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Die Netzwerker

Yasemin Soysal, Patryk Kusch und Matthew Harder recherchierten als Forscher-Alumni-Stipendiaten in Brasilien und Berlin / nächster Bewerbungsschluss des Programms für ehemalige Gast- und deren Nachwuchswissenschaftler: 31. März

05.03.2019

Doktorand Matthew Harder ist zurzeit Forscher-Alumni-Stipendiat an der Freien Universität.

Doktorand Matthew Harder ist zurzeit Forscher-Alumni-Stipendiat an der Freien Universität.
Bildquelle: Jennifer Gaschler

Matthew Harder promoviert an der University of Missouri. Der US-amerikanische Archäologe forscht zu einer Kleinstadt in Zentralitalien, genauer: zu deren Entwicklung von 600 vor bis 300 nach Christus. Noch in diesem Monat wird er zum ersten Mal zur Feldforschung nach Amelia in Umbrien reisen, doch zurzeit ist er in Berlin. Sechs Wochen lang verbringt Matthew Harder als Stipendiat des Forscher-Alumni-Programms am Institut für Klassische Archäologie der Freien Universität.

Forscher-Alumni sind internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die im Zuge ihrer akademischen Laufbahn an der Freien Universität als (Post-)Doktoranden oder Gastprofessoren geforscht und dann ihre Karriere in einem anderen Land fortgesetzt haben. Mit dem Vernetzungs- und Förderstipendium möchte die Freie Universität die Verbindung zu den Ehemaligen halten und das weltweite Netzwerk mit anderen Universitäten stärken.

„Über das Programm können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler für weitere zwei bis sechs Wochen zu Forschungszwecken an die Freie Universität kommen – oder den Wissenschaftsnachwuchs aus ihrem Arbeitsumfeld zu uns senden“, erläutert Franca Brand, Leiterin des Alumni-Büros. Umgekehrt könnten Nachwuchswissenschaftler der Freien Universität von bereits bestehenden Verbindungen profitieren: „Sie können über ein Stipendium einen mehrwöchigen Forschungsaufenthalt an internationalen Universitäten verbringen, von denen bereits Gastwissenschaftlerinnen und Gastwissenschaftler an der Freien Universität waren.“ Die Kosten für Anreise und Aufenthalt übernimmt das Forscher-Alumni-Programm.

Das Gastgeber-Prinzip

Eine Gastgeberin oder ein Gastgeber nimmt die Programmteilnehmer an der jeweiligen Universität auf – im Falle von Matthew Harder ist das Monika Trümper. Mit der Professorin für Klassische Archäologie hatte Harder zuvor vereinbart, wen er an der Freien Universität treffen möchte, erzählt der Stipendiat. „Mein Dissertationsthema ist sehr spezifisch, deshalb war es wirklich schön, mit anderen Doktoranden in Kontakt zu kommen, die an ähnlichen Projekten arbeiten.“ Gewinnbringend gewesen sei auch ein Gespräch mit Archäoinformatikerin Silvia Polla. Die Juniorprofessorin forscht unter anderem zum Einsatz von geografischen Informationssystemen bei Ausgrabungen, eine Methode, die Matthew Harder selbst zukünftig anwenden möchte.

Der Doktorand, der die erste Langzeitstudie über das antike Amelia erhebt, nutzt seinen Aufenthalt an der Freien Universität auch für umfangreiche Recherche in der Campusbibliothek: „Durch die lange archäologische Forschungstradition in Berlin ist die Literatur hier umfassender und spezifischer als in Missouri“, sagt er. In seiner Dissertation untersucht Harder vor allem, wie sich die Bewohnerinnen und Bewohner von Amelia nach ihrer Angliederung an das römische Kaiserreich einerseits assimilierten, wie sie andererseits aber auch ihre Rolle in einer Zeit des politischen und kulturellen Umbruchs aktiv verhandelten. Seine bisherigen Forschungserkenntnisse will Matthew Harder im Rahmen eines Vortrags auch am Institut für Klassische Archäologie präsentieren.

Nach Berlin und an die Freie Universität gekommen ist Harder durch den Forscher-Alumnus Marcello Mogetta, Assistenzprofessor für römische Kunst und Archäologie in Missouri – und sein Doktorvater. Mogetta hatte vor vier Jahren als Postdoktorand an einem Projekt der Freien Universität zu antikem Urbanismus in Italien bereits mit Monika Trümper gearbeitet.

Internationale Zusammenarbeit

Yasemin Soysal kennt die Freie Universität bereits: Bei ihrem ersten Aufenthalt war sie Stipendiatin des „Berlin Program for Advanced German and European Studies“, über das sich nordamerikanische Wissenschaftler aller Sozial- und Geisteswissenschaften in zeitgenössischer Deutschland- und Europawissenschaft vor Ort spezialisieren können. Inzwischen ist sie Professorin für Soziologie an der University of Essex und kooperiert weltweit mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern auf den Gebieten Migrationswissenschaft und Menschenrechtsforschung. Obwohl ihre Arbeit vor allem europazentriert sei, habe sie sich in letzter Zeit Ostasien gewidmet und die Region als empirischen Vergleich eingebracht, so Yasemin Soysal. Als Vortragende einer Konferenz der „Graduiertenschule für Ostasienstudien“ der Freien Universität kam sie so vor eineinhalb Jahren in Kontakt mit der Japanologin Verena Blechinger-Talcott, Direktorin des Kollegs und Professorin an der Freien Universität für Politik und Wirtschaft Japans. Beide Wissenschaftlerinnen hätten schnell Übereinstimmung in ihren Forschungsinteressen und Recherchekreisen entdeckt und wollten ihren intellektuellen Austausch fortsetzen, sagt Soysal.

Als Forscher-Alumna hat die Soziologin deshalb im vorigen September einen Aufenthalt am Ostasiatischen Seminar der Freien Universität verbracht: „Das hat mir Gelegenheit gegeben, mich mit dem aktuellen Forschungsstand und Forschenden der Ostasienstudien vertraut zu machen – vor allem über meine Disziplin, die Soziologie, hinaus.“ Durch den internationalen Workshop „Cultural Mobilities and their Transnational Entanglements in East Asia“, den die Soziologin gemeinsam mit Verena Blechinger-Talcott organisiert hat, konnte sie Verbindungen aufbauen mit weiteren Wissenschaftlern, die sich mit Phänomenen der Migration in China und Japan aus verschiedensten Blickwinkeln beschäftigen.

„Berlin und vor allem Dahlem haben meine intellektuelle Entwicklung und mein Sozialleben entscheidend beeinflusst“, sagt Yasemin Soysal. Auch deshalb kehre sie immer wieder gerne zurück. Vier Jahre hat sie hier schon gelebt: kurz vor dem Mauerfall, dann Mitte der Neunzigerjahre, Anfang der Zweitausenderjahre, schließlich 2014. „Jedes Mal wenn ich wieder hier bin, fühlt es sich an, als wäre ich nie weg gewesen“, sagt die Wissenschaftlerin nostalgisch. Auch deshalb freue sie sich über die weitere Zusammenarbeit mit dem Ostasiatischen Seminar. Ein gemeinsamer Fachzeitschriftenartikel mit Verena Blechinger-Talcott ist bereits geplant.

Postdoktorand Patryk Kusch – hier vor dem Messlaser der Freien Universität – recherchierte mit dem Forscher-Alumni-Stipendium an der Universidade Federal de Minas Gerais in Brasilien.

Postdoktorand Patryk Kusch – hier vor dem Messlaser der Freien Universität – recherchierte mit dem Forscher-Alumni-Stipendium an der Universidade Federal de Minas Gerais in Brasilien.
Bildquelle: Privat

Mensch und Maschine

Sich international fachlich auszutauschen, selbst wenn die Universitäten räumlich weit entfernt voneinander liegen, sieht der Postdoktorand Patryk Kusch als großen Vorteil des Forscher-Alumni-Programms. Der Nanophysiker hat im vergangenen Sommer vier Wochen in der brasilianischen Stadt Belo Horizonte an der Universidade Federal de Minas Gerais verbracht. Dort habe er zum einen mit Ado Jorio, Professor für Physik und „eine Koryphäe der Ramanspektroskopie“, zusammengearbeitet. Zum anderen interessierte ihn das dortige hochentwickelte Tip-enhanced Raman Spektroskop.

Mit dem optischen Gerät wird Licht in sein Spektrum zerlegt und dessen Streuung an Molekülen oder Festkörpern untersucht. So können Informationen über die Materialeigenschaften und hochauflösendes Bildmaterial gewonnen werden – eine wichtige Analysemethode für die Berliner Arbeitsgruppe unter Leitung von Stephanie Reich, die zu den physikalischen Eigenschaften von nur nanometerkleinen Systemen forscht. „Ein unglaublicher Wissensgewinn“ sei sein Aufenthalt in Brasilien für sein Team gewesen, sagt Patryk Kusch. „Jorio ist einer der führenden Wissenschaftler in dieser Messmethode und das dortige Tip-enhanced Raman Spektroskop war eines der ersten weltweit.“ Auch am Institut für Physik der Freien Universität gibt es ein solches Messgerät, durch den direkten Vergleich mit dem brasilianischen Modell konnte der Postdoktorand herausfinden, welche Funktionen in Berlin noch ergänzt werden könnten. Die Beleuchtung der Proben findet bei beiden Geräten zudem jeweils von unterschiedlichen Seiten statt. Von den Vergleichswerten profitieren also beide Forschungsgruppen.

Wissenstransfer und Kooperationen

Die Vernetzung beider Forschungsinstitute haben vor einigen Jahren die Physikprofessoren Stephanie Reich von der Freien Universität und Ado Jorio angestoßen, inzwischen bestehe ein „reger Wissenstransfer, auch zwischen uns Nachwuchswissenschaftlern“, so Patryk Kusch. „Zukünftig wird unsere Zusammenarbeit wohl noch enger“, freut sich der Postdoktorand: Eine gemeinsame Publikation mit Ado Jorio zur Messmethode sei im Entstehen, der Physikprofessor werde im nächsten Sommer wieder zu Forschungszwecken an die Freie Universität reisen. Und möglicherweise könnte über das Forscher-Alumni-Programm auch ein Nachwuchswissenschaftler der Universidade Federal de Minas Gerais für einen mehrwöchigen Aufenthalt nach Berlin kommen.

Weitere Informationen

Im Rahmen des Forscher-Alumni-Programms der Freien Universität werden zwei- bis sechswöchige Forschungsaufenthalte gefördert.

Antragsberechtigt sind Forscher-Alumni der Freien Universität (Incoming), Nachwuchswissenschaftler aus den Heimatinstitutionen der Forscher-Alumni (Incoming) und Nachwuchswissenschaftler der Freien Universität (Outgoing).

Bewerbungsschluss: 31. März 2019

Durchführungszeitraum: Juni 2019 - März 2020