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Fliegen lernen

25. Mai, 18 Uhr: Antrittsvorlesung der österreichischen Schriftstellerin und Künstlerin Teresa Präauer, Samuel-Fischer-Gastprofessorin für Literatur am Peter-Szondi-Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

19.05.2016

Die österreichische Autorin Teresa Präauer bietet in diesem Sommersemester ein Seminar zum Thema »Poetische Ornithologie – zum Flugwesen in der Literatur« an. Ihre Antrittsvorlesung am 25. Mai hat den Titel »Tier werden«.

Die österreichische Autorin Teresa Präauer bietet in diesem Sommersemester ein Seminar zum Thema »Poetische Ornithologie – zum Flugwesen in der Literatur« an. Ihre Antrittsvorlesung am 25. Mai hat den Titel »Tier werden«.
Bildquelle: Stefanie Hardick

Sie wird als „große Hoffnung der deutschsprachigen Literatur“ (F.A.Z.) gehandelt, überschreitet mühelos die Grenzen zur bildenden Kunst und war mit ihrer Affenperformance „Oh Schimmi“ im vergangenen Sommer Publikumsliebling beim Klagenfurter Bachmannpreis. In diesem Sommersemester will Teresa Präauer die Studierenden der Freien Universität mit dem verbindenden Thema vieler ihrer Bücher vertraut machen: Tiere im Allgemeinen und Vögel im Besonderen. Im Interview erzählt sie kurz vor ihrer Antrittsvorlesung mit dem Titel „Tier werden“, warum sie Literatur und Universität tierischer machen will.

Frau Präauer, Sie wollen gemeinsam mit den Studierenden einen „Lehrstuhl für Poetische Ornithologie“, also für Vogelkunde, vorbereiten. Ist das Fiktion?

Da ist natürlich, bei allem Ernst, auch ein Augenzwinkern dabei. Bei meinen Lesungen zeigte ich eine Zeitlang immer mein erstes Buch, die „Taubenbriefe“. Ich habe erklärt, das sei meine Habilitationsschrift als Vorbereitung für die Gründung dieses Lehrstuhls. Jemand vom DAAD hat das gehört und daraufhin wurde ich offensichtlich für die Gastprofessur vorgeschlagen.

Für die Literaturwissenschaft ist die Vogelkunde tatsächlich ein vielschichtiges Thema. Meine eigene Vorliebe fürs Fliegen und für Vögel ist allerdings eine sehr papierene. Sie ist weniger an der Natur interessiert, sondern daran, wie Natur vermittelt wird. Selbst die vermeintlich objektiven naturwissenschaftlichen Texte sprechen die Sprache ihrer Zeit. Hinter dem Tierbild steckt eigentlich immer das Menschenbild: Wenn es um „die scheuen Vögel, die traurig ihr Nest suchen“ geht, findet man auch eine Selbstbeschreibung dessen, der diesen Text schreibt. Oft ist der Vogel auch Bote und damit Mittler zwischen einem Geschehnis und dem Text, den wir hinterher lesen. Seine Feder war eines der ersten Schreibwerkzeuge des Menschen. Ich behaupte, dass es eine strukturelle Verwandtschaft zwischen Schreiben und Fliegen gibt.

Ihre Antrittsvorlesung trägt den Titel „Tier werden“. Geht es dabei dann auch um Vögel?

Man kann sagen, „Tier werden“ ist die Überschrift und die Ornithologie ist ein Unterkapitel. Allerdings kommt in meinem letzten Roman „Johnny und Jean“ kein einziger Vogel vor, weil ich es irgendwann leid war, auf Vögel angesprochen zu werden. Mein nächster Roman heißt „Oh Schimmi“. Da geht es um einen Affen und jemanden, der sich sprichwörtlich, aber auch animalisch gesprochen, zum Affen macht. Insofern sind die Tiere eine Klammer, aber mir geht es dann doch um anderes: nämlich um ein formal-ästhetisches Arbeiten an und in der Literatur.

Die Antrittsvorlesung ist ein essayistischer Versuch, über Fiktionalisierungsprozesse zu sprechen. Zum Beispiel darüber, ob in dem Moment, wo ich mit meiner Stimme performe und „u-u-uh“ rufe, ob mir da schon das Fell an den Armen wächst. Beim Bachmannpreis habe ich so etwas sprachlich performt. Ich habe keine Angst davor, mich zum Affen zu machen. Weil ich den Affen ernst nehme und das Sich-zum-Affen-Machen – ohne die moralische Bewertung.

Sie sind Autorin, und Schreiben ist eine einsame Tätigkeit. Jetzt arbeiten Sie mit Studierenden und anderen Dozenten zusammen. Wie wichtig sind andere Menschen für Ihre Arbeit?

Mich inspirieren andere Menschen und Kunstwerke. Das können zeitgenössische und modische Dinge sein, aber auch etwas, das im Müll liegt. Eine Studentin hat gerade einen Briefwechsel aus den 1960ern mit ins Seminar gebracht. Zwei Damen, die über Vögel korrespondieren, einander sogar Federn schicken. Die Briefe hat sie auf dem Flohmarkt gefunden.

Diese Spurensuche liebe ich am allermeisten: Etwas von allen Seiten zu betrachten. Wir schauen uns das Papier an, auf dem etwas gedruckt ist. Wie es gedruckt ist. Wie mit Sprache umgegangen wird. Ein Text richtet sich immer an andere Menschen, aber trotzdem ist das Schreiben etwas, was man allein machen muss. Insofern sind andere Menschen für meine Arbeit zugleich wichtig und unwichtig.

Meine Studierenden sind sehr vorstellungsmächtig, sehr aktiv dabei. Das ist großartig für die literarische Vogelkunde!

Die Fragen stellte Stefanie Hardick

Weitere Informationen

Antrittsvorlesung von Teresa Präauer: »Tier werden«

Zeit und Ort

  • Mittwoch, 25. Mai 2016, 18 Uhr
  • Freie Universität Berlin, Seminarzentrum L 115, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, U 3)