Kriege, Krisen und Konflikte
Juniorprofessorin Carola Richter forscht zu den Mediensystemen in der arabischen Welt
09.01.2013
Eine Rucksackreise nach Marokko weckte bei Carola Richter nach dem Abitur erstes Interesse an der arabischen Sprache und Kultur. Später studierte sie in Leipzig Kommunikations- und Medienwissenschaft und verbrachte ein Semester an der Birzeit University in Palästina. Seit August 2011 lehrt die Juniorprofessorin Internationale Kommunikation am Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität Berlin. Ihr Schwerpunkt: die Mediensysteme in der arabischen Welt.
Fast alle arabischen Länder hat Carola Richter bereist, entweder auf eigene Faust oder mit Delegationen. Ihr Forschungsinteresse in jüngster Zeit galt vor allem Ägypten. In der dortigen Medienlandschaft haben sich der Kommunikationswissenschaftlerin zufolge in den vergangenen Jahren oligarchische Strukturen entwickelt – ähnlich wie in vielen Ländern Osteuropas.
Dennoch sieht Carola Richter positive Entwicklungen: „Selbst diese Pseudo-Liberalisierung hat dazu geführt, dass in der Krisensituation 2011 einige Medien sehr schnell frei berichtet haben.“ Kritisch begleitet werde die Medientransformation auch von den Kommunikationswissenschaftlern an den ägyptischen Hochschulen.
"Gewinnbringender Austausch"
Einige der ägyptischen Wissenschaftler werden im Juli an der Freien Universität zu Gast sein: Bei einem einwöchigen Workshop wollen sie sich mit Kollegen aus Tunesien, Libyen, dem Jemen und anderen arabischen Ländern austauschen – und natürlich mit Professoren und Doktoranden vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität.
Carola Richter hat das DAAD-finanzierte Treffen am Internationalen Journalisten-Kolleg der Freien Universität mit organisiert. Im Mittelpunkt sollen allgemeine Fragen stehen, „wie in den verschiedenen Ländern Lehre und empirische Forschung angegangen werden, welche Publikationsmöglichkeiten sich erschließen lassen, wie das Wissenschaftsverständnis ist“.
Gerade in Bezug auf die Lehre erwartet die Juniorprofessorin einen gewinnbringenden Austausch: „Wir können lernen, wie zum Beispiel in Ägypten mit Vorlesungen vor 500 Studierenden umgegangen wird. Für die Kollegen aus den arabischen Ländern können bei uns angewandte Methoden wie E-Learning, elektronische Klausuren und dergleichen interessant sein.“
Begriff "Facebook-Revolution" insinuiere basisdemokratischen Charakter der Revolution
Carola Richter hat in Leipzig studiert und in Erfurt promoviert. Ihre Dissertation schrieb sie über „Medienstrategien ägyptischer Islamisten im Kontext der Demokratisierung“. Berlin kannte sie schon gut, als sie ihre Juniorprofessur inDahlem antrat. An ihrem neuen Arbeitsplatz hat sich die 35-Jährige schnell eingelebt, sie freut sich über das Engagement des Kollegiums, „das Institut so richtig schlagkräftig zu machen und nach vorn zu bringen“. Sie selbst tut dies unter anderem als Mitbegründerin und Mitherausgeberin der deutschen Edition des Global Media Journal, das sich internationalen Kommunikationsprozessen widmet.
Das große Interesse der Berliner Studierenden an ihrem Masterkurs „Der Nahostkonflikt und die Medien“ hat Richter überrascht – und gefreut: „Die meisten haben keine vorgefertigte Meinung, sie sind offen und neugierig.“ Dazu, wie deutsche Medien über arabische Länder berichten, hat Richter selbst eingehend gearbeitet.
In ihrer Antrittsvorlesung im Juni 2012 kritisierte sie die Beliebtheit des Begriffes „Facebook-Revolution“, der unter deutschen Journalisten während des sogenannten Arabischen Frühlings kursierte. Sie äußerte sich skeptisch bezüglich des basisdemokratischen Charakters der Revolution, den der Begriff impliziere. In Ägypten etwa diene Facebook nicht primär der Pflege privater Kontakte, sondern habe sich im Verlaufe der letzten Jahre zu einer Art „privatisierter Nachrichtenagentur“ entwickelt. Die einflussreichsten Akteure seien institutionell verankert oder zumindest auch offline organisiert.
Ähnliche Art der Berichterstattung über arabischen Raum und über China
In einer Studie im Auftrag der Heinrich-Böll-Stiftung hat sich Richter 2010 mit der Berichterstattung deutscher Medien über China befasst. Sie stellte Gemeinsamkeiten mit der Berichterstattung über den arabischen Raum fest. „Es taucht in beiden Fällen das Problem auf, dass nur über Kriege, Krisen und Konflikte berichtet wird.“
Wenn es um China gehe, sei die Angst vor der wirtschaftlichen Konkurrenz spürbar, Berichte über den arabischen Raum hingegen seien häufig aufgeladen mit einer religiösen Komponente. So werde etwa in der Berichterstattung über den Israel-Palästina-Konflikt häufig die Bezeichnung „radikalislamische Hamas“ verwendet, auch wenn es eigentlich um einen Territorialkonflikt gehe.
Ob wissenschaftliche Studien etwas bewirken können? „Ein bisschen schon“, sagt Richter. Zu ihrer Studie über China habe sie Rückmeldungen von einigen Journalisten erhalten, die sich mit der darin geübten Kritik auseinandergesetzt haben. Besonders positiv war in der Studie die ausgewogene Berichterstattung der Frankfurter Allgemeinen Zeitung bewertet worden. Eine Leseempfehlung für eine bestimmte Zeitung mag Carola Richter dennoch nicht abgeben: „Politische Tendenzen gibt es überall. Um sich umfassend zu informieren, muss man wirklich breit lesen!“