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Quallen-Carpaccio und Algen-Smoothie

Was werden wir in Zukunft essen? Ein Experiment von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern im Rahmen des Forschungsprojekts „food4future“

18.12.2020

Algen- und Quallenzüchtung auf dem Dachterrasse: Sieht so die Zukunft der urbanen Nahrungsmittelproduktion aus? Im Mitmach-Experiment gibt es einen Einblick in die Forschungsthemen von food4future.

Algen- und Quallenzüchtung auf dem Dachterrasse: Sieht so die Zukunft der urbanen Nahrungsmittelproduktion aus? Im Mitmach-Experiment gibt es einen Einblick in die Forschungsthemen von food4future.
Bildquelle: headland / food4future

Neun bis zehn Milliarden Menschen werden 2050 auf der Erde leben. Gleichzeitig werden Ackerland und Trinkwasser immer knapper. Dass die Landwirtschaft noch effizienter wird, ist unwahrscheinlich. Wie also soll die Welt von morgen ernährt werden? Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Forschungsprojekt food4future suchen deswegen nach radikalen Innovationen für die Lebensmittelversorgung der Zukunft. Neun beteiligte Wissenschaftseinrichtungen, darunter die Freie Universität, erforschen die Speisekarte von morgen.

Mit dem Mitmach-Experiment „Was werden wir in Zukunft essen?“ kann sich nun auch die interessierte Öffentlichkeit online in die Forschung einbringen und direkte Impulse geben. Erarbeitet wurde das Partizipationsprojekt vom Team der Professur für Innovationsmanagement der Freien Universität. Wirtschaftswissenschaftlerin und Zukunftsforscherin Myriam Preiss stellt es im Interview vor. 

Zukunftsforscherin Myriam Preiss hat das Mitmach-Experiment konzipiert.

Zukunftsforscherin Myriam Preiss hat das Mitmach-Experiment konzipiert.
Bildquelle: privat

Frau Preiss, wie sieht die Nahrung der Zukunft aus? 

Wir gehen davon aus, dass wir in Zukunft – wir reden hier von langfristigen Horizonten – alternative Lebensmittel brauchen. Dabei arbeiten wir mit vier unterschiedlichen Organismus-Typen als mögliche alternative Nahrungsquellen: Quallen, Heuschrecken, Algen und Halophyten, also Pflanzen, die auf salzigen Böden wachsen. 

Alle vier gehören zu den Organismen, die in der freien Wildbahn vom Klimawandel profitieren: Die Erderwärmung beschleunigt ihre Verbreitung. Für das Projekt wurden sie ausgewählt, weil sie sich – so die Hypothese – nachhaltig bei geringem Trinkwasserverbrauch auf engem Raum züchten lassen und sich darüber hinaus in salzhaltiger Umgebung wohlfühlen. 

Allein das Potential, das in den unzähligen Algenarten der Welt steckt, ist riesig. Im asiatischen Raum werden Algen schon seit Jahrhunderten angebaut und gegessen. Neue Extraktionstechnologien eröffnen nun ganz neue Möglichkeiten für die verschiedensten Anwendungsgebiete. Wir stehen da noch ziemlich am Anfang. 

Warum brauchen wir in der Zukunft überhaupt solche alternativen Lebensmittel?

Die zentrale Forschungsfrage von food4future lautet: Wie können wir in Zukunft ausreichend gesunde und leckere Nahrung nachhaltig produzieren, wenn wir entweder kein Land dafür zur Verfügung haben oder wir keinen Handel mehr treiben können? Auf Basis dieser beiden Zukunftsszenarien versuchen wir Lösungen für die bevorstehenden Herausforderungen in der Nahrungsmittelproduktion zu finden und wollen dabei wirklich „out of the box“ denken.

Zunächst klingen die „Kein Land“ und „Kein Handel“-Szenarien sehr extrem. Aber wenn wir uns zum Beispiel den gegenwärtig schwelenden Handelskrieg zwischen den USA und China anschauen, die bisher nicht eingepreisten Emissionen von Transporten weltweit, die sich ausweitenden Trockengebiete, die Versalzung der Böden oder die Verknappung von Trinkwasser etc. – und diese Entwicklungen noch 50 Jahre in die Zukunft weiterdenken – dann könnte unsere Forschung sich als extrem relevant erweisen, um die Nahrungsversorgung sicherzustellen.

Wenn nicht auf dem Acker, wo wächst die Nahrung der Zukunft?

Wir gehen davon aus, dass die Urbanisierung weiter zunimmt. Schon jetzt leben weltweit mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Das bedeutet, dass eine nachhaltige Produktion am besten dort stattfindet, wo auch konsumiert wird: in den Städten. Das würde auch die Transport- und Lieferketten kurz halten. Beteiligte Forscherinnen und Forscher entwickeln deswegen künstliche, in sich geschlossene Kultivierungssysteme aus Leichtbauwerkstoffen und UV-LEDs, die man an allen denkbaren Orten aufstellen kann, etwa in Kellern, auf Dächern oder Industriebrachen. 

Sind Quallen oder Heuschrecken für europäische Gaumen nicht ziemlich ungewohnt?

Es stimmt, die Akzeptanz für solche Lebensmittel ist in der westlichen Ernährung noch nicht besonders hoch. Betrachtet man aber die Akzeptanz-Studien der vergangenen Jahre zu Ernährungsgewohnheiten, lässt sich, was Insekten betrifft, eine ganz langsame Öffnung und Experimentierfreude beobachten. 

Übrigens gibt es Insektenriegel ja schon heute im Supermarkt zu kaufen. Dass das darin enthaltene Protein aus Heuschrecken gewonnen wurde, schmeckt man nicht. Natürlich lassen sich tradierte und tief verwurzelte Essgewohnheiten nicht von einem Tag auf den andern verändern, warum auch? Vor etwa 30 Jahren fanden viele Mitteleuropäer Sushi gewöhnungsbedürftig. Warten wir mal ab, wie wir in 30 Jahren Insekten und Quallen betrachten. 

Was wollen Sie durch das Mitforsch-Experiment herausfinden?

Wir möchten vor allem erfahren, wie das, was bei food4future erforscht wird, bei den Menschen ankommt, um ihre Ansichten in die weitere Forschung einzubringen. Was akzeptieren sie? Was lehnen sie ab? Glauben sie, dass sich diese alternativen Lebensmittel durchsetzen können? Wie wirkt sich die Annahme, dass die Extremszenarien tatsächlich eintreten könnten, auf die Antworten der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus?

Unser Ziel ist menschenzentrierte Innovation. Die Bürgerinnen und Bürger wissen selbst am besten über ihre Ernährungswünsche und Zukunftsvorstellungen Bescheid. Und genau die möchten wir in die weitere Forschung einbeziehen. Wir erwarten uns davon robustere Zukunftsbilder und eine Weiterentwicklung unserer Forschungsagenda – ganz im Sinne von echter Partizipation. 

Die Fragen stellte Sören Maahs

Weitere Informationen

Mitmachen
Interessierte Bürgerinnen und Bürger können sich unter www.experiment-food4future.de an dem futuristischen Mitmach-Experiment beteiligen. Die Teilnahme dauert etwa 15 Minuten. 

Kontakt
Dipl.-Kffr. & M.A. Myriam Preiss, E-Mail: m.preiss@fu-berlin.de, Telefon: +49 30 838 52121.