Springe direkt zu Inhalt

Wedding bei Studierenden beliebter als Prenzlauer Berg

Statistiker der Freien Universität haben im Auftrag des Senats eine Studie über studentisches Wohnen in Berlin verfasst

27.10.2016

Durch eine Art Dichteschätzung stellten Professor Timo Schmid und Marcus Groß die Verteilung studentischen Wohnens in Berlin dar.

Durch eine Art Dichteschätzung stellten Professor Timo Schmid und Marcus Groß die Verteilung studentischen Wohnens in Berlin dar.
Bildquelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt; Freie Universität Berlin

Zuvor mussten die Studierendenzahlen von der Postleitzahlen-Ebene umgerechnet werden.

Zuvor mussten die Studierendenzahlen von der Postleitzahlen-Ebene umgerechnet werden.
Bildquelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt; Freie Universität Berlin

In seinem nächsten Projekt beschäftigt sich Timo Schmid, Professor für angewandte Statistik der Freien Universität, mit dem Berliner Mietspiegel.

In seinem nächsten Projekt beschäftigt sich Timo Schmid, Professor für angewandte Statistik der Freien Universität, mit dem Berliner Mietspiegel.
Bildquelle: Leistenschneider

Wo in Berlin und Brandenburg wohnen Studentinnen und Studenten, auf welche Berliner Ortsteile verteilen sie sich? Antworten auf diese Fragen gibt die Studie „Ermittlung der Verteilung studentischen Wohnens in Berlin“, die Timo Schmid, Professor für angewandte Statistik der Freien Universität, und Marcus Groß, sein ehemaliger Doktorand, im Auftrag der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt durchgeführt haben. Aufgrund der Studie lassen sich Thesen darüber aufstellen, wonach Studierende ihren Wohnsitz aussuchen.

Kurze Entfernung zur Hochschule sowie Zentrumsnähe – vor allem nach diesen beiden Kriterien wählen Studierende der Berliner Hochschulen offensichtlich ihren Wohnort in der Metropolregion Berlin-Brandenburg aus. Zudem wurde im Vergleich der Jahre 2005 und 2015 festgestellt, dass sich die Beliebtheit einzelner Ortsteile bei Studierenden stark verändert hat. War Prenzlauer Berg 2005 noch das beliebteste Viertel, verlor es in den vergangenen zehn Jahren an Attraktivität – trotz steigender Studierendenzahlen in der Hauptstadt. Zwischenzeitlich hatte sich Neukölln zum begehrtesten Viertel entwickelt. Doch die Studierenden bleiben in Bewegung: „Zum Ende des Analysezeitraums scheinen Wedding und Moabit Neukölln in dieser Rolle abzulösen, obwohl die Ortsteile zu Beginn von Studierenden eher gemieden wurden“, sagt Marcus Groß.

Neue mathematisch-statistische Methode

Mit der aktuellen Studie liegen zum ersten Mal kleinräumige Daten auf der Ebene der sogenannten lebensweltlich orientierten Räume (LOR) vor, die den Senats- und Bezirksverwaltungen als Planungsgrundlage dienen. „Wir haben die kleinste Ebene untersucht, die Berlin in 447 LOR einteilt“, sagt Timo Schmid. Diese Datenebene habe ihn und seinen Kollegen Marcus Groß vor die eigentliche Aufgabe gestellt: die Studierendenzahlen von der Postleitzahlen-Ebene auf die LOR umzurechnen. Hierfür nutzten die Wissenschaftler eine neue mathematisch-statistische Methode, die sie in diesem Jahr gemeinsam mit Ulrich Rendtel, Professor am Institut für Statistik und Ökonometrie der Freien Universität, Sebastian Schmon, ehemaliger Masterstudent der Freien Universität, und Professor Nikos Tzavidis von der University of Southampton in Großbritannien für eine Studie über die Verteilung des Wohnraums von Menschen mit Migrationshintergrund sowie älteren Menschen in Berlin im Journal of the Royal Statistical Society veröffentlicht haben.

„Wir haben eine Art Dichteschätzung gemacht“, sagt Timo Schmid. „Das kann man sich wie eine Temperaturkarte vorstellen, auf der es kontinuierliche Übergänge gibt – also eine kontinuierliche Studierendenanzahlkarte.“ Auf dieser Karte können anschließend beliebig Grenzen gezogen und die entsprechenden Werte ausgezählt werden. Die Studie kann von den Senats- und Bezirksverwaltungen als Grundlage für Infrastrukturmaßnahmen, Projekte zugunsten Studierender oder auch für vertiefende Studien genutzt werden.

Hohe Fluktuation bei Studierenden

Beim Vergleich der beiden Studien zum Wohnraum in Berlin kam Timo Schmid zu einem überraschenden Ergebnis: „Wir hatten uns zunächst über einen bestimmten Zeitraum angeschaut, wo Menschen beispielsweise mit türkischem oder russischem Migrationshintergrund in Berlin leben. Dabei haben wir festgestellt, dass sie regional nah beieinander wohnen und dass die betreffenden Wohngebiete relativ fest sind.“ Wenn jemand aus dieser Gruppe neu nach Berlin kommt, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass es ihn auch in eines dieser Zentren zieht. „Dieses Phänomen gibt es bei Studierenden nicht“, sagt der Statistiker. Bei Studierenden gäbe es eine viel höhere Fluktuation, da sie teilweise fürs Studium nach Berlin kommen und nach wenigen Jahren wieder wegziehen, wegen Familiengründung die Wohnung wechseln oder einfach nach dem Abschluss nicht mehr zur Gruppe der Studierenden zählen. Anhand der Studierendenbewegung in der Stadt, könnten also relativ gut Mietpreisentwicklungen und die Attraktivität der Bezirke abgelesen werden sagt Timo Schmid.

Ein ähnliches Projekt startet der Wissenschaftler demnächst mit Blick auf den Berliner Mietspiegel: „An die Daten für eine durchschnittliche Miete in Berlin-Steglitz oder Köpenick zu kommen, ist nicht besonders schwer. Aber wenn ich mir einen bestimmten Straßenzug herausnehme, also eine sehr kleine räumliche Ebene, wie sieht die durchschnittliche Miete dann für einen lebensweltlich orientierten Raum aus? Das ist extrem spannend.“