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Gemeinsam den Kaukasus erforschen

Mit dem Botanischen Institut Komarov der Russischen Akademie der Wissenschaften in St. Petersburg erstellen Forscher des Botanischen Gartens und Botanischen Museums einen Pflanzenkatalog zur Kaukasusregion

21.09.2015

Der „Falsche Orient-Mohn“ (Papaver pseudoorientale) ist heute eine beliebte Gartenpflanze. Heimisch ist der Mohn im Kaukasus.

Der „Falsche Orient-Mohn“ (Papaver pseudoorientale) ist heute eine beliebte Gartenpflanze. Heimisch ist der Mohn im Kaukasus.
Bildquelle: G. Parolly, BGBM Berlin-Dahlem

Auch der blaue Rittersporn (Delphinium) zählt zu den typischen Pflanzen der Kaukasus-Region.

Auch der blaue Rittersporn (Delphinium) zählt zu den typischen Pflanzen der Kaukasus-Region.
Bildquelle: BGBM Berlin-Dahlem

Mitarbeiter des Botanischen Gartens in Berlin-Dahlem und botanischer Institute aus Russland trafen kamen in der russischen Stadt Pjatigorsk zusammen. Gemeinsam wollen sie den Nordkaukasus erforschen

Mitarbeiter des Botanischen Gartens in Berlin-Dahlem und botanischer Institute aus Russland trafen kamen in der russischen Stadt Pjatigorsk zusammen. Gemeinsam wollen sie den Nordkaukasus erforschen
Bildquelle: Valeriy J. Litvinov

Die botanische Vielfalt des Kaukasus ist einzigartig: Etwa 7.000 Blütenpflanzen wachsen hier. Wegen ihrer besonderen klimatischen und geologischen Bedingungen – diese reichen von Steppen über kalte Hochebenen bis hin zu feuchtwarmen Wäldern am Schwarzen Meer – ist die Region für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Botanischen Garten und Botanischen Museum der Freien Universität Berlin (BGBM) schon lange Gegenstand von Forschung und Ausstellungen. Bislang stand vor allem der Südkaukasus im Fokus. In diesem Sommer reiste der Direktor des Botanischen Gartens, Professor Thomas Borsch, nun mit einer Delegation in den Nordkaukasus, um neue Kooperationen anzustoßen.

Besucherinnen und Besucher des Botanischen Gartens können die kaukasische Pflanzenwelt im „Kleinformat“ erkunden: „Kaukasus und Südwestasien“ heißt der Gartenabschnitt, in dem zumindest ein Teil der regionalen Artenvielfalt zu sehen ist. In Kooperation mit russischen Einrichtungen wollen die Forscher des BGBM jetzt ein Großprojekt in Angriff nehmen und einen Katalog erstellen, der die gesamte dortige Flora berücksichtigt. „Für das Verständnis der Pflanzenvielfalt in Eurasien ist diese Region zwischen Orient und Okzident enorm wichtig“, sagt Thomas Borsch.

Bereits seit 2010 arbeitet der Botanische Garten mit den botanischen Instituten und Gärten im armenischen Jerewan, Baku in Aserbaidschan und dem georgischen Tbilissi (Tiflis) zusammen. Mit Schwerpunkt auf den Südkaukasus wird außerdem seit 2011 in dem von der VolkswagenStiftung geförderten Projekt „Developing Tools for Conserving the Plant Diversity of the Transcaucasus“ („Entwicklung von IMaßnahmen zur Erhaltung der Pflanzenvielfalt des Südkaukasus“) geforscht.

Ergebnisse des Kaukasus-Katalogs fließen auch in die Datenbank namens „Euro+Med PlantBase“ ein. Diese wurde in den 1990er-Jahren am BGBM eingerichtet und seitdem zusammen mit Kooperationspartnern aus aller Welt stetig weiterentwickelt – hier sollen einmal alle euro-mediterranen Pflanzenarten verzeichnet sein.

Reiche botanische Wissenstradition in Russland

„Die Bedeutung der Pflanzenwelt im Kaukasus kann man nur begreifen, wenn auch das russische Gebiet, also der Nordkaukasus miteinbezogen wird“, sagt BGBM-Direktor Thomas Borsch, Professor für systematische Botanik und Pflanzengeographie. Ende Juni reiste er mit einem Forscherteam der Freien Universität in die russische Stadt Pjatigorsk, um dort Kollegen botanischer Institute aus Russland und der Region zu treffen. „In Russland gibt es eine reiche botanische Wissenstradition. Die umfangreiche Literatur zum Thema können wir aber nur mithilfe der russischen Kollegen erschließen und verstehen“, sagt Thomas Borsch.

Um Kooperationsmöglichkeiten auszuloten, waren zu dem Treffen auch Vertreter des Deutschen Hauses für Wissenschaft und Innovation Moskau, Mitarbeiter der Deutschen Forschungsgemeinschaft, des Deutschen Akademischen Austauschdienstes und des World Wide Fund for Nature, kurz WWF, geladen.

Besonders mit dem Botanischen Institut Komarov in St. Petersburg ist eine engere Zusammenarbeit geplant. Das der Akademie der Wissenschaften angehörige Institut ist laut Borsch mit seinen Teildisziplinen und dem Botanischen Museum dem BGBM in Dahlem sehr ähnlich. Nur in Teamarbeit könne man sich dem Ziel eines umfassenden Katalogs der kaukasischen Pflanzenvielfalt überhaupt nähern, sagt er: „Im Prinzip müssen wir uns jede Organismen-Gruppe in ganz Eurasien anschauen. Nur mit einem übergeordneten Blick lässt sich sagen, wo ein Organismus, also eine Pflanzenart, auftritt, wo sie herkommt, und wie sie im Laufe der Evolution entstanden ist“.

Gut, dass es sowohl an den Instituten in Berlin als auch in St. Petersburg Spezialisten zu den jeweiligen Verwandtschaftsgruppen gibt. Deren Wissen und Daten müssen nun zusammengebracht werden – ein Stärke der Arbeitsgruppe Biodiversitätsinformatik am Botanischen Garten in Dahlem.

Wie sehen Schutzgebiete für Pflanzen aus?

„Unser Vorhaben hat auch eine starke Umwelt- und Naturschutzkomponente“, sagt Thomas Borsch. Denn gefährdete Wildpflanzen, die besonderen Schutz brauchen, gibt es in der Kaukasus-Region als einer der sogenannten globalen Hotspots der Biodiversität in großer Zahl. Wie aber gestaltet man Schutzgebiete für Pflanzen?

„Bei Säugetieren weiß man sehr viel über die genaue Verbreitung der Arten – im botanischen Bereich noch fast gar nichts“, sagt der Pflanzenwissenschaftler. Zunächst müsse man in Erfahrung bringen, welche Pflanzenarten es überhaupt gebe, und wo sie vorkämen. Darauf aufbauend könnten dann Naturschutzstrategien entwickelt werden. „Die Arbeit an dem Arten-Katalog muss man sich wie eine Art Mosaik vorstellen“, beschreibt er das Vorhaben. In Zusammenarbeit mit den Kollegen in Russland und den an den Südkaukasus angrenzenden Ländern ist das aus seiner Sicht machbar – Stück für Stück.