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Weichen stellen für die Zukunft

Kolumne des Präsidenten der Freien Universität Berlin, Professor Günter M. Ziegler

20.04.2023

Porträtfoto von Günter M. Ziegler, freundlich lächelnd

Günter M. Ziegler ist Präsident der Freien Universität Berlin
Bildquelle: David Ausserhofer

Die Freie Universität Berlin ist 75 Jahre nach ihrer Gründung eine leistungsstarke, innovative Universität, eine Exzellenzuniversität – sie ist erfolgreich mit vielen Drittmitteln in der Forschung. Erfolgreich ist sie auch in der Lehre – an der Freien Universität starten internationale Wissenschaftskarrieren. Die Hochschule leistet Transfer – nicht nur mit erfolgreichen Ausgründungen, sondern mit großem Engagement auch in der Lehrkräftebildung oder bei der Ausbildung in Pharmazie und Veterinärmedizin für die gesamte Republik.

Doch es ist nicht selbstverständlich, dass dies immer so fortgesetzt werden kann. Denn in drei Bereichen stehen nun wesentliche Weichenstellungen an, die nicht nur unsere Universität betreffen, sondern auch die Wissenschaftsstadt Berlin und den Forschungsstandort Deutschland. Von diesen Weichenstellungen hängen Zukunft und Leistungsfähigkeit der Wissenschaft für die Gesellschaft ab.

Weichenstellung 1: Zurzeit wird heftig über eine Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes gestritten, das bisher die Basis für die Qualifikationsstellen von Postdoktorandinnen und -doktoranden bildet. Sollte die Novellierung den aktuell diskutierten Eckpunkten folgen, werden Chancen verbaut, anstatt dass Karrierewege nach Promotionen aktiv gefördert werden. Es besteht die Gefahr, dass die Qualifikationswege für wissenschaftliche Karrieren in die Drittmittelförderung und in die Industrie verlagert werden. Das kann nicht in unserem Interesse sein.

Weichenstellung 2: Die Grundfinanzierung für die Wissenschaft schrumpft in Deutschland – und auch im Land Berlin. Die hohe Inflation wird durch das Wachstum der Budgets für die Wissenschaft nicht ausgeglichen. Für Berlin sieht der Koalitionsvertrag von CDU und SPD von 2024 an jährliche Steigerungen von fünf Prozent vor: Das ist gut, aber es gleicht die Inflationsverluste seit 2022 längst nicht aus. Insbesondere liefert dieses Vorhaben noch nicht die nötigen Mittel, mit denen die wichtigen zusätzlichen Aufgaben finanziert werden können, etwa der schon lange überfällige Aufbau in der Lehrkräftebildung.

Weichenstellung 3: Die Autonomie der Hochschulen ist eine Grundvoraussetzung für unabhängige Wissenschaft und für die Handlungsfähigkeit, gerade in finanziell schwierigen Zeiten, wenn die Hochschulen gleichzeitig eigen ständige Planungs- und Aufbauarbeit leisten, etwa für die Lehrkräftebildung. Der Koalitionsvertrag beschreibt viele richtige Weichenstellungen: die Verlagerung des Berufungsrechts an die Hochschulen, mehr Verantwortung beim Hochschulbau, besonders aber Autonomie in der Planung und beim Ausbau von Studienplatzkapazitäten. Der Koalitionsvertrag stellt Weichen in Richtung Autonomie, das kann für die Wissenschaft in Berlin nur gut sein. Entscheidend ist aber, dass die Politik über so gestellte Weichen auch fährt.

Dieser Artikel ist am 23.04.2023 in der Tagesspiegel-Beilage der Freien Universität Berlin erschienen.