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„Es bedeutet mir sehr viel, dass eine führende deutsche Universität meine Arbeit würdigt“

Der renommierte US-Professor für Pädagogische Psychologie Lee Shulman erhält am 11. Mai die Ehrendoktorwürde der Freien Universität und debattiert am 10. Mai über Lehrerbildung

09.05.2012

Der US-Amerikaner Lee S. Shulman ist Professor für Pädagogische Psychologie und President Emeritus der „Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching“ an der School of Education der Stanford University.

Der US-Amerikaner Lee S. Shulman ist Professor für Pädagogische Psychologie und President Emeritus der „Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching“ an der School of Education der Stanford University.
Bildquelle: Privat

Lee S. Shulman hat die Bildungsforschung in den USA, in Europa und Deutschland in den vergangenen 25 Jahren maßgeblich beeinflusst und die Vorstellung dessen geprägt, was guten Unterricht ausmacht. Er hat damit die Bedeutung des Lernens und Lehrens insgesamt aufgewertet. Für sein Lebenswerk erhält er am 11. Mai die Ehrendoktorwürde des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie. Beide Veranstaltungen sind öffentlich, Interessierte sind herzlich eingeladen. Ein Gespräch mit Lee Shulman aus Anlass der Ehrung.

Professor Shulman, was bedeutet Ihnen die Entscheidung des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität Berlin, Ihnen in Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung die Ehrendoktorwürde zu verleihen?

Ich bin tief berührt davon, dass meine Arbeit auf diese Weise anerkannt wird. Deutschland verfügt über eine lange Tradition einer Fachdidaktik, die mit den von mir vorgestellten Konzepten des fachdidaktischen Wissens einerseits sehr gut zusammenpasst, diese aber zugleich durchaus auch abweichend fortentwickelt. Es bedeutet mir sehr viel, dass eine führende deutsche Universität und eine wegweisende Forschungsinstitution gemeinsam meine Arbeit auf diese Weise würdigen.

Ist Ihnen bewusst, dass Ihr Konzept des fachdidaktischen Wissens – Sie nennen Ihre Grundidee "pedagogical content knowledge" – das Bildungssystem in Deutschland und anderen europäischen Ländern tiefgreifend verändert hat?

Es ist mir bekannt, und ich fühle mich sehr geschmeichelt, dass ich einen solchen Einfluss konstatieren kann. Meine deutschen Kollegen haben meine Ideen weiterentwickelt – kritisch, kreativ und mit viel Elan. Sie haben in meinen Überlegungen Schwachstellen aufgedeckt und Teile gesehen, die noch nicht ausgereift waren, und sie haben sie verbessert. In Deutschland wurden meine Annahmen über das fachdidaktische Wissen zudem rigorosen empirischen und konzeptuellen Tests unterworfen und auch auf diese Weise vorangebracht. Als ich das Konzept vor mehr als 25 Jahren formuliert habe, hatte ich es selbst noch nicht völlig durchdrungen, und mir war klar, dass es fortentwickelt werden muss. Ich habe es bewusst und absichtlich zur Diskussion gestellt. Es war gewissermaßen, wie mein Lehrer Professor Joseph Schwab von der University of Chicago es nannte, eine ‚Einladung zur Recherche‘. In gewisser Weise war es eine Herausforderung an meine Kollegen, eine Arbeit zu vollenden, die ich selbst kaum begonnen hatte. Dieser Herausforderung ist mehr als angenommen und verfolgt worden; dabei in Europa vor allem in Deutschland, dort sogar mehr als in meinem Heimatland, den USA.

Haben Sie in der Vergangenheit mit Wissenschaftlern der Freien Universität zusammengearbeitet?

Leider hatte ich das Vergnügen noch nicht direkt; ich habe aber mit Wissenschaftlern kooperiert, die auch dem Max-Planck-Institut für Bildungsforschung angehören oder diesem verbunden sind. Professor Jürgen Baumert hat wertvolle Beiträge geliefert über das bedeutsame Zusammenspiel zwischen der fachlichen und pädagogischen Auffassung von Lehrern einerseits und deren Möglichkeit, exzellent zu unterrichten, andererseits. Vor ein paar Jahren hatte ich bei einem Besuch in Berlin die Freude, zahlreiche Wissenschaftler, Doktoranden und Postdoktoranden zu treffen, darunter auch Studierende des Fachbereichs Erziehungswissenschaft und Psychologie der Freien Universität. Ich freue mich, bei meinem Aufenthalt jetzt auf Begegnungen mit weiteren Wissenschaftskollegen.

Worauf freuen Sie sich bei Ihrem Besuch am meisten?

Natürlich vor allem auf die geplanten Feierlichkeiten, also auf das Seminar mit Studierenden der Freien Universität, auf die offizielle Zeremonie, während der Professor Baumert über meine Arbeit spricht, und während der ich die Möglichkeit bekomme, über die frühen Grundlagen meiner Arbeit und einige der neuen Ideen zu sprechen, die ich daraus während der Präsidentschaft an der Carnegie Foundation entwickelt habe. Mit Freude sehe ich auch den gesellschaftlichen Gelegenheiten wie dem feierlichen Essen entgegen, bei dem ich die Gelegenheit bekomme, alte Freunde zu treffen und neue Freundschaften zu schließen. Meine Frau, Judith Shulman, und ich freuen uns aber auch auf die historische, physische und ästhetische Schönheit von Berlin.

Die Fragen stellte Carsten Wette.

Weitere Informationen

Termine

Am 10. Mai ist Lee Shulman Gast einer öffentlichen Veranstaltung an der Freien Universität. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema „Professionalisierung der Lehrerbildung“ debattiert Shulman mit renommierten Wissenschaftlern aus den USA und aus Deutschland. Erwartet werden die Professoren für Bildungswissenschaft Richard Shavelson von der Stanford University und David Berliner von der Arizona State University, der Erziehungswissenschaftler Professor Fritz Oser von der Universität Freiburg und der Bildungsforscher Professor Jürgen Baumert vom Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, der im Rahmen der Verleihung der Ehrendoktorwürde (am 11. Mai 2012) die Laudatio halten wird.

Zeit und Ort

Podiumsdiskussion „Professionalisierung der Lehrerbildung“

  • Donnerstag, 10. Mai 2012, 13.30 Uhr
  • Hörsaal 1 a, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, U 3)

Verleihung der Ehrendoktorwürde

  • Freitag, 11. Mai 2012, 10.00 Uhr (s.t.)
  • Henry-Ford-Bau, Hörsaal A, Garystraße 35, 14195 Berlin (U-Bhf. Thielplatz, U 3)