Damit’s nach Plan läuft
6. bis 8. September: Internationale Konferenz zu Operations Research – das Forum der Optimierer
31.08.2017
Wenn bei einem Verkehrsunternehmen ein neuer Fahrplan erstellt werden soll, gibt es vieles zu beachten: Wie viel Zeit muss für welchen Halt eingeplant werden? Werden Anschlussverbindungen erreicht? Welcher Takt ist sinnvoll? Um diese Fragen zu beantworten, ist eine effiziente Einsatzplanung nötig. Operations Research ist der Name des interdisziplinären Forschungsfachs, das sich mit solchen Aufgaben befasst. Vom 6. bis 8. September findet im Henry-Ford-Bau der Freien Universität eine große Konferenz zu diesem Thema statt, die „International Conference on Operations Research“. Campus.leben sprach mit den Organisatoren: der Wirtschaftsinformatikprofessorin Natalia Kliewer und dem Mathematikprofessor Ralf Borndörfer von der Freien Universität.
Frau Professorin Kliewer, Herr Professor Borndörfer, was ist eigentlich Operations Research?
Kliewer: Eine exakte Übersetzung gibt es im Deutschen nicht, am zutreffendsten wäre Ablauf- und Planungsforschung. Operations Research oder kurz OR ist ein interdisziplinärer Forschungsbereich am Schnittpunkt von (Wirtschafts-)Informatik, Mathematik, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften. Es geht vor allem darum, herauszufinden, wie man mit gegebenen Ressourcen bestmögliche Ergebnisse erreicht und Abläufe verbessert. Wie bei vielen anderen Innovationen kamen die Ideen dazu ursprünglich aus dem militärischen Bereich, daher kommt auch der Begriff „Operations“ im Ausdruck. Heute wird auch der Begriff „Decision Analytics“ synonym verwendet.
Borndörfer: Die Informatik liefert dabei die Computerprogramme, die in der Lage sind, die Vorgänge zu steuern und zu berechnen. Aus der Mathematik kommen die Algorithmen für diese Berechnungen. Die Felder und Anwendungsbereiche, in denen die Ablaufplanung benötigt wird, und die Analysen der Prozesse tragen schließlich die Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften bei.
Wo wird Operations Research eingesetzt?
Kliewer: Klassische Anwendungsgebiete sind Transport, Verkehr und Logistik. Es tun sich aber immer neue Einsatzgebiete auf, aktuell beispielsweise in der Medizin. Dort geht es etwa darum, große Geräte möglichst effizient einzusetzen, also möglichst wenige Zeiten zu haben, in denen sie nicht genutzt werden. Hier lassen sich Ideen, die im Transport entwickelt worden sind, um Leerfahrten zu verringern, übertragen.
Warum wird Operations Research auffällig oft im Verkehrswesen eingesetzt?
Borndörfer: In diesem Bereich hat man zuerst den Nutzen solcher Rechnungen entdeckt. Am Anfang waren es Eisenbahnen und Fluggesellschaften, aber auch andere logistische Dienstleister. Im Verkehr muss man planen, sonst fließt er nicht. Es geht um Fahrpläne, Ablaufpläne, Personaleinsatzpläne. Da wird eine komplexe Organisationsstruktur benötigt, die wie geschaffen ist für OR. Deswegen gibt es in diesem Bereich viele Leute, die sich schon immer mit solchen Themen beschäftigt haben. Es klingt vielleicht überraschend, aber der Verkehr ist in gewisser Weise ein Vorreiter der Digital Economy.
Kliewer: Die Berechnungen im Transportwesen sind so komplex, dass ein Mensch sie niemals leisten könnte, das geht nur mit Hochleistungscomputern. Die Aufgabe von Menschen dabei ist es, ein passendes Modell aufzustellen. Es geht auch viel um subjektive Aspekte: Wollen wir Geld sparen, die Qualität verbessern oder die Mitarbeiterzufriedenheit erhöhen? Alles auf einmal ist selten möglich, wenn man einen Faktor verbessern will, muss man Verschlechterungen an anderer Stelle hinnehmen. Da gilt es abzuwägen, und da gibt es unterschiedliche Gewichtungen: Bei einer Operation im Krankenhaus setzt man andere Prioritäten als bei einem Eisenbahn-Fahrplan.
Welche Herausforderungen stellen sich für den Bereich Operations Research aktuell?
Kliewer: Eine Herausforderung ist die Kombinatorik. Heute sind Algorithmen Teil des Systems, das sie steuern. Wir schauen uns also nicht nur im Nachhinein Daten an, sondern haben Systeme, die im laufenden Prozess aus den Daten lernen und auf dieser Grundlage Entscheidungen treffen.
Wie sieht die Forschung zu Operations Research derzeit an der Freien Universität aus?
Kliewer: Wir kooperieren in verschiedenen Projekten mit der Praxis. Mit der Deutschen Bahn schauen wir uns beispielsweise Verspätungen an und arbeiten an Verfahren, wie man den Fahrplan robuster und damit pünktlicher machen kann. Dazu gehören umfangreiche Daten, denn alle Zugfahrten werden protokolliert. In diesen Daten suchen wir mit Data Mining-Methoden nach systematischen Abweichungen, die verhindert werden könnten. Dafür müssten Fahrzeiten angepasst und Anschlüsse neu justiert werden. Die Fülle und die komplexen Zusammenhänge dieser Entscheidungen bilden eine hochkomplexe mathematische Optimierungsaufgabe. Neben der Bahn-Forschung arbeiten wir noch in anderen Bereichen von Transport und Verkehr. In einem aktuellen Projekt entwickeln wir Ansätze für Elektromobilität im öffentlichen Verkehr – es geht dabei etwa darum, wie Städte flächendeckend mit Ladeinfrastruktur für Elektro-Busse versorgt werden können.
Was erwartet die Konferenzteilnehmerinnen und -teilnehmer?
Kliewer: Den Eröffnungsvortrag über grüne Logistik hält Richard Eglese von der Lancaster University. Die Konferenz schließen wird Andrea Lodi von der École polytechnique de Montréal mit einem Vortrag über künstliche Intelligenz. Darüber hinaus haben wir mehr als 20 thematische Streams, also parallele Vortragsreihen, in 26 Räumen mit mehr als 600 Vorträgen. Wir haben führende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus dem Bereich eingeladen, aber auch Vertreterinnen und Vertreter aus der Praxis. Das Rahmenprogramm bietet zudem Besuche bei Berliner Unternehmen an und für jüngere Teilnehmer einen „Hackathon“, bei dem Software als Lösung für harte Probleme entwickelt werden soll.
Borndörfer: Es ist insgesamt eine sehr große Konferenz, mehr als 80 Helfer werden im Einsatz sein. Die Planung war ein enormer Aufwand, bei der wir natürlich auch auf Operations Research gesetzt haben!
Die Fragen stellte Manuel Krane