Politik der kleinen Schritte für Ägypten
Studentinnen- und Studentenvertreter der Universität Alexandria kamen zu einem Workshop an die Freie Universität
20.02.2014
Auch drei Jahre nach dem Arabischen Frühling ist die Situation in Ägypten angespannt. Bis heute engagieren sich zahlreiche Studierende in der Demokratiebewegung für soziale Gerechtigkeit und Freiheit. 14 Studierendenvertreter von der Universität Alexandria besuchten kürzlich einen Workshop an der Freien Universität und der Technischen Universität Berlin, um sich über vier Jahrzehnte deutscher Studentenbewegung zu informieren.
„Dass der Workshop trotz der politisch schwierigen Umstände in Ägypten überhaupt stattfinden konnte, freut uns alle sehr“, sagt Florian Kohstall, Leiter des Verbindungsbüros der Freien Universität in Kairo. Zwischen 19 und 21 Jahren jung sind die ägyptischen Gäste, die an dem Programm „The Evolution of Student Participation in Germany from 1968 to today“ teilnahmen. Die Zukunft ihres Landes wollen sie aktiv mitgestalten: „Die meisten von uns sind nicht zufrieden mit der Situation in Ägypten. Wir möchten einen Wandel, der frei ist von Ideologien, der keiner Partei oder Religion verpflichtet ist“, sagt Nesma, eine der Teilnehmerinnen des Workshops.
Besuch bei politischen Institutionen, Tageszeitungen und Universitäten
Drei Jahre nach dem Arabischen Frühling und dem Sturz des alten Machtsystems um Präsident Mubarak ist die Lage in Ägypten noch immer angespannt. Mubaraks Nachfolger Mursi wurde im vergangenen Sommer nach Protesten seines Amtes enthoben, eine Übergangsregierung führt das Land, während Ägyptens junge Demokratiebewegung weiter für Reformen kämpft.
Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) fördert die Bewegung auf Hochschulebene mit der „Deutsch-Arabischen Transformationspartnerschaft“, in dessen Rahmen auch der Berliner Workshop stattfand. Zum Programm gehörten neben dem Besuch politischer Institutionen wie dem Bundestag oder der Bundeszentrale für politische Bildung auch ein Besuch bei der Tageszeitung taz sowie der Austausch mit Studierendenvertretern etwa des Asta beider Berliner Universitäten.
Trotz Veränderungen bleibe die Angst
„Es gibt schon große Unterschiede zwischen deutschen und ägyptischen Studierendenvertretungen“, sagt Aya. Sie vertritt die Studierenden des Fachbereichs Medizin der Universität Alexandria und ist stolz auf das bislang Erreichte: Erst seit der Revolution 2011 würden die Vertreter tatsächlich von der Studierendenschaft selbst gewählt: „Zuvor, unter Mubarak, wurden nur regimetreue Kandidaten zur Wahl zugelassen. An der Universität durfte im Grunde nicht über Politik gesprochen werden“, so Aya weiter.
Die Situation sei heute schon sehr viel besser und kontroverse politische Themen in Hochschulgruppen und Studenteninitiativen ein Thema, berichtet die Studentin. Trotzdem bleibe die Angst, für die Äußerung der eigenen Meinung bestraft zu werden: „Wir alle kennen Leute, die wegen ihres Engagements verhaftet oder bestraft worden sind“, sagt Aya.
Für friedliche Formen des Protests
Für eine graduelle aber nachhaltige Veränderung in ihrem Heimatland verfolgen die Studierendenvertreter eine Politik der kleinen Schritte, ohne das Ziel des Wandels aus den Augen zu verlieren. „Eine Demonstration darf nicht Selbstzweck sein. Demonstrationen sind nur ein Mittel, um unser Ziel zu erreichen“, erklärt Nesma. Wichtig sei es, zivilgesellschaftliche Projekte zu fördern, kreative und friedliche Formen des Protests zu organisieren und verschiedene Gruppen mit denselben Zielen zusammenzubringen.
Begeistert waren die jungen Ägypter deswegen auch von einer Schulung zum Thema Konfliktmanagement und Team Building an der Freien Universität. „Von unseren Erfahrungen werden wir einiges mit nach Hause nehmen“, sagt Nesma.
Beeindruckt zeigte sich die ägyptische Gruppe von Zeitzeugnissen am Reichstagsgebäude. Ausgestellt sind dort Zeichnungen und Inschriften der Roten Armee, die 1945 an die Wände des eroberten Gebäudes geschrieben worden sind. „Mit den dunklen Stunden eines Landes verantwortungsvoll umzugehen und daraus zu lernen, das müssen wir in Ägypten auch machen“, sagt Nesma.