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„Wertvolle Erkenntnisse gehen für immer verloren“

29. Oktober: Tagung „Jenseits von Palmyra“ über den Umgang mit Kulturgüterschutz in der universitären Lehre

24.10.2016

Syrisches Weltkulturerbe: Das Foto der antiken Oasenstadt Palmyra stammt aus dem Jahr 2008 und zeigt sie vor der Zerstörung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat".

Syrisches Weltkulturerbe: Das Foto der antiken Oasenstadt Palmyra stammt aus dem Jahr 2008 und zeigt sie vor der Zerstörung durch die Terrormiliz „Islamischer Staat".
Bildquelle: James Gordon from Los Angeles, California, USA / Wikimedia / CC BY 2.0

Christiane Ochs: Archäologiestudentin an der Freien Universität Berlin und stellvertretende DASV-Vorsitzende.

Christiane Ochs: Archäologiestudentin an der Freien Universität Berlin und stellvertretende DASV-Vorsitzende.
Bildquelle: Privat

Die Sprengung des Weltkulturerbes von Palmyra durch den sogenannten Islamischen Staat hat im vergangenen Jahr für große Aufregung gesorgt. Doch nicht nur in Syrien werden Kulturgüter zerstört, jedes Jahr gehen auch in Europa zahlreiche Funde unwiderruflich verloren. Aufsehen erregte vor zwei Jahren etwa der „Barbarenschatz von Rülzheim“: Damals hatte ein junger Sammler einen spätrömischen Hort entdeckt, diesen aber erst Monate später, nachdem die Polizei auf ihn aufmerksam geworden war, der Denkmalbehörde zur Verfügung gestellt und so die wissenschaftliche Aufbereitung des Fundortes nahezu unmöglich gemacht. Der Dachverband Archäologischer Studierendenvertretungen (DASV) will für den Schutz von Kulturgütern sensibilisieren und diesen stärker in der universitären Lehre verankern. Am 29. Oktober veranstaltet der DASV an der Freien Universität eine Tagung zum Thema „Jenseits von Palmyra – Kulturgüterschutz in der Lehre“. Campus.leben sprach mit der Archäologie-Studentin und stellvertretenden DASV-Vorsitzenden Christiane Ochs.

Frau Ochs, warum setzen Sie sich für den Schutz von Kulturgütern ein?

Ganz salopp könnte man sagen: Ohne Objekte keine Forschung. Aus archäologischer Sicht ist es nicht nur wichtig, Artefakte als Forschungsgegenstände zur Verfügung zu haben, sondern vor allem als allgemeines Kulturgut langfristig für die Nachwelt zu erhalten. Der fachgerechte Umgang mit Kulturgütern ist wichtig und will gelernt sein. Die Zerstörung von Palmyra hat eine Öffentlichkeit für das Thema geschaffen. Dass es auch in Europa zahlreiche Probleme gibt, beispielsweise im Bereich des „Raubgräbertums“, wird weniger beachtet. So gibt es Privatleute in Deutschland, die mit Sonden losziehen und auf eigene Faust graben. Wichtig ist aber, dass man sich an Regeln hält und mit dem Landesdenkmalamt kooperiert. Manchmal ist den Leuten gar nicht klar, dass solche Grabungen Straftaten sind. Auch Archäologen brauchen eine Genehmigung vom Landesdenkmalamt, um bestimmte Flächen mit Sonden abzugehen.

Welche Probleme entstehen durch unangemeldete Grabungen von Privatleuten?

Einigen Sondengängern geht es nur um die Fundobjekte, die auf dem Markt einen enormen Wert haben können. Archäologisch und damit wissenschaftlich interessanter sind allerdings meistens die Begebenheiten des Fundortes, durch die sich viele wichtige Informationen gewinnen lassen. Wer unprofessionelle Hobby-Grabungen unternimmt, zerstört die Fundorte in ihrer ursprünglichen Form – dadurch gehen wissenschaftlich wertvolle Erkenntnisse verloren. So war es auch beim „Barbarenschatz von Rülzheim“. Wir müssen ein Problembewusstsein schaffen, damit sich solche Fälle nicht wiederholen.

Sie setzen sich für die bessere Behandlung des Themas Kulturgüterschutz in der Lehre ein – was könnte hier Ihrer Ansicht nach besser laufen?

Wichtig wäre zum Beispiel eine enge Zusammenarbeit der Universitäten mit den Landesdenkmalämtern und archäologischen Instituten, wie in Berlin beispielsweise dem Deutschen Archäologischen Institut, um die Studierenden für das Problem zu sensibilisieren. Deshalb haben wir Anfang des Jahres einen offenen Brief verfasst, in dem wir unsere Forderungen dargelegt haben. Wenn wir bei Archäologiestudierenden ein stärkeres Problembewusstsein schaffen, kann dies, so unsere Hoffnung, auch breiter in die Gesellschaft hineinwirken.

Was kann Ihrer Meinung nach konkret getan werden?

Oft fängt es schon mit juristischen Fragen an – das Denkmalschutzgesetz unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Archäologiestudierende sollten die entsprechenden Gesetze kennen und wissen, wie diese anzuwenden sind, auch wenn sie keine Juristen sind.

Natürlich ist uns bewusst, dass Studienordnungen und Modulhandbücher nicht einfach geändert werden können. Viele Studiengänge sind schon sehr kompakt, da kann nicht mal schnell ein weiteres Modul hinzugefügt werden. Wir würden uns aber schon freuen, wenn es Kolloquien zu dem Thema Kulturgüterschutz gäbe oder innerhalb eines Kolloquiums das Thema Gegenstand einzelner Sitzungen wäre.

Was erwartet die Besucher Ihrer Tagung?

Der Anwalt und Archäologe Till Kemper wird eine Einführung in die Rechtsgrundlagen geben und Karin Wagner vom Landesdenkmalamt Berlin einen Überblick über die Umsetzung der Gesetze im Arbeitsalltag. Im zweiten Block unserer Tagung werden zwei Studiengänge vorgestellt: Cultural Heritage Management und Grabungstechnik. Wir möchten einen Blick über den archäologischen Tellerrand werfen und betrachten, wie das Thema Kulturgüterschutz in verwandten Disziplinen behandelt wird. Die letzten vier Vorträge werden von Dozentinnen und Dozenten der Universitäten Jena, Marburg, Hamburg und Kiel gehalten, die einen Einblick in den Umgang mit dem Thema an ihren Universitäten geben werden. Bevor es in die Abschlussdiskussion geht, werden zwei Kommilitonen über Antiken auf Berliner Flohmärkten berichten, die sie zusammen mit dem Landeskriminalamt sicherstellen konnten.

Die Fragen stellte Manuel Krane.

Weitere Informationen

Tagung „Jenseits von Palmyra - Kulturgüterschutz in der Lehre“

  • 29. Oktober 2016 von 10 bis 18 Uhr
  • TOPOI-Haus, Hittorfstraße 18, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, U 3)

Der Eintritt ist frei, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

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