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Mini-Shuttle für den Medikamenten-Transport

Eröffnung des Sonderforschungsbereichs „Nanocarrier“ / campus.leben-Gespräch mit Eckart Rühl, Professor für Physikalische Chemie

01.11.2013

Medikamenten-Transporter im Nano-Format: "Nanocarrier" sind so aufgebaut, dass sie die Wirkstoffe an die Stelle im Körper transportieren, an der sie heilen sollen.

Medikamenten-Transporter im Nano-Format: "Nanocarrier" sind so aufgebaut, dass sie die Wirkstoffe an die Stelle im Körper transportieren, an der sie heilen sollen.
Bildquelle: R. Haag, Freie Universität Berlin; Mohiuddin A. Quadir, Michał R. Radowski, Felix Kratz, Kai Licha, Peter Hauff, Rainer Haag, Journal of Controlled Release 132 (2008) 289–294)

Wie gelangen Wirkstoffe an die Stelle im Körper, wo sie zur Heilung von Entzündungen gebraucht werden? Die Antwort lautet: mithilfe von „Medikamenten-Transportern“, sogenannten Nanocarriern. Der Sonderforschungsbereich „Nanocarrier: Architektur, Transport und zielgerichtete Applikation von Wirkstoffen für therapeutische Anwendungen“ (SFB 1112), der an diesem Freitag an der Freien Universität eröffnet wird, beschäftigt sich mit der Erforschung neuer Wege bei der Behandlung entzündlicher Hauterkrankungen durch die wirkstoffbeladenen Trägersysteme in nanoskopischer Größe. Ein Gespräch mit dem Sprecher des SFB, Professor Eckart Rühl von der Physikalischen und Theoretischen Chemie an der Freien Universität.

Herr Professor Rühl, was sind und wie wirken Nanocarrier?

Nanocarrier sind ganz allgemein Strukturen, die eine sehr geringe Ausdehnung haben und Wirkstoffe aufnehmen und transportieren können. Dabei entspricht ein Nanometer 0,0000001 Zentimetern – das ist ca. 50000-fach dünner als ein Haar. Die Nanocarrier, die im Sonderforschungsbereich 1112 hergestellt werden, sind ca. 10-100 nm groß und bestehen aus Polymeren, in die Wirkstoffe eingelagert sind. Entscheidend ist, dass diese Kunststoffe, die als Transporthüllen für Wirkstoffe dienen, diese Wirkstoffe „auf Kommando" freisetzen, nämlich dort, wo der Wirkstoff zur Heilung von Entzündungen benötigt wird. Dies lässt sich zum Beispiel durch Veränderung der Temperatur oder des pH-Wertes erreichen. Die leeren Transporthüllen sollen nachfolgend in ungiftige Bestandteile zerfallen. Im SFB 1112 werden die Grundlagen zur Behandlung entzündlicher Hautkrankheiten mittels Nanocarriern untersucht. Die Haut ist ideal als Untersuchungsgegenstand, da die Transportwege kurz und für Untersuchungen einfach zugänglich sind.

Welche Vorteile haben sie gegenüber den derzeit angewendeten Mitteln?

Nanocarrier haben gegenüber dem reinen Wirkstoff oder den häufig genutzten Salben den Vorteil, dass ihr Transportvermögen in der Haut deutlich höher ist als das der reinen Wirkstoffe oder Salben. Der Grund dafür ist, dass die Eigenschaften der Grenzflächen der Nanocarrier, die beim Transport in die Haut mit ihrer Umgebung wechselwirken, gezielt verändert werden können. Die meisten Wirkstoffe sind „hydrophob", sie mischen sich also nicht gut mit Wasser. Nanocarrier lassen sich aber auch mit „hydrophiler" Oberfläche herstellen, sodass der Transport von Wirkstoffen in der Haut optimierbar ist.

Bei welchen Hautkrankheiten sollen Nanocarrier angewendet werden?

Entzündliche Hautkrankheiten, wie sie häufig auftreten, sind die Schuppenflechte (Psoriasis) und das atopische Exzem (atopische Dermatitis). Diese Krankheiten gehen mit einer Verminderung der Hautbarriere einher. Die im SFB 1112 hergestellten Nanocarrier können nach Abschluss der Entwicklungsarbeiten für diese Krankheiten mit besonders geringer Wirkstoffmenge und somit minimalen Nebenwirkungen eingesetzt werden. So weit ist es aber noch nicht. Vorerst sind die Nanocarrier zunächst Objekte der Forschung, um das wissenschaftliche Konzept anhand der gestörten Hautbarriere zu erproben.

Was ist das Besondere an dem neuen Forschungsbereich und der Zusammenarbeit der vier beteiligten Institutionen?

Das Besondere ist die enge und bereits vielfach erprobte Zusammenarbeit der beteiligten Arbeitsgruppen, denn die Anforderungen an Nanocarrier als innovatives Therapiekonzept sind hoch. Daher bedarf deren Entwicklung einer eng verzahnten und interdisziplinären Kooperation verschiedener Arbeitsgruppen und Institutionen. Hierzu gehören die Freie Universität Berlin, die Universität Potsdam, die Charité und das Helmholtz-Zentrum Geesthacht in Teltow.

Die Herstellung der Nanocarrier mit innovativen Konzepten der molekularen Architektur und das Beladen mit Wirkstoffen erfolgt in den Bereichen der Organischen Chemie und Pharmazeutischen Technologie. Die genaue Charakterisierung der Proben gelingt mit Methoden der Physikalischen Chemie.

Ebenso ist eine toxikologische Bewertung notwendig, damit die Eignung der Nanocarrier auch für therapeutische Anwendungen denkbar ist. Studien an Haut von Menschen und Tieren werden von Dermatologen und Veterinärmedizinern durchgeführt. Dabei arbeiten diese Wissenschaftler eng mit Arbeitsgruppen der Physik und Physikalischen Chemie zusammen, die moderne Methoden der Mikroskopie und Spektroskopie entwickeln und bereitstellen.

In der Pharmakologie sollen auch Haut- und Entzündungsmodelle entwickelt werden, mit denen anstelle von echter Haut gearbeitet werden kann. Schließlich trägt die Theoretische Physik zur Modellierung der Transport- und Aufnahmewege der Nanocarrier bei, sodass damit allgemeine Prinzipien zur Therapie mit Nanocarriern erarbeitet werden können.

Die Fragen stellte Bianca Schröder

Weitere Informationen

Sonderforschungsbereich 1112

Der Sonderforschungsbereich „Nanocarrier: Architektur, Transport und zielgerichtete Applikation von Wirkstoffen für therapeutische Anwendungen“ (engl.: Nanocarriers: Architecture, Transport, and Topical Application of Drugs) ist eine Kooperation von Freier Universität Berlin, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Helmholtz Zentrum Geesthacht in Teltow – Institut für Biomaterialforschung und Universität Potsdam. Der SFB wird für drei Jahre und neun Monate von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Sprecher ist Eckart Rühl, Professor für Physikalische Chemie an der Freien Universität Berlin.

Zeit und Ort der Eröffnung

  • Freitag, 1. November, 13 Uhr
  • Konrad-Zuse-Zentrum, Takustraße 7 (Hörsaal), 14195 Berlin, U-Bhf. Dahlem-Dorf (U3)

Weitere Informationen

Prof. Dr. Eckart Rühl, Institut für Chemie und Biochemie (Physikalische und Theoretische Chemie) der Freien Universität Berlin, Telefon: 030 / 838-52396, E-Mail: ruehl@zedat.fu-berlin.de

Im Internet: www.sfb1112.de