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Fragen, Glauben, Antworten

Drei Studierenden gelingt die bislang weltweit umfassendste familienpolitische Umfrage unter Katholiken

25.08.2015

In welche Richtung sollte die Familienpolitik der katholischen Kirche gehen? Drei Studierende befragten Gläubige in aller Welt.

In welche Richtung sollte die Familienpolitik der katholischen Kirche gehen? Drei Studierende befragten Gläubige in aller Welt.
Bildquelle: Flügelwesen / photocase.com www.photocase.de

Projektkoordinatorin Sarah Delere studiert an der Freien Universität Katholische Theologie, Politikwissenschaft und Geschichte.

Projektkoordinatorin Sarah Delere studiert an der Freien Universität Katholische Theologie, Politikwissenschaft und Geschichte.
Bildquelle: Jenny Jörgensen

Wie denken Katholiken heute über Ehe, Familie und Sexualität? Drei Bachelorstudenten der Freien Universität Berlin und der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster haben hierzu die weltweit größte wissenschaftliche Umfrage durchgeführt. 12.400 Gläubige in 42 Ländern haben daran teilgenommen, darunter 7.900 in Deutschland. Der Veröffentlichung der Studienergebnisse in der vergangenen Woche folgte ein enormes Medienecho mit zahllosen Interviewanfragen. „Die Resonanz hat uns überwältigt“, sagt Sarah Delere, die an der Freien Universität Katholische Theologie, Politikwissenschaft und Geschichte studiert und das unabhängige Forschungsprojekt koordiniert.

Die Studie, die in der renommierten theologischen Fachzeitschrift „Stimmen der Zeit“ veröffentlicht wurde, schaffte es in die „Tagesschau“, in die „Tagesthemen“ sowie auf die Titelseite der „Süddeutschen Zeitung“. Zu den zahlreichen weiteren Printmedien, Radiosendern, Nachrichtenagenturen und Online-Portalen, die berichteten, zählten „Spiegel“, „Stern“ und der Berliner „Tagesspiegel“ ebenso wie die „Deutsche Welle“ und „Radio Vatikan“.

Enormes Medieninteresse

Mehr als eine Stunde interviewte allein „Die Zeit“ Sarah Delere und ihre beiden Forschungskollegen aus Münster, Anna Roth und Tobias Roth, die ebenfalls Katholische Theologie und Politikwissenschaft studieren. „Bereits am Mittwoch gab es mehr als 200 Meldungen in den Medien. Wir können es noch nicht ganz fassen“, sagt Sarah Delere.

„Fragt die Gläubigen!“ – Diese Aufforderung von Papst Franziskus im Vorfeld der Bischofssynoden zu Fragen von Ehe und Familie war der Ausgangspunkt für die private Studie, die die Studierenden aus persönlichem Interesse und unabhängig von ihrem Studienprogramm durchführten. In der Studie wird erwähnt, dass der Vatikan bereits eine eigene Umfrage veranlasst, diese jedoch nicht überall die erhoffte Verbreitung und Teilnehmerbeteiligung erfahren habe. Zu unverständlich formuliert seien die Fragenbögen aus Rom gewesen, lauteten die Einschätzungen einiger der befragten Bistümer.

Fragebögen des Vatikans überarbeitet und per Schiff weltweit verteilt

Die drei befreundeten Studierenden, begeistert vom Impuls des Papstes zur Umfrage, übersetzten die Fragen in eine allgemein verständliche Sprache und modifizierten diese nach sozialwissenschaftlichen Ansprüchen. Um höchste wissenschaftliche Standards zu erfüllen, baten sie das GESIS-Leibniz-Institut für Sozialwissenschaften um Unterstützung und suchten renommierte Ethnologen, Soziologen und Psychologen im gesamten Bundesgebiet auf, um sich für die Umsetzung ihres Vorhabens beraten zu lassen. Finanziert wurde es durch einen Zuschuss der Universität Münster für studentische Forschungsprojekte. Um die Fragebögen in Gemeinden weltweit verteilen zu können, bewarben sich Anna und Tobias Roth außerdem mit Erfolg bei der University of Virginia auf Stipendien für ein Semester auf See.

Mit dem fertigen Fragebogen im Gepäck bestieg das Ehepaar Roth dann im September 2014 das Universitätsschiff und verteilte bis Januar 2015 die Bögen in den Küstenstädten Europas, Nordafrikas, Süd- und Nordamerikas. In den Gemeinden führten die beiden zusätzlich zahlreiche informelle Interviews durch, um zu verstehen, was Gläubigen etwa in Marokko, Brasilien oder Polen wichtig ist.

Online-Fragebogen in sieben Sprachen

In Berlin trat Sarah Delere eine virtuelle Reise an. Sie nahm Kontakt zu Gemeinden auf allen Kontinenten auf, schrieb weltweit Bischöfe an und koordinierte die Forschungsaufenthalte ihrer Partner. Während ihre Kollegen die Fragebögen verteilten, verbreitete sie den Link zu einem Online-Fragebogen in sieben Sprachen, den das Team in Zusammenarbeit mit Übersetzern zusätzlich erstellt hatte, und den Gläubige von Januar bis März 2015 ausfüllen konnten.

Neben all diesen Aktivitäten besuchten die drei Studierenden weiter ihre Uni-Seminare, bereiteten Referate vor, schrieben Hausarbeiten – und werteten schließlich die eingegangenen ausgefüllten Fragebögen aus. „Wir haben wenig geschlafen in den vergangenen anderthalb Jahren und selbst unterm Weihnachtsbaum weitergearbeitet“, sagt Delere, Stipendiatin des Cusanuswerks und der Studienstiftung des Deutschen Volkes. „Aber die große Resonanz hat uns gezeigt, dass wir das Richtige tun. Das hat uns motiviert. Die Gläubigen wollen ernst genommen werden, und wir wollen ihre Stimmen in der Kirche zu diesem Thema vor der Synode hörbar machen.“

Ergebnisse werden in Rom vorgestellt

Die nicht repräsentative Studie zeigt unter anderem, dass die meisten Befragten regelmäßige Kirchgänger sind, ihnen eine kirchliche Hochzeit und auch die christliche Erziehung von Kindern wichtig ist. Bei Fragen der Empfängnisverhütung aber spielt die kirchliche Lehre für sie keine Rolle. In fast allen Ländern wünschen sich die Befragten mehr Verantwortung für Frauen in der Kirche, zum Beispiel als geweihte Diakoninnen.

Ebenfalls wünschen sich die Befragten weltweit, dass entgegen der kirchlichen Lehre wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden. Während sich in Deutschland 70 Prozent der Befragten für eine Anerkennung und Segnung gleichgeschlechtlicher Paare aussprechen, sind die meisten Studienteilnehmer aus Polen, Südeuropa und Brasilien dagegen.

Im Oktober tagt die Bischofssynode zu Familienpolitik in Rom. Dorthin wird der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode die Studienergebnisse mitnehmen. Ob die Bischöfe genau diese Anliegen der Gläubigen aufnehmen, könne sie allerdings nicht einschätzen, sagt Sarah Delere – da bleibt die gläubige Katholikin realistisch.