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Gewaltige Neugier

Der Physiker Wolfgang Junge hat die Ehrendoktorwürde der Freien Universität erhalten

18.02.2015

Nimmt die Ehrendoktorwürde entgegen: Physikprofessor Dr. Wolfgang Junge (2. v. l.) mit Kanzler Peter Lange (ganz rechts), Dekan Prof. Dr. Robert Bittl (2. v. r.) und Prof. Dr. Joachim Heberle (l.) vom Institut für experimentelle Physik.

Nimmt die Ehrendoktorwürde entgegen: Physikprofessor Dr. Wolfgang Junge (2. v. l.) mit Kanzler Peter Lange (ganz rechts), Dekan Prof. Dr. Robert Bittl (2. v. r.) und Prof. Dr. Joachim Heberle (l.) vom Institut für experimentelle Physik.
Bildquelle: Marina Kosmalla

Den Festvortrag hielt Professor Menachem Gutman von der Tel Aviv University.

Den Festvortrag hielt Professor Menachem Gutman von der Tel Aviv University.
Bildquelle: Marina Kosmalla

Aktiv sein in der Wissenschaft, etwas Neues entdecken – das hat Wolfgang Junge immer am meisten Spaß gemacht: „Schon als Kind habe ich meine Mutter mit der Frage gequält, ob es noch etwas zu entdecken gäbe, wenn ich groß sei.“ Der heute 74-Jährige hatte Glück: Zwar kannte man schon Arktis, Antarktis und Afrika schon, aber in den Naturwissenschaften gab und gibt es noch viel zu erforschen. Einige dieser Rätsel hat der Physiker Wolfgang Junge in seiner eindrucksvollen Karriere gelöst. Für seine zahlreichen oft wegweisenden Arbeiten in der Biophysik, die zur wissenschaftlichen Entwicklung des Faches beigetragen haben, hat ihn der Fachbereich Physik der Freien Universität mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet.

Die Feier fand im Rahmen eines Kolloquiums des Sonderforschungsbereichs (SFB) 1078 „Proteinfunktion durch Protonierungsdynamik“ statt. Junges Arbeiten bilden den Grundstein für diesen SFB, an dem nicht nur Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Freien Universität beteiligt sind, sondern auch der Technischen Universität, der Humboldt-Universität, der Charité – Universitätsmedizin Berlin sowie des Leibniz-Instituts für Molekulare Pharmakologie.

Der Heimatstadt verbunden

„Als geborener Berliner, der in dieser Stadt sozialisiert wurde und fast 40 Jahre gelebt hat, ist es eine ganz besondere Freude, hier einen Ehrendoktortitel zu bekommen“, sagte Junge in seiner Dankesrede. Seine Herkunft wies er durch authentisches Berlinerisch nach: „Ick kann och noch so reden.“ Der Festvortrag wurde von Professor Menachem Gutman von der Tel Aviv University gehalten, mit dem Junge eine lange Freundschaft verbindet. Den Werdegang Junges und seine wichtigsten Arbeiten stellte Ernst Bamberg vom Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt am Main vor: „Junge gehört heute weltweit zu den führenden Biophysikern mit beeindruckender Vita in einem Forscherleben von fast 50 Jahren.“

Preiswürdige Forschung

Der 74-Jährige hat Pionierbeiträge zur Erforschung der Energiewandlung in biologischen Systemen geleistet. Dabei handelt es sich um Prozesse, die von grundlegender Bedeutung für das Leben auf der Erde sind: die Photosynthese der Pflanzen und die Bildung von ATP (= Adenosintriphosphat), eine Substanz, die die Zellen für ihre vielfältigen Aktivitäten mit Energie versorgt. Die frühen Arbeiten von Junge und seinen Kollegen bestätigten die „chemie-osmotische Hypothese“ des britischen Chemikers Peter Mitchell, der dafür 1978 den Nobelpreis verliehen bekam. Die Beiträge von Junges Arbeitsgruppe flossen außerdem in die Begründung des Chemie-Nobelpreises 1997 an Paul Boyer und John Walker ein, der für den rotatorischen Mechanismus des ATP-bildenden Enzyms vergeben wurde.

Nach der Emeritierung weiter aktiv

Wolfgang Junge studierte von 1959 bis 1965 Physik, Mathematik, und Hochfrequenztechnik an der Technischen Universität und als Gasthörer an der Freien Universität Berlin. Nach dem Abschluss als Diplom-Ingenieur und der Promotion habilitierte er sich 1971 an der Technischen Universität in Physikalischer Chemie. Schon während seiner Promotion (1968) bei Horst Witt hatte er zur oxygenen Photosynthese geforscht. Diesem Arbeitsgebiet blieb er sein Leben lang verpflichtet: zunächst als Assistenzprofessor, dann als Professor für Physikalische und Biophysikalische Chemie an der Technischen Universität. Als Gastwissenschaftler war er in den USA, Portugal, Spanien und Argentinien. 1979 nahm er den Ruf auf eine neu eingerichtete und sehr gut ausgestattete Professur für Biophysik an der Universität Osnabrück an, wo er bis zu seiner Emeritierung 2007 blieb.

Zur Ruhe setzen wollte Junge sich jedoch noch nicht. Nach zwei Jahren als „Rentner“ – in denen er sich weiterhin mit Physik beschäftigte, führte er seine Forschungen ab 2009 im Rahmen einer sogenannten Niedersachsenprofessur weiter. Dieses Instrument wurde vom Land Niedersachsen ins Leben gerufen, um herausragenden Wissenschaftlern zu ermöglichen, auch über die gesetzliche Altersgrenze hinaus in Forschung und Lehre tätig zu sein. Junge kooperierte mit in- und ausländischen Wissenschaftlern, hielt weltweit Vorträge und bot in Osnabrück Seminare und Spezialvorlesungen an.

Aktiv als Wissenschaftler und Privatmensch

„Die Niedersachsenprofessur ermöglichte mir eine Lehrtätigkeit außerhalb der Curricula. Ich konnte Themen behandeln wie die Zukunft der Energie, ein Querschnittsthema oder vertiefend über die theoretische Physik der Nanowelt“, erzählt Junge. Die Niedersachsenprofessur wird der gebürtige Berliner im März, eine Woche vor seinem 75. Geburtstag beenden: „Selbst bestimmen zu können, wann man aufhört, ist ein Privileg.“

Langweilig wird es dem vielfach Interessierten mit Sicherheit trotzdem nicht. „Ich bin und bleibe als Naturwissenschaftler und Vater von vier Kindern und inzwischen vier Enkeln aktiv.“ Für sein wissenschaftliches Wirken hat Junge im Laufe der Jahre zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, den Niedersächsischen Staatspreis, den Röntgen-Preis, den Rajewski-Preis, die Peter Mitchell Medal sowie den Lifetime Achievement Award der Rebeiz Foundation. „Mein erfolgreicher Weg hat sich durch glückliche Zufälle ergeben“, sagt Wolfgang Junge, „Neugier, Ehrgeiz, Risikobereitschaft und Fleiß haben mir ermöglicht, sie zu nutzen.“