Postpandemische Bühnen
Online-Konferenz „Redefining Theatre“ / Interview mit der Theaterwissenschaftlerin Radka Kunderová
27.05.2021
Während gestreamte Theater-Aufführungen im vergangenen Jahr meistens als Notlösungen gesehen wurden und als schwacher Ersatz für Inszenierungen vor Publikum, arbeitet die Branche inzwischen längst mit dem Thema: Neue Stücke werden speziell für den digitalen Raum geschrieben, finden live per Zoom-Konferenz statt, als interaktive Telegram-Spiele oder Virtual-Reality-Abenteuer. Wie sich das Theater mit den äußeren Umständen verändert, damit beschäftigt sich an der Freien Universität Berlin die Konferenz „Redefining Theatre: Theatre and Society in Transition“. Sie findet am 28. und 29. Mai digital statt. Organisiert wurde sie von Radka Kunderová, Postdoktorandin und Marie-Skłodowska-Curie-Stipendiatin am Institut für Theaterwissenschaft der Freien Universität.
Frau Kunderová, worum wird es in der Konferenz gehen?
Darum, wie sich Theater immer wieder neu definiert: Was passiert auf den Bühnen, wenn sich die Gesellschaft verändert? Das ist die Frage, die uns beschäftigten wird – der aktuelle Anlass ist die Pandemie, aber auch andere Einschnitte spielen eine Rolle, etwa die deutsche Wiedervereinigung und das Ende der Sowjetunion.
Die Wechselwirkungen sind sehr interessant: Theater und Kunstschaffende reagieren natürlich auf politischen und gesellschaftlichen Wandel, aber auch Politik und Gesellschaft werden vom Kulturbetrieb geprägt.
Auf welche Vorträge freuen Sie sich besonders?
Ich freue mich auf alle Beiträge, es ist gar nicht so leicht, einige hervorzuheben. Die eingeladenen Theaterwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler analysieren vorwiegend konkrete Inszenierungen, deshalb ist die Konferenz auch für die weitere Öffentlichkeit interessant: Sie ist für alle offen, auch deshalb bin ich auf vielfältige, internationale Diskussionen gespannt. Dass die Konferenz digital stattfindet, kommt uns hier natürlich entgegen – sie wurde schon um ein Jahr verschoben.
Wie Corona – die wohl größte Krise in der europäischen Performing-Arts-Szene seit dem Zweiten Weltkrieg – die Kulturlandschaft nachdrücklich verändert hat und noch verändern wird, darüber diskutieren wir gleich im ersten Forum der Konferenz. Ein entsprechendes Paper hat der Münchner Theaterwissenschaftler Christopher Balme verfasst.
Welche Rolle das Theater in der DDR im Winter 1989/90 gespielt hat, und wie es insbesondere mit Heiner Müllers Produktion Hamlet/Maschine im Deutschen Theater Berlin und den Protesten, speziell den Montagsdemonstrationen, in Verbindung stand, darüber wird mein Kollege Matthias Warstat sprechen.
An der Konferenz beteiligt sind auch osteuropäische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Slowakei, Ungarn oder Polen. Die Theaterkritikerin und Autorin Andrea Tompa beispielsweise kann aus erster Hand erzählen, wie sie das ungarische Theater in den 1990er Jahren erlebt hat, und wie es sich in den vergangenen 30 Jahren, etwa durch die Machtübernahme von Viktor Orbán, verändert hat.
Sie forschen vor allem zum postkommunistischen Theater in der Tschechischen Republik und der ehemaligen DDR. Werden Sie dazu einen Einblick in der Konferenz geben?
Wie der Übergang vom Kommunismus zur Demokratie mit der Bühnenkunst zusammenhängt, beschäftigt mich auch ganz persönlich, weil ich aus der Tschechischen Republik stamme. Bis in die frühen neunziger Jahre galt das Theater dort als ideologisches Werkzeug und war streng zensiert. Dennoch kritisierten Theatermacherinnen und -macher das autoritäre Regime buchstäblich zwischen den Zeilen. Dem tschechischen Theater der Neunzigerjahre wird dagegen nachgesagt, wenig öffentlichkeitswirksam gewesen zu sein.
Ich vertrete die Ansicht, dass die politische Rolle des Theaters in Tschechien in der Forschung oft übersehen wurde. Über diese Zeit halte ich einen Vortrag und freue mich auf eine sich anschließende anregende Diskussion.
Die Fragen stellte Jennifer Gaschler
Weitere Informationen
„Redefining Theatre: Theatre and Society in Transition“
Am 28. und 29. Mai über Webex.
Hier finden Sie das Programm der digitalen Konferenz.
Anmeldung unter: register.for.redefining.theatre@gmail.com