Alles auf eine Karte setzen
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität entwickeln eine Online-Übersichtskarte zu Minenkonflikten in Burkina Faso
19.12.2017
Burkina Faso im westlichen Afrika ist der am schnellsten wachsende Goldproduzent auf dem afrikanischen Kontinent. Trotzdem zählt das Land zu den ärmsten der Welt. Seit Mitte der 2000er Jahre erhalten in Burkina Faso multinationale und nationale Unternehmen vielfach neue Abbaulizenzen. Häufig müssen Dörfer, Landwirtschafts- und Weideflächen sowie handwerklicher Goldabbau den Bergwerken weichen. Eine interaktive Übersichtskarte, die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vom Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften der Freien Universität entwickelt haben, zeigt Minen und damit verbundene Konflikte.
Lokalbevölkerung sowie Aktivistinnen und Journalisten informieren
Menschen müssen ihre Dörfer verlassen, weil an ihrer Stelle neue Minen gebaut werden, können ihre Felder oder handwerkliche Goldabbaustätten nicht mehr nutzen und verlieren so ihre Existenzgrundlage: Die Ausweitung des industriellen Bergbaus führt in Burkina Faso zu zahlreichen Konflikten. Dokumentiert sind solche Fälle in einer interaktiven Karte, für die Bettina Engels, Juniorprofessorin für Empirische Konfliktforschung mit Schwerpunkt Subsahara-Afrika, und ihre Kolleginnen von der Freien Universität verantwortlich zeichnen.
Mithilfe der Karte wollen sie der Lokalbevölkerung sowie Aktivistinnen und Aktivisten, Journalistinnen und Journalisten Anhaltpunkte geben, wie es derzeit um die Situation in Burkina Faso bestellt ist. Bettina Engels weiß darum aus erster Hand, denn die Politikwissenschaftlerin bereist Burkina Faso regelmäßig im Rahmen ihrer Feldforschungen. „Theoretisch wird die Bevölkerung über die Eröffnung neuer Minen informiert, faktisch ist das aber häufig nicht der Fall. Ich habe gesehen, dass Häuser mit weißer Farbe markiert wurden, was bedeuten soll, dass die Menschen ihre Häuser räumen müssen. Sie wissen aber nicht, wann das passiert und wohin sie gehen sollen.“
Die von Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterun um Juniorprofessorin Bettina Engels entwickelte Übersichtskarte informiert digital über offiziell genehmigte Minen. Verwendet wird Open Source-Technologie, damit sie von allen und überall einsehbar ist.
Bildquelle: Screenshot / GLOCON
Das Team um Bettina Engels (2. v. rechts).
Bildquelle: Christina Palitzsch
Aufgrund der unübersichtlichen Lage sei es den Menschen häufig kaum möglich, sich zur Wehr zu setzen – es mangele an verlässlichen und relevanten Informationen. „Gesetzlich ist vorgeschrieben, dass Minenstandorte und Eckdaten bekanntgemacht werden“, erklärt Christian Sonntag, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Geografischen Institut der Humboldt-Universität, der die Karte mitentwickelt hat. Auf den Webseiten der Minenbetreiber finde man dennoch häufig keine oder sogar falsche Angaben. Hier soll die Übersichtskarte helfen: „Wenn man auf einer digitalen Karte abbildet, wo offiziell gefördert werden darf, können die Menschen vor Ort nachsehen, ob ein Zaun auch wirklich an der richtigen Stelle verläuft und Beschwerde einreichen, wenn das nicht der Fall ist. Unsere Idee war es, Informationen und Forschungsergebnisse übersichtlich aufbereiten und allgemein zugänglich machen“, so Bettina Engels.
Karte verbindet Geodaten mit Daten der qualitativen Sozialforschung
Innerhalb eines Jahres entstand so die interaktive Webkarte zu Minenkonflikten in Burkina Faso. Die Daten dazu haben die Wissenschaftlerinnen zuvor in einem drei Jahre währenden Prozess zusammengetragen. „Der geistige Vater der Karte ist Christian Sonntag“, sagt Engels. Von Haus aus Geograf, habe sich Sonntag in monatelanger Arbeit programmiererische Fähigkeiten angeeignet und die Karte entworfen, die seit Kurzem der Öffentlichkeit zur Verfügung steht.
Diese verbindet Geodaten mit Daten der qualitativen Sozialforschung: Durch Anklicken einzelner Standorte erhalten Interessierte Informationen zur Lage in einer bestimmten Region, können sich Bilder und weiterführende Forschungsberichte anzeigen lassen. „Man kann zwischen Satellitenbildern, Landschaftsbildern und einer geologischen Darstellung wählen. Besonders wichtig war uns, Open Source-Technologie zu verwenden, sodass die Karte wirklich überall auf der Welt und mit jeder Art von Browser angezeigt werden kann“, erklärt Christan Sonntag. „Auch kann man zwischen Englisch und Französisch wählen, sodass auch die französischsprachige Bevölkerung sich informieren kann. Wir aktualisieren die Karte laufend.“
Positive Reaktionen
In Burkina Faso hätten Journalistinnen und Journalisten sowie zivilgesellschaftliche Organisationen sehr positiv auf das Projekt reagiert. „Die Vogelperspektive, die man mit unserer Karte einnehmen kann, wird sehr geschätzt – auch von Aktivistinnen und Aktivisten, die sich einen Überblick verschaffen wollen. Der Umfang der Minen, die riesigen Becken, in denen mithilfe von Chemikalien Edelmetalle aus dem Gestein gelöst werden, sind vom Boden aus schlecht zu sehen und einzuschätzen“, sagt Bettina Engels.
Neben der Arbeit des vierköpfigen Teams in Berlin haben auch andere zur Realisierung des Projekts beigetragen. „Viele Informationen und Bilder stammen aus lokalen Quellen, etwa von Masterstudierenden und Promovierenden vor Ort, die zu Minenkonflikten forschen, sowie von Nichtregierungsorganisationen und Privatpersonen. Ich könnte gar nicht sagen, wie viele Menschen an dem Projekt beteiligt sind“, sagt Bettina Engels. Auch Kolleginnen und Kollegen von anderen Hochschulen in Europa hätten sich gemeldet: „Sie würden gerne eine ähnliche Karte für Ghana, Senegal oder Tansania entwickeln – dort ist die Situation sehr ähnlich.“