Friedensbotschaften aus dem Seminarraum
Die Online-Kampagne "#NichtUnserKrieg" haben Teilnehmer der Weiterbildung „Journalisten International" an der Freien Universität ausgerufen
17.09.2014
Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit – diese Sentenz des englischen Schriftstellers Rudyard Kipling hört man seit dem Ausbruch des Konflikts um die Ostukraine häufiger. Wie es Medienvertretern auch in Krisenzeiten gelingen kann, unabhängig und objektiv zu berichten, ist daher ein wichtiger Programmpunkt der Weiterbildung „Journalisten International“. Pro Jahr erhalten 15 Studierende der Journalistik und Germanistik aus Russland, der Ukraine und anderen Nachfolgestaaten der Sowjetunion ein Stipendium des Deutschen Akademischen Austauschdiensts (DAAD): Es ermöglicht ihnen einen dreimonatigen Studienaufenthalt am Internationalen Journalisten-Kolleg der Freien Universität Berlin. Die Online-Kampagne „#NichtUnserKrieg“ ist ein eindrucksvolles Ergebnis und Bekenntnis der diesjährigen Programmteilnehmer.
„Wir haben in der Seminargruppe viel über die Ereignisse in der Ostukraine diskutiert“, sagt Galyna Chernikova, 23-jährige Journalismus-Studentin aus der Ukraine. „Irgendjemand sagte dann: ‚Das ist doch nicht unser Krieg!‘. Wir fanden diesen Satz so gut, dass er zum Titel und Schwerpunkt des Seminarteils ‚Journalistische Praxis‘ geworden ist.“ Innerhalb einer Projektwoche riefen die jungen Journalisten mit Unterstützung der Axel-Springer-Akademie die Kampagne „#NichtUnserKrieg“ ins Leben.
Mit Videos auf Deutsch, Russisch und Ukrainisch wenden sie sich an die Öffentlichkeit mit Friedensbotschaften, die mit dem Hashtag #NichtUnserKrieg leicht auf sozialen Netzwerken geteilt werden können. Die 22-jährige Journalistin Irina Chevtaeva aus Moskau erklärt: „Obwohl auch wir bis tief in die Nacht über die Lage in der Ukraine debattiert haben, stand für uns alle fest: Wir wollen keinen Krieg! Und wir wollen, dass diese Botschaft so viele Menschen wie möglich erreicht.“
Beeindruckt von der Deutschen Einheit
Zuvor hatten die Nachwuchsreporter in einem Seminar- und Exkursionsprogramm Deutschland und dessen Medienlandschaft ausführlich kennengelernt: In Workshops etwa zur Nachkriegsgeschichte beider deutscher Staaten, zur Presse- und Meinungsfreiheit, auf Exkursionen zur Gedenkstätte Sachsenhausen sowie zur Bundespressekonferenz erhielten sie umfassende Einblicke in die Geschichte und Gegenwart Deutschlands.
„Für mich waren die Informationen über den Prozess der deutschen Einheit – den wir nicht nur in Berlin, sondern auch auf einer Rundreise durch Leipzig, Magdeburg und Hamburg anschaulich nachvollziehen konnten – besonders spannend“, sagt Galyna Chernikova. Die Menschen in den beiden ehemals voneinander getrennten Staaten hätten trotz aller Unterschiede schnell zueinandergefunden. Das stimmt die Ukrainerin mit Blick auf die Zukunft ihrer Heimat positiv. Auch Irina Chevtaeva denkt gern an die Deutschlandreise zurück: „Der Besuch in Leipzig mit Vorträgen über die friedlichen Demonstrationen gegen die DDR-Führung hat mich beeindruckt.“
Seit Mitte August sind die jungen Journalisten in verschiedenen Redaktionen im Einsatz – unter anderem bei Phoenix, ZEIT ONLINE oder n24.de. Dort lernen sie in einem sechswöchigen Praktikum den deutschen Redaktionsalltag kennen. Ihre Erfahrungen wollen sie praktisch anwenden: „Nach der Weiterbildung gehe ich zurück nach Moskau und möchte dort als Journalistin arbeiten“, sagt Irina Chevtaeva. „Gerade in der derzeitigen Lage ist es wichtig, objektiv zu berichten und nicht zu bewerten.“
Verständnis und Respekt für andere Meinungen
Im Rahmen der Weiterbildung „Journalisten International“ für Nachwuchsjournalisten aus Nachfolgestaaten der Sowjetunion sollen die Teilnehmer fundierte Kenntnisse über Deutschland und Europa sowie die Rolle der Medien in Demokratien erwerben. Ziel des Programms ist es, in ihren Herkunftsländern die Zivilgesellschaft zu stärken und unabhängigen Journalismus zu fördern. Im Übrigen profitieren nicht nur die Nachwuchsjournalisten von dem Austausch, sondern auch die deutschen Redaktionen, in denen sie als Praktikanten eingesetzt sind: Häufig bleiben die Stipendiaten mit ihnen in Verbindung und berichten nach dem Ende der Weiterbildung als Korrespondenten aus ihrer Heimat.
Wechselseitiges Verständnis und Respekt – das übergeordnete Anliegen des Programms „Journalisten International“ – hat sich im diesjährigen 28. Durchgang schon erfüllt: „Die russischen Stipendiaten haben in den #NichtUnserKrieg-Videos auch Ukrainisch gesprochen“, sagen Galyna Chernikova und Irina Chevtaeva. „Das ist sehr ungewöhnlich. Und weil Russen kaum Ukrainisch können, haben die Ukrainer ihnen dabei geholfen.“