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Geschichten aus dem Klimawald

Ein Besuch auf der Rotbuchen-Forschungsfläche der Freien Universität – aus dem Projekt entstehen bereits studentische Abschlussarbeiten

27.11.2020

Manfred Forstreuter (re.) betreut den Klimawald und forscht dort gemeinsam mit Studierenden.

Manfred Forstreuter (re.) betreut den Klimawald und forscht dort gemeinsam mit Studierenden.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Die Herbstsonne lässt die Blätter der Bäume im Klimawald der Freien Universität leuchten. Rund 1000 Rotbuchen, die im Dezember vergangenen Jahres angepflanzt worden sind, wachsen am Rande des Grunewalds symmetrisch in Planquadraten. Auf den zweiten Blick fallen auch einige verdorrte Blätter mit braunen Rändern, sogenannten Blattrandnekrosen auf. Sie sind für Manfred Forstreuter ein wichtiges Indiz: Der Biologe untersucht mit seinem Team, wie sich Trockenheit und extreme Wetterereignisse auf die Buchen auswirken. Mit dem Ziel, die Pflanzen vor dem fortschreitenden Klimawandel besser schützen zu können.

Frostschäden zeigen an, welche Buchenarten schlechter mit extremen Wetterereignissen umgehen können.

Frostschäden zeigen an, welche Buchenarten schlechter mit extremen Wetterereignissen umgehen können.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Manfred Forstreuter, Privatdozent am Institut für Biologie der Freien Universität, trägt den Wald nicht nur im Namen, sondern auch im Herzen: „Es ist schon ein wenig traurig zu sehen, wenn es den Bäumen nicht gut geht“, sagt er, „auch wenn es natürlich forschungstechnisch interessant ist.“ Im Jahr 2013 hat er den Forschungsforst gegründet. Seit 2002 zieht er bereits an verschiedenen Standorten in Berlin junge Bäume auf, die dann, sobald sie 2 Meter hoch sind, in den Klimawald mit seinem trockenen Sandboden umziehen. Ausschließlich Rotbuchen, denn der „Brotbaum Europas gehört zu unserer natürlichen Vegetation und ist ein echter Alleskönner“, erklärt der Biologe: „Die Rotbuche reguliert den Wasserhaushalt, indem sie die Grundwasserneubildung fördert. Sie trägt auch stärker als ein Nadelbaum zu einem gesunden Ökosystem bei, weil sie für viele Arten Lebensraum bietet.“

In einige der jungen Bäume seien in diesem Jahr Borkenkäfer eingezogen, sagt Manfred Forstreuter und zeigt auf die kleinen ausgefressenen Gänge in einem Stamm. Zunächst seien die Baumkronen abgestorben. Dann aber hätten Spechte die Larven unter der Rinde hervorgepickt. „Der Kreislauf schließt sich, nun treiben die Bäume wieder aus, und die Käfer wurden dezimiert.“

Klimatische Extrembedingungen

Im Mai gab es Frost. Das sei für die Buchen sehr herausfordernd gewesen, sagt der Privatdozent: „Wenn es zu früh im Jahr warm ist, treiben die Bäume schon aus. Gibt es dann nochmal einen Temperatursturz, erfrieren die Blätter.“ Biologiestudentin Mareike Liese untersucht in ihrer Bachelorarbeit die Kälteschäden im Hinblick darauf, ob Rotbuchen bestimmter Herkunft den Spätfrost besser überstanden haben als andere. „Es wäre wunderbar, wenn wir zeigen könnten, dass sich einige Provenienzen an den Klimawandel anpassen und so auch in Zukunft überlebensfähig sind.“

Weil im Sommer die Temperaturen auf über 40 Grad gestiegen sind und es selten geregnet hat, musste das Projektteam die frisch angepflanzten Buchen gießen – bei hunderten Bäumen eine echte Mammutaufgabe. Nur so konnten sie anwurzeln, zukünftig werden sie jedoch dem Trockenstress ausgesetzt sein. Die beiden Biologiestudentinnen Mareike Liese und Marlene Finger meldeten sich freiwillig für die Bewässerung: „Jeden zweiten oder dritten Tag waren wir im Wald, insgesamt haben wir 450 Kubikmeter Wasser verteilt“, erinnert sich Mareike Liese. Noch stehen große Wassercontainer auf der Forschungsfläche, im nächsten Jahr soll ein Bewässerungssystem installiert werden.

43 Buchenarten aus ganz Europa wachsen im Forschungswald.

43 Buchenarten aus ganz Europa wachsen im Forschungswald.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Die Buche der Zukunft

An den Großkanistern lehnt eine Karte, auf der Manfred Forstreuter markiert hat, aus welchen Regionen er seit mehr als 20 Jahren Rotbuchen-Jungbäume und -samen an die Freie Universität gebracht hat: aus unterschiedlichsten Klimazonen von Skandinavien bis Sizilien, von Spanien bis Rumänien. Marlene Finger, die durch das Seminar „Angewandte Gehölzökologie und Klimawandel“ zum Projektwald kam, zeigt auf eine deutsche und eine kroatische Buche. „Die kroatische ist gesünder und auch generell größer und kräftiger. Interessanterweise sind ihre Blätter für eine Buche relativ klein.“ Für ihre Bachelorarbeit wird die Studentin die Kohlenstoff-Isotope in den Blättern messen, deren Verhältnis den Stressfaktor anzeigt. „In Zukunft müssten in ganz Mitteleuropa die Arten angepflanzt werden, die gegen den Klimawandel gewappnet sind. Denn die einzelnen Populationen haben keine Zeit, sich evolutionär an die extremen klimatischen Bedingungen anzupassen, die wir zu erwarten haben“, betont Manfred Forstreuter.

Fördern statt fordern will Jan Schirm ganz junge Buchenbäume. Für seine Masterarbeit in geografischer Umweltforschung hat er 150 Setzlinge in speziellen Drahtcontainern ausgesät, sodass sie keinen Kontakt mit offener Erde haben. „Ich beobachte, wie die Bäumchen auf unterschiedliche Konzentrationen von Pflanzenkohle reagieren und ob mehr Kohle bedeutet, dass sie weniger Wasserstress haben.“ Manfred Forstreuter ergänzt: „Wenn wir Kohlenstoff in den Boden zurückführen, dann ist er dort viel länger fixiert als im schnellen Kreislauf der Vegetation.“ Das könnte ein aktiver Beitrag zum Klimaschutz sein, zumal die Herstellung von Pflanzenkohle keine Energie verbraucht. Die Biokohle stellen etwa der Botanische Garten oder der Tierpark selbst her aus verkohltem Ast-, Grünschnitt und Laub.

Manfred Forstreuter freut sich auf die Forschungsergebnisse der drei Teammitglieder. „Hier kann man coronakonform an der frischen Luft forschen“, unterstreicht der Biologe – und lädt weitere Studierende ein, sich für eine Labor- oder Abschlussarbeit über den Klimawald bei ihm zu melden.

Weitere Informationen

Klimawald
Forschungsfläche auf dem Gelände
des Waldmuseums und
der Berliner Forsten im Grunewald
Königsweg 4
14193 Berlin

Betreut von PD Dr. Manfred Forstreuter

Hier geht's zu einem Video des Besuchs im Klimawald.