Aus dem Seminarraum in die Vitrine
Studenten des Peter-Szondi-Instituts haben zum 100. Geburtstag des Romanciers Claude Simon eine Ausstellung konzipiert
04.12.2013
„Die Übersetzung ist keine einfache Arbeit der Übertragung, sondern eine wirkliche Arbeit der Produktion“. Was der französische Schriftsteller und Nobelpreisträger Claude Simon, der im Oktober vor 100 Jahren geboren wurde, 1985 seiner Übersetzerin Eva Moldenhauer schrieb, ließe sich auch auf die Arbeit von fünf Studierenden der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaften anwenden: Eine Ausstellung ist keine einfache Arbeit des Zurschaustellens, sondern eine wirkliche Arbeit der Produktion. Nach einem Seminar bei Irene Albers, Professorin am Peter Szondi-Institut, haben die Studenten innerhalb weniger Wochen eine Ausstellung konzipiert, die unter dem Titel „Claude Simon übersetzen“ noch bis Ende des Semesters in der Philologischen Bibliothek zu sehen ist.
Was verstehen wir unter Übersetzen? Was wollen wir zeigen? Und schließlich: Wie lässt sich Literatur visualisieren? Das waren die Fragen, die für Patrick Durdel, Nilufar Karkhiran-Khozani, David Miemitz, Sima Reinisch und Antonia Stichnoth im Mittelpunkt ihres Projekts „Claude Simon übersetzen“ standen. Nach sechs arbeits- und rechercheintensiven Wochen ist das Ergebnis in drei in der Philologischen Bibliothek gestalteten Vitrinen zu besichtigen. Sie widmen sich der Person des französischen Romanciers und seinem Werk, den deutschen Übersetzungen sowie den deutschsprachigen Autoren, die Simons Arbeitsmethode aufgegriffen und in ihren eigenen Schaffensprozess übersetzt haben.
Dokumentierte Übersetzungsarbeit
Gezeigt werden Bücher, Zeitschriften, Fotos, handschriftliche Notizen des Autors und seiner Übersetzer, Typoskripte und Karteikarten. Diese Karteikarten, auf denen der Simon-Übersetzer Elmar Tophoven komplizierte Passagen, Begriffe und Übersetzungsvorschläge notiert hat, die auf Stellen in den Originaltexten Simons verweisen, sind wichtige Quellen. Nicht nur für andere Übersetzer, weil sie die Übertragung dokumentieren, auch für die Studenten: „Dadurch lassen sich Tophovens Gedanken und sein Arbeiten nachvollziehen“, sagt Patrick Durdel, der im 3. Semester Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaften studiert. „Das ist ein großer Schatz für Übersetzer, Leser und Literaturwissenschaftler.“ Diese Art der Dokumentation in der vordigitalen Ära zeige, dass Tophoven schon während des Arbeitens an den Austausch mit anderen Übersetzern gedacht habe.
Tophoven-Archiv
Eine wichtige Ansprechpartnerin für das studentische Kuratoren-Team war Erika Tophoven, Ehefrau des 1989 verstorbenen Elmar Tophoven, mit dem sie auch gemeinsam übersetzt hat. Die heute 83-Jährige hat an einer Seminarsitzung von Irene Albers teilgenommen und den Studenten das Archiv ihres Mannes in ihrer Wohnung in Berlin-Wilmersdorf geöffnet. In der Regel gebe es wenig sichtbares Material von Übersetzungen, sagt Erika Tophoven. Die Arbeit der Studenten hat sie gerne unterstützt: „Ich freue mich über die Dokumente und darüber, dass sie wiederentdeckt werden.“
Die Fäden entwirren
Die Werke Claude Simons gelten nicht gerade als leichte Lektüre. Der Nobelpreisträger und Vertreter des „Nouveau Roman“ selbst hat sein Schreiben mit dem Bild eines „Knotens“ illustriert: Die ineinander verschlungenen Fäden stellen den Schreibprozess als eine Suche dar, als ein Umherirren, das immer wieder zu den gleichen Punkten zurückführt. Diesen Weg nachzugehen und die literaturwissenschaftliche Arbeit schließlich in eine Ausstellung zu überführen, sei für alle neu und eine große Herausforderung gewesen, sagt Sima Reinisch. Man spreche ein anderes Publikum an, wenn Wissenschaft aus dem Seminar heraustrete und in der Öffentlichkeit gezeigt werde.
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