Wandel erzählen und gestalten
Das Symposium „Education for Change“ an der Freien Universität hat sich mit der Verbindung von Menschenrechtsbildung und historischem Lernen befasst
21.11.2016
Martin Lücke (2.v.r.) und Lea Fenner (4.v.l.) haben das Symposium „Education for Change“ ins Leben gerufen.
Bildquelle: Manuel Krane
Steven Stegers (li.) vom europäischen Geschichtslehrerverband „Euroclio“ und Monika Mazur-Rafal (re.) von „Humanity in Action“ diskutierten mit Moderatorin Felisa Tibbits (Mitte) über die Verbindung von historischem Lernen und Menschenrechten.
Bildquelle: Manuel Krane
„Im klassischen Geschichtsunterricht sind Menschenrechte ein Thema unter vielen, aber kein wirklich prominentes“, sagte Martin Lücke, Professor für Geschichtsdidaktik am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität. Über mehrere Jahre hat er gemeinsam mit Kolleginnen an einem Handbuch gearbeitet mit praktischen Hinweisen dazu, wie sich Menschenrechtsbildung mit historischem Lernen verbinden lässt. Im Rahmen eines Symposiums an der Freien Universität diskutierte er mit Kolleginnen und Kollegen aus ganz Europa, den USA, Australien und dem Irak über die Chancen, diesen Bildungsansatz im Geschichtsunterricht stärker zu berücksichtigen.
„Schüler sind es aus dem Geschichtsunterricht gewohnt, Wandel zu beschreiben, aber es geht dabei zuerst um Wandel in der Vergangenheit, nicht in der Gegenwart“, sagte Martin Lücke, „Menschenrechtsbildung will hingegen Wandel in der Gegenwart.“ Beim Erzählen von Wandel gäbe es durchaus Schnittmengen zwischen aktuellem Geschichtsunterricht und Menschenrechtsbildung. „Die könnte man nutzen“, erklärte Lücke. Dabei ist er sich bewusst, dass sein Ansatz ein normativer ist. „Unsere Idee ist für Schulen vielleicht eine Provokation. Menschenrechtsbildung hat eine emanzipatorisch-kritische Zielsetzung – historisches Lernen tut häufig so als hätte es die nicht.“ Dabei sei auch heutiger Geschichtsunterricht keineswegs wertfrei. „Wir geben aber manchmal unsere Verantwortung für die politisch-normative Dimension des Geschichtsunterrichts an der Garderobe ab“, sagt Lücke. Es sei aber beispielsweise möglich, historische Begebenheiten viel öfter auf die Frage nach der Rolle von Menschenrechten hin zu untersuchen. Das passiert im Moment aber fast immer nur dann, wenn ein historisches Ereignis besprochen wird, bei dem Menschenrechte explizit formuliert worden sind – etwa bei der Französischen Revolution oder der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Dabei ließen sich, so Lücke, viel mehr Themen mit Menschenrechten in Verbindung bringen.
Auf dem Symposium diskutierte der Vorsitzendes des europäischen Geschichtslehrerverbandes „Euroclio“ Steven Stegers mit der polnischen Präsidentin der Menschenrechtsorganisation „Humanity in Action“ Monika Mazur-Rafal. „Auseinandersetzung mit der Vergangenheit ist nie wertfrei“, sagte Stegers, stimmte aber Mazur-Rafal zu, dass Menschenrechte nicht verhandelbar seien. Auch wenn es natürlich historische Fakten gäbe, die man nicht ignorieren könne, solle die Meinungsbildung den Schülern selbst überlassen werden. „Es geht um den Spagat, Verbrechen der Vergangenheit zu benennen, ohne zukünftige Generationen mit Hass oder Schuldgefühlen auszustatten“, sagte Stegers. Darum sei es wichtig, ein nicht nur negatives Bild von der Vergangenheit zu schaffen, was nicht immer einfach sei. Ein Beispiel seien bosnische Schulbücher, die die Jugoslawienkriege behandeln: „Es ist durchaus kompliziert, einen 20 Jahre alten Konflikt, den viele Lehrer noch aktiv miterlebt haben, historisch korrekt in einem Buch darzustellen, ohne dass es Widerspruch gibt.“
Martin Lücke hat gemeinsam mit seinen Kolleginnen Felisa Tibbitts von den „Human Rights Education Associates“ (HREA) sowie Else Engel und Lea Fenner von der Menschenrechtsinitiative „right now“ das Buch „CHANGE – Handbook for History Learning and Human Rights Education in Formal, Non-Formal and Higher Education“ herausgegeben, das konkrete Vorschläge für die Gestaltung von Geschichtsunterricht und außerschulischer historischer Bildung in Verbindung mit Menschenrechtsbildung gibt. Das Handbuch wurde gemeinsam vorgestellt mit dem zeitgleich erschienenen Buch „Crossing Borders. Combining Human Rights Education and History Education“ von Claudia Lenz, Sanna Brattland und Lise Kvande. Dieses stärker theoretisch orientierte Buch entwickelt Ideen, wie historisches Lernen und Menschenrechte verbunden werden können.