der Umgebung misst. Ein Frequenzton gibt die Entfernung an: Je näher man auf das Objekt zugeht, desto öfter wiederholt sich der Ton, ähnlich der digitalen Einparkhilfe eines Autos. „Blindenstock für das digitale Zeitalter“ nennt Jan Batelka die Erfindung auch.

Zweite Erfindung: VR-Brille, die mithilfe des zurückgestrahlten Schalls ein Bild der Umgebung erstellt

Gegenstände strahlen Schall unterschiedlich stark zurück, je nachdem, aus welchem Material sie sind und wie weit vom Messgerät entfernt sie sich befinden. Diesen Effekt haben sich die drei Studenten für ihre zweite Erfindung zunutze gemacht: Eine VR-Brille, die mithilfe des zurückgestrahlten Schalls ein Bild der Umgebung erstellt. Bei der Fledermaus entsteht das Bild im Gehirn, der virtuelle Prototyp projiziert es auf eine Brille.

Einmal in der Woche hätten sie sich getroffen, sagt Thushan Satkunanathan, die Zusammenarbeit sei „sehr organisch“ gewesen. Gemeinsam mit Jan Batelka war er für die Programmierung der Prototypen zuständig. Jeder habe seine Stärken in das Projekt einbringen können. „Gerade die interdisziplinäre Arbeit war bereichernd. Dadurch, dass wir im Laufe des Semesters sehr viele Prototypen entwickelt haben, war es ein kontinuierlicher Lernprozess.“

Kurator einer Messe für studentisches Produktdesign in Dubai wurde auf die Studenten aufmerksam

Peter Sörries, der Produktdesigner, hat die Entwicklungsschritte und Testläufe mit Vorgängermodellen auf einem Blog dokumentiert. „Das Material war so toll, das wollte ich nicht versauern lassen“, sagt er. Nach Abschluss des Seminars reichte er den Blog bei einem Online-Design-Magazin ein. Dadurch wurde der Kurator einer Messe für studentisches Produktdesign in Dubai auf das Projekt aufmerksam – und lud die drei Studenten ein, ihre Prototypen im November bei der Dubai Design Week zu präsentieren. Unterstützung für Material- und Reisekosten erhalten sie von Profund Innovation und der Ernst-Reuter-Gesellschaft der Freunde, Förderer und Ehemaligen der Freien Universität. Wie ist es, eine Fledermaus zu sein? Besucherinnen und Besucher der Designmesse dürfen es erleben.

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