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„Die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte“

Ausstellungsstart am 14. Juni: Studierende der Freien Universität zeigen in einer Ausstellung des Ibero-Amerikanischen Instituts, wie der Erste Weltkrieg in Lateinamerika wahrgenommen wurde

12.06.2014

mors tua: „Dein Tod ist mein Leben“ – die Zeichnung von José Foradori vom Herbst 1914 stellt die Grausamkeit Europas einem friedlichen Lateinamerika gegenüber. © Ibero-Amerikanisches Institut PK

Mors tua: „Dein Tod ist mein Leben“ – die Zeichnung von José Foradori vom Herbst 1914 stellt die Grausamkeit Europas einem friedlichen Lateinamerika gegenüber.
Bildquelle: Ibero-Amerikanisches Institut PK

Prof. Rinke und sein studentisches Team am Ibero-Amerikanischen Institut. Das Bild im Hintergrund zeigt den Portugiesen Heinrich den Seefahrer, der im 15. Jahrhundert lebte und als der Vater der Navigation und der Seefahrt gilt.

Prof. Rinke und sein studentisches Team am Ibero-Amerikanischen Institut. Das Bild im Hintergrund zeigt den Portugiesen Heinrich den Seefahrer, der im 15. Jahrhundert lebte und als der Vater der Navigation und der Seefahrt gilt.
Bildquelle: Annika Middeldorf

„Vielen ist nicht klar, wie weitreichend die Folgen des ‚Großen Krieges‘ für Lateinamerika waren“, sagt Stefan Rinke, Geschichtsprofessor am Lateinamerika-Institut der Freien Universität. In seinem Kooperationsprojekt mit dem Ibero-Amerikanischen Institut (IAI) haben Studierende unter seiner Leitung eine Ausstellung die wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Auswirkungen des Ersten Weltkrieges in Lateinamerika thematisiert. Zum Themenjahr „1914. Aufbruch. Weltbruch“ der Stiftung Preußischer Kulturbesitz ist die Ausstellung mit dem Titel „Die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte – Lateinamerika und der Erste Weltkrieg“ von morgen an bis zum 19. September im Ibero-Amerikanischen Institut zu sehen.

Bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 hatten die Länder Europas in mancherlei Hinsicht eine Art Vorbildfunktion für Lateinamerika – vor allem unter den Eliten in der Region, sagt Stefan Rinke. „Zu Ihnen zählten die Oberschichten mit europäischen Wurzeln, die aufgrund ihrer Funktion in der Gesellschaft ein positives Bild Europas verbreiten konnten. Der europäische Kontinent stand über vier Jahrhunderte lang für Zivilisation, Wohlstand und Fortschritt.“ Dieses Bild habe sich mit dem Beginn der Kriegsgeschehnisse endgültig geändert, erklärt der Historiker: „Als man sah, wie sich die Europäer gegenseitig bekriegten und praktisch in die Barbarei zurückfielen, war das für viele Lateinamerikaner ein Erweckungsmoment.“ Vor diesem Hintergrund habe die Bevölkerung stärker denn je nach einer eigenen Identität gesucht, die sich nicht mehr an Europa orientierte.

Einzigarte Recherchequelle

Drei Semester lang hat sich der Kurs aus Studierenden des Friedrich-Meinecke-Instituts und des Lateinamerika-Instituts der Freien Universität mit dem Thema auseinandergesetzt. Dazu zählten intensive Recherchen, um Originaldokumente für die Ausstellung wissenschaftlich zu untersuchen und für die Präsentation vorzubereiten. Das Ibero-Amerikanische Institut in Berlin sei dabei eine wahre Fundgrube für die Recherche gewesen, sagt Rinke: „Weltweit gibt es wohl kein Institut, das über eine ähnliche Dichte an historischen Dokumenten aus Lateinamerika in diesem Zeitraum verfügt.“

Der Ausstellungstitel stammt von „La Prensa“, im 20. Jahrhundert einer der größten lateinamerikanischen Zeitungen. „Erstaunlich ist vor allem, dass die Presse schon wenige Tage nach Ausbruch des Krieges mit kritischen Berichten und politischen Karikaturen reagierte“, sagt Karina Kriegesmann, eine der zehn Studierenden, die an dem Projekt mitwirkten.

Karikaturen, Kurzfilme und Musik

Politische Karikaturen aus der Zeit des Ersten Weltkrieges bilden einen Schwerpunkt der Ausstellung. Unter den zahlreichen Exponaten befinden sich auch ein Wochenschauausschnitt, Gedichte und persönliche Aufzeichnungen aus jener Zeit. Und auch der Tango, Lateinamerikas bekannteste Musik, ist in der Ausstellung zu hören: „Silencio“ heißt ein Stück des argentinischen Musikers Carlos Gardel, der den Ersten Weltkrieg musikalisch verarbeitet hat.

„Wir haben die Ausstellung für ein breites Publikum konzipiert“, sagt Karina Kriegesmann. Einführungs- und Übersichtstafeln bringen die Inhalte auch fachfremden Besuchern nahe. Zudem ist die Präsentation mehrsprachig gestaltet – Texte stehen in Deutsch, Spanisch und Portugiesisch zur Verfügung.

Stefan Rinke freut sich über die Leistung seiner Studierenden und die Informationen, die sie zusammengetragen haben: „Einige der Quellen wurden noch nie systematisch untersucht“, sagt der Geschichtsprofessor, der seit 2013 als Einstein Research Fellow der Einstein Stiftung Berlin am Ibero-Amerikanischen Institut forscht. Im Rahmen des Stipendiums untersucht er derzeit in einer groß angelegten Studie den Einfluss des Ersten Weltkriegs auf das Bewusstsein in Lateinamerika. Die Ausstellung ist eine Kooperation zwischen dem Ibero-Amerikanischen Institut, der Freien Universität Berlin und der Einstein Stiftung Berlin.

Ausstellung „Die größte Katastrophe der Menschheitsgeschichte - Lateinamerika und der Erste Weltkrieg“

  • 14. Juni bis 19. September 2014
  • Ibero-Amerikanisches Institut PK, Potsdamer Str. 37, 10785 Berlin, Lesesaal
  • Öffnungszeiten: montags bis freitags 9.00 bis 19.00 Uhr, sonnabends 9.00 bis 13.00 Uhr