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„Integriert Euch?“

Die Kommunikationswissenschaftlerin Carola Richter und der Medienmacher Tamer Ergün diskutieren in der Reihe „Journalismus im Dialog“

07.05.2021

Professorin Carola Richter von der Freien Universität und Tamer Güner, Gründer des in Berlin ansässigen türkischsprachigen Radiosenders Metropol FM.

Professorin Carola Richter von der Freien Universität und Tamer Güner, Gründer des in Berlin ansässigen türkischsprachigen Radiosenders Metropol FM.
Bildquelle: Privat; Metropol FM

Bei der fünften Veranstaltung der Diskussionsreihe „Journalismus im Dialog“ steht die Rolle von Migrantinnen und Migranten in deutschen Medien im Fokus: Professorin Carola Richter vom Institut für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft der Freien Universität diskutiert mit Tamer Ergün, Gründer des in Berlin ansässigen türkischsprachigen Radiosenders Metropol FM. Die Veranstaltung „Integriert euch? Zur gesellschaftlichen Rolle der Medien von Migrant:innen“ wird am Dienstag, 11. Mai, ab 11 Uhr live auf Alex TV übertragen und anschließend in der Mediathek abrufbar sein.

Frau Professorin Richter, welchen Stand haben Menschen mit Migrationshintergrund in deutschen Medien?

Migranten und Migrantinnen sind dort auf jeden Fall unterrepräsentiert. Und zwar in zweierlei Hinsicht: Zum einen in der Medienproduktion, also in Redaktionen und den Strukturen von Zeitungen, Zeitschriften sowie TV- und Hörfunkanstalten. Der dort vertretene Anteil von Journalisten und Journalistinnen mit Migrationshintergrund entspricht nicht dem in der Gesamtbevölkerung: Während in Deutschland etwa ein Viertel oder sogar mehr Menschen mit Migrationshintergrund leben, haben in den Medien lediglich sechs bis acht Prozent der Journalistinnen und Journalisten Migrationshintergrund.

Die zweite Ebene ist die Berichterstattung selbst: Wie wird über Menschen mit bestimmter Herkunft oder anderen kulturellen Erfahrungen berichtet? Auch da sehen wir, dass häufig mit Stereotypen gearbeitet und voreingenommen berichtet wird. Auch geht es noch zu wenig um Themen, die migrantische Communities interessieren.

Was sind die Hauptgründe dafür, dass Migrantinnen und Migranten in Medienhäusern unterrepräsentiert sind?

Zum einen gibt es strukturelle Gründe: Unter Journalistinnen und Journalisten waren und sind Akademikerinnen und Akademiker überrepräsentiert, während die Kinder etwa türkischer Gastarbeiter, die in den 1960er Jahren eingewandert sind, kaum im Akademikerbereich zu finden waren. Und auch deren Kinder müssen noch immer einen längeren Weg gehen, um aufzusteigen. Zudem fehlen Vorbilder in den Medien, sodass vielen jungen Menschen mit Migrationshintergrund überhaupt nicht klar ist, dass Journalismus für sie eine Option ist. Und zuletzt fühlen sich viele womöglich in dem Beruf nicht willkommen, da sie über Jahre mitbekommen haben, dass die mediale Berichterstattung sie selbst oder die eigene Gruppe eher negativ und konfliktbelastet darstellt.

Wie lässt sich diesem Mangel an Repräsentation entgegenwirken?

Manche schlagen eine Quote für Menschen mit Migrationshintergrund vor. Ich würde es zumindest begrüßen, wenn eine Diskussion darüber in Gang käme. Diejenigen, die in den Medien in Entscheidungspositionen sind, sollten mit dem Thema konfrontiert werden, auch um sie für den Missstand zu sensibilisieren.

Tamer Ergün, mit dem Sie am 11. Mai im Rahmen der Reihe „Journalismus im Dialog“ sprechen werden, hat 1999 in Berlin den türkischsprachigen Radiosender Metropol FM gegründet. Welche Rolle spielen Medien in Minderheitensprachen hierzulande?

Wir verkennen vielleicht die Integrationsleistung, die durch Medien in den Herkunftssprachen von Migrantinnen und Migranten erbracht werden kann. Da werden ja nicht irgendwelche obskuren „Parallelwelten“ geschaffen, wie manche vermuten, die fremdsprachigen Medien skeptisch gegenüberstehen. Vielmehr ist es wichtig, dass in diesen Medien aufgezeigt wird, für welche Themen sich Menschen in Deutschland engagieren können und mit welchen Mitteln man das tun kann. Da geht es also darum, eine Möglichkeit zu schaffen, überhaupt erstmal am Diskurs und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.

Eines ist mir noch wichtig: In der Veranstaltung mit Herrn Ergün wird es um fremdsprachige Medien und um Migrantinnen und Migranten der ersten oder zweiten Generation gehen. Es gibt aber heute in den nachfolgenden Generationen viele, die sich mit den Begriffen Migrant oder Migrantin kaum noch identifizieren, weil sie dieser Zuschreibung längst entwachsen sind. Wie nutzen diese Menschen Medien für ihre Anliegen?

Die Fragen stellte Leon Holly

Weitere Informationen

„Integriert euch? Zur gesellschaftlichen Rolle der Medien von Migrant:innen“

Das Gespräch zwischen Professorin Carola Richter und Tamer Ergün wird am Dienstag, 11. Mai 2021, von 11 bis 11.45 Uhr live ausgestrahlt und ist im Anschluss in der ALEX Mediathek auf YouTube abrufbar.