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Programmieren kinderleicht

Die Freie Universität wird Knotenpunkt für Medienkompetenz in Grundschulen

26.04.2018

„Grundschülerinnen und -schüler sollen von Anfang an Programmieren lernen, nicht um Programmierer zu werden, sondern um die eigene Welt künftig mitzugestalten“, sagt Petra Anders.

„Grundschülerinnen und -schüler sollen von Anfang an Programmieren lernen, nicht um Programmierer zu werden, sondern um die eigene Welt künftig mitzugestalten“, sagt Petra Anders.
Bildquelle: Kelly SikkemaUnsplash

Fünf Open Roberta Coding Hubs hat die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie zusammen mit dem Fraunhofer-Institut für Intelligente Analyse- und Informationssysteme (IAIS) und der Google Zukunftswerkstatt kürzlich an außerschulischen Lernorten in Berlin eröffnet. Die Grundschulpädagogikprofessorinnen der Freien Universität Petra Anders und Hilde Köster konnten eines dieser Programmier-Zentren für die Hochschule im Berliner Südwesten einwerben. Campus.leben sprach mit Petra Anders über die Möglichkeiten und Ziele sowohl für Schulen als auch für die Lehrkräftebildung.

Frau Professorin Anders, worum handelt es sich bei dem Open Roberta Coding Hub?

Petra Anders: Hub heißt übersetzt Knotenpunkt. Es ist also eine Vernetzungsmöglichkeit. Dadurch sind wir mit den anderen Coding Hubs in Berlin und ganz Deutschland sowie mit dem Fraunhofer-Institut vernetzt. Für unseren Standort haben wir eine digitale Lernwerkstatt eingerichtet. Dort lernen Studierende die Programmierumgebung Open Roberta kennen. Damit können sie Calliope und Roboter programmieren. Calliope ist ein Mini-Computer – eine kinderhandtellergroße Platine –, mit dem Schülerinnen und Schüler an die Grundzüge des Programmierens herangeführt werden sollen. Die kindgerechte grafische Programmiersprache dazu heißt Open Roberta; „open“, weil sie als Open Source frei verfügbar ist. Mit den Grundschulen, die das Programm verwenden, sind wir ebenfalls über den Coding Hub vernetzt.

Was ist das Ziel des Coding Hubs an der Freien Universität?

Für uns ist Medienkompetenz in der Lehrkräftebildung sehr wichtig. Im Coding Hub lernen die Studierenden grundschulspezifische digitale Medien kennen, mit denen sie beispielsweise im Praxissemester oder später als Lehrerinnen und Lehrer – als zertifizierte Roberta Teacher – in den Grundschulen arbeiten können. Sie werden sozusagen Digital-Botschafter an den Schulen.

Zusätzlich machen wir die Begleitforschung zu den Open Roberta Coding Hubs. Wir schauen uns also an, wie die Berliner Lehrkräfte als Open Roberta Teacher ausgebildet werden, ob die Umsetzung in den Schulen funktioniert und wie nachhaltig das Projekt ist.

Petra Anders ist Professorin für Grundschulpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie.

Petra Anders ist Professorin für Grundschulpädagogik am Fachbereich Erziehungswissenschaft und Psychologie.
Bildquelle: Peter Rigaud Photography Gmbh

Mit Calliope sollen ja bereits Grundschülerinnen und -schüler Programmieren lernen. Was genau können sie damit machen?

Die Kinder können bestimmte Aktionen programmieren, etwa eine Leuchtschrift entwickeln oder Roboter dazu bringen, sich zu bewegen und zu sprechen. Sie werden spielerisch an algorithmisches Denken herangeführt.

Jede Coding Hub-Einrichtung kann einen individuellen Schwerpunkt setzen. Wir konzentrieren uns auf die didaktische Einbindung des Programmierens im Deutsch- und Sachunterricht. Im Bereich Grundschulpädagogik für das Fach Deutsch arbeite ich mit den Studierenden schon lange am digitalen Geschichtenerzählen. Schülerinnen und Schüler programmieren also kleine Geschichten mit einer Software und erzählen sie so digital und multimedial. Sie können eigene Bilder und Töne einbinden oder eine Buchpräsentation multimedial gestalten. Wir entdecken gemeinsam, welche Potenziale eine solche erweiterte Schreibumgebung hat. Es geht ferner darum, eigene Imaginationsprozesse auch im Digitalen anzuregen und abzubilden und so neue Kulturen des Erzählens und Präsentierens kennenzulernen.

Es ist für mich besonders erstaunlich und reizvoll, dass auch Interpretationsprozesse zu literarischen Texten im Umgang mit Robotern sichtbar werden. Außerdem schließt sich an das Programmieren auch klassische Textarbeit des Deutschunterrichts an: Die Schüler verfassen eine Vorgangs- oder Gegenstandsbeschreibung dessen, was sie programmiert haben oder kommentieren und beurteilen andere Projekte schriftlich.

Ein positiver Nebeneffekt ist die Sprachförderung. Richtig zu schreiben ist wichtig, denn der Computer versteht nur korrekte Befehle. So lernen die Schülerinnen und Schüler zum einen algorithmisches Denken – wie versteht mich ein Computer eigentlich? Gleichzeitig üben sie aber auch ihre Sprachfertigkeit, denn sie müssen sich korrekt ausdrücken, weil die Befehle sonst schiefgehen.

Lernen die Studierenden nur bestimmte Programme oder können sie auch selbst kreativ tätig werden?

Kreatives Arbeiten ist ein Grundsatz des Programmierens. Wenn Studierende den Einstieg in die Programmiersprache erhalten haben, sind sie inhaltlich komplett frei bei der Ausgestaltung von Projekten. Sie arbeiten an Märchenstoffen, an der Umsetzung von multimedialen Gedichten und entwickeln verschiedene Möglichkeiten, selbst Schülerinnen und Schüler im Programmieren anzuleiten.

Wir werden auch Materialien entwickeln, die dann als Open Educational Ressource (OER) funktionieren sollen. Die Medienkompetenz der angehenden Lehrkräfte wird gefördert, indem sie beruflich relevante Kulturen des Teilens in der digital geprägten Welt kennenlernen und ihre entwickelten Materialien anderen zur Verfügung stellen. Außerdem überlegen wir gemeinsam mit den Studierenden, welche Potenziale diese neue Medienumgebung für die Grundschule haben kann. Wir wollen, dass Grundschülerinnen und -schüler von Anfang an Programmieren lernen, nicht um Programmierer zu werden, sondern um die eigene Welt künftig mitzugestalten. Es geht also um Teilhabe und Partizipation.

Die Fragen stellte Marina Kosmalla.

Weitere Informationen

Die Eröffnung der fünf Open Roberta Hubs in Berlin – neben der Freien Universität Berlin auch an den Einrichtungen Life e.V., Stadtbibliothek Pankow, Medienzentrum Pankow, Junge Tüftler gGmbH – ist ein weiterer Schritt des Leitprojekts Calliope – Open Roberta im Rahmen des eEducation Berlin Masterplans. Gestartet wurde Calliope im Mai 2017 von der Senatsverwaltung Berlin gemeinsam mit dem Fraunhofer IAIS, der Calliope gGmbH und der Google Zukunftswerkstatt. Schirmherrin des Projekts ist Bildungssenatorin Sandra Scheeres.

Die Open-Source-Programmierplattform Open Roberta Lab wird seit 2014 als Teil der Initiative „Roberta – Lernen mit Robotern“ am Fraunhofer IAIS entwickelt.